«Frauen lachen nicht beim Morden»

Knapp 40 Jahre nach seinem ersten grossen Erfolg «Männerphantasien» kehrt der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit zur männlichen Lust am Töten zurück. Ein Gespräch über jubelnde Mörder, Lust und Gewalt und die Notwendigkeit, Gewalt anschaulich zu schildern.

Klaus Theweleit: «Menschliche Körper sind zur Gewalt fähig.» Doch die Fähigkeit allein macht für ihn noch keinen zum Mörder.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Knapp 40 Jahre nach seinem ersten grossen Erfolg «Männerphantasien» kehrt der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit zur männlichen Lust am Töten zurück. Wir haben uns mit ihm über das Lachen der Täter, geheuchelte Unterschiede zwischen Religionen und der Bedeutung von Beziehungen unterhalten.

Klaus Theweleit kann noch lachen. Er kann es, obwohl er eben ein Buch geschrieben hat, in dem das Lachen zur hässlichen Fratze wird, in dem es sich auf den Lippen tötender Menschen niederlässt. Auf denen von Killern wie dem Norweger Anders Breivik, der im Namen der Tempelritter 69 Jugendliche in einem Sommercamp erschiesst. Breivik jubelt nach jedem Treffer, er lacht.

Herr Theweleit, die meisten Menschen assoziieren positive Stimmungslagen mit dem Lachen. Welche Ursachen und welche Funktionen hat das Lachen für Sie?

Man kann das von «dem Lachen» gar nicht allgemein sagen, es gibt tausend, nein: milliarden Varianten. Alle Menschen lachen verschieden. Jenes der Täter ist eines, das am Gewaltende des Lachens passiert. Ein Lachen, das sich auch anderer Muskeln bedient, als das zivilisierende Lachen. Am Lachen sind über 90 Muskeln beteiligt.

Neue «Männerphantasien»
Der deutsche Literaturtheoretiker und Schriftsteller Klaus Theweleit hatte 1976 mit seinem zweibändigen Werk «Männerphantasien» für Furore gesorgt. Darin führt er das faschistische Bewusstsein der deutschen Weltkriegssoldaten auf einen fragmentierten, also innerlich unausgebildeten, Körper zurück. Die innerliche Zerstörtheit bricht sich in hässlicher Gewalt Bahn. «Das Lachen der Täter» kann als Folgewerk gelesen werden.

Dem Lachen ist mittlerweile ein eigener Wissenschaftszweig gewidmet, es werden Lachtherapien angeboten und es wird seine heilende Wirkung propagiert. Jetzt kommen Sie und beschreiben das Lachen als emblematisches Abzeichen des Killers, wie kommen Sie darauf? 

Einfach durch die Wahrnehmung dessen, was passiert. Über die Aussagen von Überlebenden des Massakers auf Utoya bin ich das erste Mal darauf gestossen, Breivik hat gelacht beim Töten. Er trug dabei eine Polizeiuniform, ein ganz besonderer Scherz. Danach ist mir das Lachen der Täter in unzähligen Berichten begegnet und so ist dieses Buch entstanden.

Was für ein Lachen ist das, das Lachen der Täter?

Ich verstehe dieses Lachen als eine besondere Form des Spannungsabbaus. Alle menschlichen Körper brauchen eine Spannungsabfuhr – aber manche Leute haben einen Körper, der diese Spannung nur über Gewaltakte entladen kann. Gewaltakte, die ekstatisch genossen werden und sich in einer bestimmten Sorte Gelächter selber feiern. Genau dieses Gelächter wollte ich näher beschreiben.

Im Eingangskapitel beschreiben Sie Henry Fonda in Sergio Leones «Spiel mir das Lied vom Tod» als Archetypen des lächelnden Killers. Dann kommt Breivik. Kann man Kunst-Typen wie Fonda so einfach mit realen Killern vergleichen?

Wieso Vergleich? Leone zeigt einen Killer-Typus, den man, wenn man hinsieht, auch in der sogenannten Wirklichkeit antrifft. Indem er ihn als Typus zeigt, macht sich Leone zu einem Psycho-Theoretiker von Gewaltprozessen. Mit einem besonderen Dreh: Henry Fonda war bis dahin der Good Guy schlechthin. Leone verkehrt ihn über das Lachen beim Killen ins Gegenteil, ins triumphierende Böse. Womit er den Western als amerikanisches Epos des guten Mannes, der die Welt zurechtrückt, in die Grube schickte. Breivik bediente sich im Übrigen derselben Maske. Er kam als Polizist verkleidet, als die Inkarnation des Helfers.

Die geschilderten Szenen im Buch sind äusserst brutal und detailliert. Muss das so sein?

Es glaubt sonst niemand; und damit ist es dann nicht vorhanden. Wir in Europa sind der Meinung, dass wir in einer halbwegs zivilisierten Welt leben. Eine Diskussion über die tatsächlichen Gräuel, an denen Europa mitbeteiligt ist, kann nur entstehen, wenn man sie zuerst einmal wahrnimmt; und dazu das militärische Gewaltpotenzial der eigenen Gesellschaft und anderer beteiligter Gesellschaften. Wegschauen löscht die Tatsachen nicht.

Sie bündeln 250 Seiten konzentrierter Männergewalt. Kamen Sie an einen Punkt, an dem Sie Männlichkeit kategorisch verabscheuen?

Nein, es geht ja hier um eine bestimmte Sorte männlicher Körper, die eine Grenze überschritten hat und dann nur noch schwer zu erreichen ist. Aber das Buch möchte vielmehr die Einsicht befördern, dass es Wege heraus gibt: über Beziehungen, über Freundschaften, Bestätigung am Arbeitsplatz, über Vereine, in denen man sich als Mensch aufgehoben fühlt. Jeder und jede kann der Ausgrenzung von gefährdeten Mitmenschen entgegenwirken, das gesamte Spektrum gesellschaftlicher Beziehungen baut die Gewalt in den Körpern ab.

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Klaus Theweleit: «Das Lachen der Täter: Breivik u.a. Psychogramm der Tötungslust». Residenz Verlag, 248 Seiten, 31.80 Franken.

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