Herzogs Tafelrunde – so lief der geheime Steuerdeal ab

Sie trafen sich in einem Sitzungszimmer des Finanzdepartements und handelten in drei Runden ein umstrittenes Abkommen aus. Recherchen zeigen, wie die Basler Parteien und Finanzdirektorin Eva Herzog im Verborgenen die Senkung der Unternehmenssteuern verhandelten.

Am Schluss hiess es: Deal. SP-Finanzdirektorin Eva Herzog organisierte einen umstrittenen Kompromiss für ihre Steuervorlage.

Die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog durchlebt hektische Tage. Am Samstag hat die «bz Basel» einen aussergewöhnlichen Deal der Basler Parteien zur Unternehmenssteuerreform publik gemacht, der noch geheim bleiben sollte. Seither herrscht im Finanzdepartement gesteigerte Betriebsamkeit. Herzog muss die geplante feierliche Pressekonferenz um eine Woche vorziehen, die Regierung die finale Version der Basler Umsetzung unmittelbar vor dem Medientermin erst noch verabschieden.

Dabei schien Herzogs Plan, die für die Basler Pharmaindustrie wichtige Steuervorlage 17  im Verborgenen zu verhandeln, lange aufzugehen. Nachdem in den letzten Monaten bürgerliche und linke Politiker unvereinbare Forderungen proklamiert hatten, griff sie zu einem unüblichen Mittel. Aus Angst vor einem Referendum mit unabsehbaren Konsequenzen bestellte sie Anfang März die Präsidenten sämtlicher im Grossen Rat vertretenen Parteien zu sich ein. Herzog erklärte, angesichts des grossen Zeitdrucks brauche man jetzt sofort eine Einigung. Zuvor hatte sie sich von der Gesamtregierung grünes Licht geben lassen für die ungewöhnlichen Verhandlungen.

Neues Steuerregime muss bis Ende des Jahres stehen

Tatsächlich drängt die Zeit. Die neue Unternehmenssteuerreform will auf Druck der EU und der OECD alte Steuerprivilegien multinationaler Konzerne abschaffen und durch Rabatte etwa auf Forschung und Entwicklung ersetzen. Dazu kommt eine generelle Senkung der Unternehmenssteuern. Nachdem der erste Anlauf, die ominöse Unternehmenssteuerreform III (USR3), in der  Volksabstimmung klar scheiterte, hat die Schweiz kaum mehr Zeit für einen zweiten Versuch. Gilt das neue Steuerregime am 1. Januar 2019 nicht, kommt die Schweiz auf eine «Graue Liste» von Trickserstaaten.

Die Basler Vorlage hängt dabei von den Vorgaben des Bundesrats ab, die derzeit im Ständerat diskutiert werden. Vor Herbst ist kein Beschluss zu erwarten und danach bleibt keine Zeit mehr, eine Basler Umsetzung zu diskutieren.

Drei Sitzungen hielten die Parteipräsidenten oder deren Vertreter im März und April ab, berichten Beteiligte in Gesprächen mit der TagesWoche. Sie trafen sich vor Blicken geschützt in einem Sitzungszimmer des Finanzdepartements. In der ersten Sitzung landeten die Forderungen auf dem Tisch: Steuersenkungen, Familienzulagen, Krankenkassenabzug – alles hat seinen Preis. Als die Varianten vorlagen, rannten Herzogs Beamte los, um zu rechnen.

Streitpunkt Freibeträge

In der zweiten Sitzung einigte man sich auf den Entlastungsrahmen: 150 Millionen Franken legten die Politiker als maximale Ersparnis fest, das würden die sprudelnden Steuereinnahmen erlauben. Dann ging das Verhandeln los. Ein Streitpunkt waren die von allen Seiten in der Vorlage versprochenen Steuersenkungen auch für natürliche Personen. SP-Präsident Pascal Pfister gab bald den von seiner Partei zuvor vehement geforderten erhöhten Freibetrag zugunsten einer Senkung des Steuersatzes auf. Ein erhöhter Freibetrag würde Niedrigverdiener stärker entlasten als ein kleinerer Satz.

Die bürgerlichen Vertreter von GLP bis SVP, die sich in den Gesprächen als einheitlicher Block präsentierten, kamen der Linken in dieser Frage kaum entgegen. So soll der Steuersatz künftig von 22,25 Prozent auf 21,5 Prozent gesenkt werden – eigentlich wollten die Bürgerlichen sogar auf 21,25 Prozent runter.

Für die kleine Linkspartei BastA! war dieser kärgliche Kompromiss das Ende der Veranstaltung. Die BastA!-Vertreterin war von Beginn an skeptisch gegenüber dem demokratisch fragwürdigen Vorgehen. Sämtlichen bürgerlichen Forderungen stand sie zudem unversöhnlich gegenüber. Und so verliess BastA! vor Runde drei den Verhandlungstisch. Äussern wollte sich die Partei erst nach der Medienkonferenz von Dienstag. Eine Stellungnahme folgte dann bereits im Laufe des Morgens:

https://tageswoche.ch/politik/der-deal-wackelt-referendum-gegen-die-steuerreform-droht/

Eine weitere Schwierigkeit zeigte sich bei der CVP. Die kleine Mittepartei musste zur Aufgabe ihrer Volksinitiative bewegt werden, welche die Krankenkassenprämien abzugsfähig machen will. Kostenpunkt: 250 Millionen Franken pro Jahr. Die vereinigte Basler Parteienelite einigte sich schliesslich auf einen begrenzten Abzug von 1200 Franken pro Jahr.

Verhandlungsrunden geschafft, Stimmung aufgeräumt

Der Erfolg von Pfister und dem grünen Parteikollegen Harald Friedl liegt darin, die Erhöhung der Dividendenbesteuerung auf 80 Prozent sowie die zusätzlichen Familienzulagen von 75 Franken pro Monat durchgebracht zu haben. Zudem will Basel-Stadt die Prämienverbilligungen um 10 Millionen aufstocken. Die dazu von den Bürgerlichen verlangte Zustimmung der Wirtschaftsverbände hat Herzog in separaten Verhandlungen erhalten.

Als sich alle einig waren, war die Stimmung nach drei harten Verhandlungsrunden aufgeräumt. Alle hatten den Eindruck, etwas gewonnen zu haben. Doch ein gewisses Misstrauen bestand weiter. Und so einigten sich die Teilnehmer der Verhandlungsrunde am 11. April per Unterschrift auf die nun von der «bz Basel» veröffentlichte Vorlage. Wörtlich verpflichteten sich die Parteivertreter darauf, in Partei und Fraktion für die Vorlage einzustehen. Vereinbart wurde ebenfalls Stillschweigen. Niemand sollte bis zur grossen Medienkonferenz vom Geheimabkommen erfahren.

Damit wollten die Anwesenden vor allem verhindern, dass einzelne Protagonisten vor der Verkündigung intern unter Druck geraten. Vor allem aufseiten  von SP und Grünen befürchtete man am Tisch internen Widerstand, sollte die Sache vorzeitig publik werden. Tatsächlich hat sich nach der Veröffentlichung erster Ärger gezeigt. SP-Grossrätin Tanja Soland sagte in der «bz Basel», es bestehe Erklärungsbedarf: «Warum wir nun gänzlich auf die Erhöhung des Steuerfreibetrags verzichten, ist mir nicht klar.»

Reicht das Murren aus Parteireihen, um den Deal zu zerreden?

Soland hatte erst Ende Februar gemeinsam mit ihrem Präsidenten Pfister lautstark die Bedingungen diktiert, unter denen die SP bereit sei, die Steuerreform zu akzeptieren. Das jetzige Verhandlungsresultat erfüllt einige davon nicht. Soland und die SP forderten eine höhere Dividendenbesteuerung, höhere Kinderzulagen – und eben den grösseren Freibetrag. Die ambitionierte SP-Frau dürfte sich desavouiert fühlen.

Auch die Juso melden Kritik an. Nicolas Eichenberger, Präsident der Jungsozialisten, zeigt sich deutlich irritiert: «Wir sind enttäuscht, dass das SP-Präsidium einem solchen Kompromiss zustimmt.» Mit diesem Deal stehe Basel-Stadt noch schlechter da als bei der USR3. Dass die Dividendenbesteuerung nicht höher ausfällt, sei nicht korrekt. «Auch finden wir es fragwürdig, dass hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde», beklagt sich Eichenberger.

Die geheimen Verhandlungen an Parlament und Öffentlichkeit vorbei bemängelt auch der einflussreiche Grünen-Grossrat Thomas Grossenbacher. Er halte es für richtig, dass Eva Herzog die neue Steuerreform nach der verlorenen Abstimmung über die USR3 breiter abstützen möchte. «Eine wahre Diskussion über das Ganze wird aber erschwert, da die Gespräche im kleinsten Kreis stattgefunden haben», sagt Grossenbacher.

Reicht das Murren, damit der grosse Steuerdeal nochmals zerredet wird? Herzog und ihre Verhandlungspartner wollten am Dienstag alle Zweifel beseitigen. Die Chancen dafür standen nicht so schlecht. SP-Nationalrat Beat Jans, einst wortgewaltiger Kritiker Herzogs und der verunglückten USR3, stellte sich auf die Seite seiner Parteikollegin: «Die Firmen brauchen eine Lösung und der Zeitdruck ist gewaltig. Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen legitim.»

Der Bericht zur Medienkonferenz vom Dienstag lesen Sie hier:

https://tageswoche.ch/politik/herzogs-steuerdeal-wenn-die-prinzessin-den-frosch-kuesst/

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