Ist das euer Ernst? Fetz und Jans versuchen, den bizarren Steuerdeal zu erklären

Die Verknüpfung von Steuer- mit AHV-Reform ist ein höchst fragwürdiges Manöver. Trotzdem wird sie von linken Politikern wie Anita Fetz und Beat Jans verteidigt, wenn auch ungewohnt kleinlaut.

Kritiker und Kritikerin haben überraschend die Seite gewechselt: Die Basler SP-Politiker Beat Jans und Anita Fetz verteidigen die kombinierte Steuer- und AHV-Reform.

Anruf bei Anita Fetz. Die Basler SP-Ständerätin sitzt in der Wirtschafts- und Abgabenkommission (WAK), und die hat einen neuen Vorschlag zur Reform der Unternehmenssteuern vorgelegt, der erstaunt und Fragen aufwirft.

Was klar ist: Nach Jahren des Streits steht viel auf dem Spiel. Der Druck des Auslands bleibt hoch, die Zeit für eine Lösung läuft der Schweiz seit der verpatzten Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform 3 (USR 3) im Februar 2017 davon.

Der Lösungsvorschlag aus Fetz’ Kommission mutet nun aber einigermassen wahnwitzig an. Oder ist es der Mut der Verzweiflung? Die WAK schlägt – stark verkürzt – vor, die Firmen um 2,1 Milliarden Franken zu entlasten und zugleich 2,1 Milliarden in die wankende AHV zu stecken. Die Erhöhung der Familienzulagen ist gestrichen, die Dividendenbesteuerung wird nicht auf mindestens 70 Prozent erhöht. Die mageren Zugeständnisse des Bundesrats an die linken Abstimmungssieger von vor einem Jahr sind weg, dafür fragwürdige Finanzinstrumente wieder drin.

Anita Fetz, erfolgreiche Kämpferin gegen die USR 3, kann wahrscheinlich nur bitter lachen über den neusten Wurf aus dem kernbürgerlichen Ständerat. Glauben wir.

Diese Idee ist doch nicht auf Ihrem Mist gewachsen, oder Frau Fetz? Die SP-Frau stockt. «Ähm, der Entscheid ist einstimmig getroffen worden.» Fetz steht dahinter und ihr Parteipräsident Christian Levrat, auch er Ständerat, ebenfalls.

Wo bleibt die Gegenfinanzierung?

Die Wirtschaft spart 2,1 Milliarden Franken, wo bleibt die von Ihrer Partei stets verlangte Gegenfinanzierung, Frau Fetz? Die Gegenfinanzierung laufe über die AHV, sagt die langjährige Ständerätin: «Mich haben die Familienzulagen nie überzeugt, die sind nicht für alle und belasten auch Kleinstunternehmen.»

Aber die Hälfte der angedachten AHV-Zusatzfinanzierung bezahlen doch die Arbeitnehmer. Ist das eine adäquate Gegenfinanzierung? «Es ist ein Kompromiss», sagt Fetz und schiebt erklärend nach, dass es für Aussenstehende schwierig sei, die Kommissionsarbeit zu verstehen. «Sich in der Mitte zu treffen, ist sehr schwierig, weil Politiker immer Angst haben, den sicheren Boden zu verlassen.» Sicher ist nur der mit der eigenen Partei ausgehandelte Verhandlungsspielraum.

Haben Sie also den goldenen Kompromiss gefunden, Frau Fetz? «Es ist ein Kompromiss…, schreiben Sie nicht golden.»

Fetz hält die Verknüpfung mit der AHV für einen Geistesblitz. So würde ein anderer Krisenherd der Schweizer Politik befriedet, zumindest vorübergehend. Denn seit dem Scheitern der bundesrätlichen AHV-Reform im letzten September wird dringend eine neue Lösung zur Sanierung gesucht. Die von der ständerätlichen WAK vorgeschlagene Zusatzfinanzierung über höhere Lohnprozente würde der Politik ein paar Jahre Zeit geben, eine längerfristig tragfähige Reform der Altersvorsorge zu entwickeln. Zudem ist die von den Linken bekämpfte Erhöhung des Pensionsalters für Frauen vom Tisch. Zumindest vorläufig.

Haben Sie also den goldenen Kompromiss gefunden, Frau Fetz? «Es ist ein Kompromiss…, schreiben Sie nicht golden.»

Ausgeprägtes Misstrauen

Auch in der Politik lohnt sich der Blick zurück. Zumal in Geschäften, wo die Fehlermarge ausgereizt ist und Scheitern keine Option mehr. So wie bei der kolossalen Neuordnung der Firmenbesteuerung. Das Megageschäft heisst heute Steuervorlage 17, ist aber de facto eine Neuauflage der USR 3.

Die USR 3 wurde am 12. Februar 2017 von der Schweizer Stimmbevölkerung mit 59 Prozent Nein-Anteil verworfen. Entgegen den Wünschen von Regierung, Parlament und Wirtschaftsverbänden wies das Volk die Vorlage ab. Weder liessen sich die Stimmbürger von den Drohungen der Wirtschaft beeindrucken noch vom internationalen Druck zur Veränderung. EU und OECD verlangen die Abschaffung der Steuerprivilegien für internationale Holdings bis 2019, ansonsten drohen Sanktionen.

Gescheitert ist das Projekt vor allem aus einem Grund, wie Politologen in Befragungen nach der Abstimmung feststellten: Die Leute hatten kein Vertrauen in die Reform. Sie misstrauten dem Paket aus zwei Gründen. 59 Prozent der Nein-Sager glaubten an eine unfaire Verteilung von Lasten und Risiken, 57 Prozent hielten die Informationen für unzureichend, sie waren überfordert oder ungläubig.

Undurchsichtige Mischung

Ein klares Zeichen an Bundesrat und Parlament, sollte man meinen, doch die Lernfähigkeit der Schweizer Politik ist begrenzt. Anders ist der neuste Plan zur Steuerreform nicht zu verstehen. Der Vorschlag aus dem Ständerat nimmt die manifesten Bedenken der Bevölkerung nicht auf. Er wirkt wie ein undurchsichtiges Gepansche mit Zutaten, die hinten und vorne nicht zusammenpassen.

Die SP hegt anscheinend die Hoffnung, die offensichtlichen Widersprüche würden verschwinden, wenn man nur nicht darüber spricht.

So ist höchst umstritten, ob die Einheit der Materie gewahrt wird. Der Zürcher Politgeograf Michael Hermann, häufig am Puls der Leute, spricht von einer «grandiosen Schnapsidee». Was als Kompensation und sozialer Ausgleich gepriesen werde, «ist im besten Fall eine Nebelpetarde, im schlechtesten ein Missbrauch der demokratischen Rechte».

Hermann legt in seiner Kolumne dar, was eigentlich jeder sehen muss. Doch die SP hegt anscheinend die Hoffnung, die offensichtlichen Widersprüche würden verschwinden, wenn man nur nicht darüber spricht. Nur wenig Kritik taucht bislang auf und das eher aus der Parteiperipherie. Selbst routinierte Zwischenrufer vom linken Flügel wie der Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth schweigen auffällig.

Ein Verdacht liegt nahe: Die Parteispitze fürchtet sich davor, von der eigenen Rhetorik unter Zugzwang gesetzt zu werden, das Referendum gegen die Steuervorlage 17 zu ergreifen. Und man will ja nicht verantwortlich für das sein, was nach einem allfälligen Volksnein kommt.

Neue Steuersenkungen nach einem Volksnein?

«Dann kommt nichts Gutes», prophezeit Beat Jans. Der Basler SP-Nationalrat war einer der Vorkämpfer für ein Nein zur USR 3. Jetzt tönt seine Rede anders. Ohne Reform würden die grossen Konzerne wie Novartis und Roche von sich aus auf die alten Steuerprivilegien verzichten, glaubt er. Und die Kantone würden im Gegenzug die Gewinnsteuern noch weiter senken, um ein Abwandern der Multis zu verhindern. Schon jetzt will der Kanton Basel-Stadt die Unternehmenssteuern von 22 auf 13 Prozent für alle Firmen senken.

Jans bezeichnet den Vorschlag aus dem Ständerat als «Riesenfortschritt». Er hält die Verknüpfung mit der AHV für taktisch geschickt, erachtet auch die erhöhten Abgaben der Arbeitnehmer als clevere Umverteilung: «Die oberen Einkommen finanzieren diese Reform, weil sie mehr bezahlen müssen als die tiefen.»

Aber wo bleibt die Gegenfinanzierung durch die Wirtschaft, Herr Jans? Die Firmen sparen und das Volk bezahlt. «Die neue Lösung ist besser als der Status quo», sagt er, und schiebt nach: «Wenn das schiefgeht, gibt es keinen Plan B mehr.»

Der Wind kann schnell drehen, und dann steht man besser nicht auf der Seite der Irrläufer.

Warum hat die parlamentarische Linke trotz Abstimmungssieg nicht mehr herausgeholt? Jans rechtfertigt sich: «Wir sind brutal in der Minderheit! Selbst wenn du das Referendum gewinnst, setzen sie deine Anliegen nicht um.»

Die grösste linke Errungenschaft sieht er darin, dass die Ständeratskommission bereit ist, das Kapitaleinlageprinzip anzutasten. «Eines der grössten Steuerschlupflöcher der Geschichte», sagt Jans. 15 Jahre lang habe die SP dagegen gekämpft. 

Eingeführt vom früheren Finanzminister Hans-Rudolf Merz (FDP) verleitete es ausländische Firmen dazu, im grossen Stil Gelder in die Schweiz zu zügeln, um Steuern zu sparen. Aber auch inländische Unternehmen profitierten vermutlich in Milliardenhöhe, weil sie Reserven steuerfrei ausschütten konnten. Um wie viel Geld es geht, weiss man nicht, weil der Bundesrat sich weigert, Zahlen zu veröffentlichen.

Schmerzhaftes Ende vorausgesagt

Geschlossen wird das schwarze Steuerloch auch in Zukunft nicht, sondern bloss eingegrenzt. Fetz geht von zusätzlichen Steuereinnahmen in der Höhe von 200 bis 400 Millionen Franken aus. Sicher ist aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht mal das.

Stehen Sie also hinter diesem Vorschlag, Herr Jans? «Ich lasse das zum jetzigen Zeitpunkt offen, schreiben Sie das so.»

Details müssten noch geklärt, die breite parlamentarische Debatte abgewartet werden. Vielleicht weiss Jans aber auch schlicht: Der Wind kann schnell drehen und dann steht man besser nicht auf der Seite der Irrläufer.

Politprofi Michael Hermann sagt dem bizarren Deal ein für alle schmerzhaftes Ende voraus:

«Wenn sich der Nebel der Petarde verzogen hat, wird von der ach so cleveren Idee wenig übrigbleiben. Die Öffentlichkeit lässt sich nicht für dumm verkaufen. Bald wird klar sein, dass eine Sanierung der AHV durch die Allgemeinheit keine Kompensation für Steuererleichterungen bei den Unternehmen ist.»

Die Frage ist nur, ob das die Sozialdemokraten noch rechtzeitig merken.

Nächster Artikel