Die Basler SP-Finanzdirektorin will im Steuerstreit mit der EU ein neues Discount-Modell einführen. Ihre Partei lehnt die «Schlaumeierei» ab.
Eva Herzog, die Retterin in der Not: Die Basler Finanzdirektorin scheint einen Weg gefunden zu haben, wie eine dramatische Geschichte, die lange nicht ernst genommen wurde, für die Schweiz glimpflich enden könnte. Seit 2005 warnt die EU, die Schweiz müsse ihre Steuerrabatte für ausländische Dachgesellschaften abschaffen, sonst komme sie auf eine schwarze Liste. Ebenfalls seit 2005 versucht die Schweiz, das Problem auszusitzen.
Dabei steht viel auf dem Spiel: Mehrere Milliarden Franken Steuererträge würden laut Schätzungen wegfallen, wenn all die Multis von Unilever über Google bis zu Coca-Cola Hellenic ihre Sitze aus der Schweiz verlegten, sobald sie ordentlich besteuert würden. Das Basler Finanzdepartement beziffert die Erträge, die durch den Wegzug hier ansässiger Unternehmen bedroht sind, auf 300 bis 400 Millionen Franken pro Jahr.
Radikale Pläne
Nach den Panikreaktionen aus Zürich und Genf, wo radikale Senkungen der Unternehmenssteuer anstehen, um die Firmen zu halten, hat Herzog eine eigene Lösung präsentiert. Sie betrachtet eine Halbierung der Steuern als überzogen. Stattdessen will sie mit einer sogenannten Lizenzbox, die weitgehende Abzüge für Forschung und Entwicklung ermöglicht, den alten Steuertrick durch einen neuen ablösen.
So zumindest sieht das Herzogs Mutterpartei, die SP Schweiz. In einem von der Fraktion verabschiedeten Positionspapier spricht die SP von «Schlaumeiern, die den kantonalen Sonderstatus der Gemischten Gesellschaften und Holdings durch neue Steuerschlupflöcher ersetzen wollen».
Fundamentaler Widerstand
Dass der Widerstand der eigenen Partei gegen Steuerprivilegien fundamental ist, bestätigt der Basler SP-Nationalrat Beat Jans, der einseitige Bevorteilungen für «unglaublich problematisch und grundsätzlich falsch» hält. Es könne nicht sein, dass einige Firmen profitieren, während «der Rest der Wirtschaft am Bluten ist». Der nächste Konflikt mit Herzog scheint sich anzubahnen, nachdem die SP dieses Jahr ihre Finanzdirektorin mit dem erfolgreichen Referendum gegen die Senkung der Unternehmenssteuern in Basel bereits einmal desavouiert hat.
Unterstützung erhält Herzog aus Wirtschaftskreisen. Franz Saladin, Direktor der Handelskammer beider Basel, zeigt sich offen für die Lizenzbox: «Das sieht nach einer sinnvollen Lösung aus.» Zumal er eine extreme Reduktion der Unternehmenssteuern für politisch kaum durchsetzbar hält. Unverständlich ist für Saladin, weshalb erst nach dem Ultimatum der EU eine Lösung gesucht wird: «Man müsste agieren statt reagieren.» Doch auch die Handelskammer scheint die Entwicklungen nicht antizipiert zu haben. Eine eigene Position in der Diskussion wird eben erst erarbeitet.
Engelberger für die Lizenzbox
Auch CVP-Finanzpolitiker Lukas Engelberger, Präsident der für die Steuern zuständigen Grossratskommission, sieht in der Lizenzbox ein taugliches Modell. Allerdings stellt Engelberger das gesamte Vorgehen der Schweiz infrage: «Es sind falsche Signale, die wir nach Brüssel senden. Wir müssen unser System nicht aufgeben, bevor verbindliche Verhandlungen stattgefunden haben. Wir haben gute Argumente für unser Steuerrecht.»
Diese Auffassung dürfte Engelberger ziemlich exklusiv haben. Rainer Hausmann, Experte für internationales Steuerrecht beim Unternehmensberater Ernst & Young, ist davon überzeugt, «dass die Privilegien in dieser Form wohl nicht länger haltbar sind». Von der beschränkten Lizenzbox, wie sie Herzog versteht, hält er nicht viel. Davon würde zwar Basel mit seiner forschenden Pharmaindustrie profitieren. «In der Gesamtbetrachtung geht es da um Peanuts», sagt Hausmann.
Die meisten der nun bevorteilten Firmen – von Chiquita über Ikea und Yahoo bis zu Rohstoff-Multis wie Glencore – würden keine oder nur wenig Forschung in der Schweiz betreiben. Diese Firmen hätten auch mit der Lizenzbox eine 10- bis 20-mal höhere Steuerbelastung zu tragen. Würde die Schweiz aber einen Weg finden, das Box-Modell auszuweiten und national anzuwenden, könne das der Ausweg aus dem Dilemma sein, und die Schweiz könnte ihr Steuersubstrat halten, glaubt Hausmann. Die EU würde das Modell vermutlich akzeptieren, da einzelne Mitgliedstaaten es bereits in ähnlicher Weise praktizieren.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.10.12