Gölä und Trump könnten beide beleidigt sein, wenn man sie im gleichen Atemzug nennt. Doch den neuen US-Präsidenten und den «Büezer»-Sänger verbindet ihr Hass auf alles Andersartige. Gut gibt es Frauen wie Meryl Streep, die das schändliche Verhalten dieser Typen öffentlich anprangern.
Diese Zeilen weichen vom Vorsatz ab, nicht über Wichtigtuer zu schreiben und damit deren Ego zu bedienen. Da aber weder Trump noch Gölä die TagesWoche lesen dürften, besteht nicht die Gefahr, dass sie in ihrem Narzissmus zusätzlich überborden werden.
Aber darum es geht auch gar nicht. Wichtiger ist, dass wir uns innerlich von solchen Typen befreien und ihnen nicht permanent unsere Aufmerksamkeit widmen. Ein Mittel dazu wäre, dass jeder, der schon wieder den Namen Trump in den Mund nimmt, fünf Franken in die Jasskasse bezahlen muss.
Mit Beschweigen ärgerlicher Phänomene sind diese freilich nicht beseitigt. Es bleibt wichtig, dass Medien als Instanzen der öffentlichen Verarbeitung gesellschaftlicher Phänomene Trumps Twitter-Absonderungen weiterhin kritisch verfolgen. Aber wir sollten vermeiden, dass sich grössere und kleinere Trumps in unseren geistigen Wohnzimmern einnisten und diese kolonisieren können.
Gölä ist nicht auf Facebook. Seine Auftritte finden in traditionellen Medien statt.
Gölä & Trump: Es könnten beide – vice versa – beleidigt sein, dass man sie im gleichen Atemzug nennt. Sie unterscheiden sich sicher in Manchem. Vielleicht sitzt Gölä weniger lang vor dem Fernseher, und Trump hat wohl weniger Tätowierungen.
Gölä kann vielleicht nicht twittern und ist, wie er stolz erklärt, auch nicht auf Facebook. Seine Auftritte finden, wenn nicht auf der Bühne, in traditionellen Medien statt («Sonntagsblick», «Tages-Anzeiger», «Aargauer Zeitung»). Da darf er erklären, was er mit einem Preis, den er hoffentlich nie bekommen wird, machen würde: Verteilen an die Armen oder an ein Kinderspital.
Wer arm ist, entscheidet aber er selber. Der «Penner vor dem Denner» (weil sichs reimt) gehört nicht dazu, der ist, meint der mutmassliche Plattenmillionär, nur ein Sozialschmarotzer.
Sich selber als «Büezer» stilisierend, hat er ein Herz für fast alle «Büezer», ausser den in dieser Kategorie stark vertretenen Menschen ohne Schweizer Pass. Denn dann kollidiert seine «Büezer»-Liebe mit seiner Vaterlandsliebe.
Die Herde verehrt ihren Leithammel als einsamen Wolf.
Die Ausländer sind – Pech! – nicht mitgemeint, wenn er im populistischen «Wir» klagt, dass alles, was «wir» in «unserem Land» aufgebaut haben, den Bach runter geht. Die Ausländer sind eben nicht Teil des Volkes, gehören, auch wenn sie «Büezer» sind, nur zum Viertel der festen Wohnbevölkerung ohne politische Rechte. Ob sie zu Göläs Publikum gehören?
Zur Fan-Gemeinde gehört jedenfalls die Nummer 1 der SVP-Fremdenfeinde: der Glarner, Andreas, der sich damit brüstet, gleich zehn der neuen CDs gekauft zu haben. So helfen sich die beiden Segmente gegenseitig: Der Aargauer Nationalrat erntet Stimmen bei den Gölä-Anhängern, und Gölä gewinnt Statur, indem er nationalpolitisch wird und ein reaktionäres «Wir»-Gefühl bewirtschaftet.
Ein als Anspruch daherkommendes Missverständnis ist ärgerlich: Die Gölä-Fans halten dessen traurig-aggressiven Nationalismus für mutig, obwohl er nur eine breit vorhandene und leicht abrufbare Stimmung bedient. Die Herde verehrt ihren Leithammel als einsamen Wolf.
Eigentlich verwunderlich ist, dass Gölä keine Einladung zu Trumps Inauguration bekommen hat.
Inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem neuen Mr. President der USA gibt es bei Gölä durchwegs: Man soll keine fremden Kulturen importieren. «Wir machen unser Land selber kaputt. (…) Wir haben unfähige Politiker. Ohne Not haben sie das Bankgeheimnis aufgegeben, etc.» Das Land ist dem Sänger zu links, beherrscht von der selbsternannten Elite der Linken. «Ich habe immer polarisiert. Man mag mich oder hasst mich.» Nur eine Nebenfrage: Warum ärgert sich der Anwalt der armen «Büezer» über die Aufhebung des Bankgeheimnisses?
Sein Mix stimmt: Billige Wut auf das «Pack z’Bärn», mit dem aufgeräumt werden soll. Etwas Anti-EU-Polemik mit der Behauptung, dass in diesem künstlichen Gebilde verschiedene Völker und Kulturen «gewaltsam» vereint würden. Ressentiments gegen die «faulen Gschtudierten» und Klage darüber, dass man gegenüber Schwulen, Bisexuellen, Lesbischen – «oder sonst was» – zu gleichgültig eingestellt sei: «Und alles, was noch vor Kurzem normal war, gilt heute als spiessig.»
Eigentlich verwunderlich ist, dass Gölä keine Einladung zu Trumps Inaugurations-Zeremonie vor dem Weissen Haus bekommen hat. Da gab es wirklich nicht viel Prominenz aus dem Show-Biz. Göla, eigentlich Marco Pfeuti von Oppligen, hätte da eine Lücke füllen können. Viele Musiker verweigerten eine Teilnahme, der Elektromusiker Moby erklärte, er würde auftreten – wenn Trump im Gegenzug seine Steuererklärung veröffentliche.
Verständlich ist, dass Gölä bei der Lancierung seiner neuen CD sehr «selbsternannt» auf sich aufmerksam machen will. Und wenig erstaunlich ist, dass die Medien derart leicht mitspielen. Nachdenklich muss stimmen, dass Gölä – wohl nicht ganz zu unrecht – mit Botschaften glaubt ankommen zu können, die sich gegen Überbevölkerung wehren, aber den Klimawandel anzweifeln, für die Wiedereinführung der Todesstrafe sind und den Bürgern Waffen in die Hand geben wollen.
Meryl Streep riskierte mit ihrer Zivilcourage nicht viel. Aber sie nutzte ihre Position für einen ehrenwerten Auftritt.
Es gibt Auftritte, die nur kurz aufleuchten und unter dem Aspekt der so genannten Tagesaktualität schnell vorbei sind, es aber verdienen würden, weiterhin im Kopf behalten zu werden. Damit sind weniger Göläs Auftritte gemeint, die sich in ähnlicher Weise wiederholen werden. Gemeint ist der einmalige Auftritt der Schauspielerin Meryl Streep bei der Verleihung der 74. Golden Globe Awards am 8. Januar 2017.
Streep, schon 20 Mal für einen Oscar nominiert, mit drei Oscars dann auch ausgezeichnet sowie mit zahlreichen Golden Globes, ist die meistprämierte Schauspielerin der Welt, zudem Ehrendoktorin der Harvard University, vierfache Mutter, 67-jährig. Sie setzte ihre angesehene Position ein, um ruhig und mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit vor offenen Mikrofonen und laufenden Kameras zu sagen, was zum neuen Präsidenten der USA gesagt sein muss, dass er nämlich ein Mensch mit schändlichem Verhalten ist.
Brauchte es Mut dazu? Nicht den Gölä-Mut des Geschäftstüchtigen. Meryl Streep riskierte mit ihrer Zivilcourage nicht viel. Aber sie nutzte ihre Position in verdienstvoller Weise für einen ehrenwerten Auftritt. Sie hätte ihren Preis auch mit ein paar unverbindlichen Banalitäten entgegennehmen können.
Die fatale Wirkung schlechter Vorbilder
Streeps Intervention war nicht einfach eine persönliche Schelte. Sie verwies auf die fatale Wirkung, die von schlechten Vorbildern ausgeht und appellierte an die Menschen ihres Landes, sich nicht anstecken zu lassen. Sie erinnerte daran, dass Trump, der vor allem wegen seiner frauenfeindlichen Ausfälle Empörung ausgelöst hat, in einer Wahlkampfrede auch die Bewegungen eines körperlich Behinderten nachgeäfft hat.
Streep dazu: «Dieser Instinkt, andere zu demütigen, zieht sich in den Alltag von uns allen.» Und weiter: «Respektlosigkeit lädt zu Respektlosigkeit ein, Gewalt animiert zu Gewalt.»
Das sind nicht einfach Angstträume einer zarten Frau. Streep spricht eine Realität an, die man nach dem knappen «Brexit»-Sieg und dem noch knapperen Trump-Sieg in den Strassen und Undergrounds von London und Washington und andernorts beobachten konnte. Das numerische Obenausschwingen des Lagers der Fremdenfeinde führte plötzlich zu einem Ansteigen der Aggression gegen Mitmenschen.
Überhaupt nicht erstaunlich, dass Trump Streep per Twitter umgehend als «meistüberschätzten» Hollywoodstar abqualifizierte. Streep erhielt dagegen viel Anerkennung aus den eigenen Reihen, zum Beispiel von einem gewissen George Clooney. Gölä gehört unseres Wissens nicht zu denjenigen, die Streep gratuliert haben, obwohl dies doch eine Gelegenheit gewesen wäre, sich wieder in Szene zu setzen.
Dies führt uns abschliessend zur verwegenen Frage nach dem Genderaspekt in diesen Auftritten. Sicher gibt es Männlein und Weiblein verschiedenster Art. Dennoch erscheint es als ein nicht untypischer Zug, dass es ein weiblicher Star war, der gegen Trumps herabsetzendes Benehmen antrat. Handkehrum ist es eher selten, dass Brutalo-Statements à la Gölä aus dem Mund einer Frau kommen.