«Jetzt ist die Situation klar – das beruhigt mich»

Finanzdirektorin Eva Herzog hat sich vor der Debatte zur «Lex USA» aus dem Fenster gelehnt: Falls ein allfälliges Nein zu einer Klage führe, sei die Existenz der Basler Kantonalbank bedroht. Trotz des Neins sieht sie nun doch relaxt in die Zukunft.

«Die Amerikaner hören nicht auf, bis sie alle Daten haben»: Finanzdirektorin Eva Herzog über Leaver-Listen und die Folgen. (Bild: Stefan Bohrer (Archiv))

Finanzdirektorin Eva Herzog hat sich vor der Debatte zur «Lex USA» aus dem Fenster gelehnt: Falls ein allfälliges Nein zu einer Klage führe, sei die Existenz der Basler Kantonalbank bedroht. Trotz des Neins sieht sie nun doch relaxt in die Zukunft.

Nach dem Aus für die «Lex USA» ist die grosse Frage: Wie geht es weiter? Die Banken warten gespannt auf den Entscheid des Bundesrates. Wie es im Steuerstreit mit den USA weitergeht, darüber will der Bundesrat am kommenden Mittwoch oder gar eine Woche später informieren. Die TagesWoche hat sich mit der Finanzdirektorin Eva Herzog über die nahe Zukunft der Basler Kantonalbank unterhalten. Die Regierungsrätin ist überraschend zuversichtlich, nicht zuletzt weil die Verhandlungen mit der US-Justiz weit fortgeschritten seien.

Ihre Warnung im Interview mit der «Basler Zeitung», bei Ablehnung der «Lex USA» sei die Existenz der BKB gefährdet, machte bei den Bundesparlamentariern Ihrer Partei keinen Eindruck, Frau Herzog. Und jetzt?

Das Gesetz ist zwar gescheitert, aber National- und Ständerat haben eine Erklärung verabschiedet, worin sie den Bundesrat auffordern zu handeln, schnell zu handeln, also die entsprechenden Bewilligungen zu erteilen. Die Haltung des Nationalrats ist zwar widersprüchlich. Als der Bundesrat im April 2012, gestützt auf Paragraf 271 des Strafgesetzbuches, unter gewissen Bedingungen die Bewilligung an fünf Banken erteilt hat, Daten in die USA zu liefern, stellte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats im Nachhinein fest, dass er dafür eine eigene gesetzliche Grundlage gebraucht hätte. Der Bundesrat hat dies beherzigt und legt diesmal ein Gesetz vor – jetzt sagt der Nationalrat, der Bundesrat könne und solle ohne handeln.

Und nun hat man einfach Zeit verloren?

Nein, nicht unbedingt. Hätte der Bundesrat von sich aus gehandelt, wäre er zweifellos stark kritisiert worden, es hätte eine Debatte in der Öffentlichkeit geben können, die auch Unsicherheit ausgelöst hätte. Nun hat diese Debatte schon stattgefunden, die Sachlage ist klar, das Parlament hat gesagt, der Bundesrat solle handeln.

Ihre Äusserung über die gefährdete Existenz der Basler Kantonalbank vor der Juni-Session war also eine rein abstimmungstaktische an die Adresse des Parlaments?

Es war von Anfang an umstritten unter Juristen, ob Bundesrat oder Parlament diese Bewilligung zur Datenlieferung erteilen können. Das ist auch ein Grund für die zum Teil widersprüchlichen Aussagen der Banken oder ihrer Anwälte. Als sich der Bundesrat aber für den Weg der Gesetzesvorlage entschieden hatte, als Grundlage für die Lösung des Problems aller Banken, musste man sich meiner Ansicht nach ohne Wenn und Aber für diesen Weg einsetzen. Eine Ablehnung des Gesetzes durch das Parlament, das man als auch als Nein für ein Handeln des Bundesrates hätte interpretieren müssen, hätte die Situation kreieren können, vor der ich warnte: dass die USA via Klagen versuchen könnten, Druck zu erzeugen für Datenlieferungen. Eine Klage ist eine Gefahr für eine Bank – im Falle von Kantonalbanken nicht für ihre Kunden, dafür gibt es die Staatsgarantie. Mit der Erklärung des Parlaments liegt der Ball wieder beim Bundesrat. Die Signale sind klar und werden hoffentlich auch in den USA gehört: Der Bundesrat soll Wege finden, um den Banken zu ermöglichen, die Daten zu liefern.

Das tönt fast so, als ob der Bundesrat eher mehr Handlungsspielraum hätte als vor der Parlamentsdebatte.

Nein, er hat nicht mehr Möglichkeiten, aber auch nicht weniger. Aber er hat jetzt vom Parlament die Legitimation erhalten zu handeln. Jetzt ist die Situation klar, und das beruhigt mich.

Sie, Frau Regierungsrätin, sind nun ganz zuversichtlich, was die Zukunft der BKB angeht. Die Anleger dagegen nicht. Die Partizipationsscheine sind Ende dieser Woche auf den Stand von 2003 gefallen.

Der Kurs des PS ist schon seit einiger Zeit sehr volatil, das wird wohl so bleiben, bis die Sache ausgestanden ist. Aber vergessen Sie nicht: Die BKB gehört zu der Gruppe von zwölf Banken, die in den Verhandlungen mit den USA schon sehr weit sind. Im April 2012 haben diese die Bewilligung erhalten, Daten – auch Mitarbeiterdaten – zu liefern sowie Strategiekonzepte und weitere Papiere. Die USA überprüfen meinem Verständnis nach aufgrund dieser Unterlagen, wie die Banken vorgegangen sind, was ihre Geschäftsmodelle waren, ob sie aktiv US-Kunden akquirierten. Was bis jetzt aber nicht geliefert wurde, das sind die Leaver-Listen mit den statistischen Angaben, auf welche Banken die Gelder der abgewanderten Kunden geflossen sind. Diesbezüglich ist die Rechtslage nicht ganz klar. Hier hoffen wir auf eine Klärung durch den Bundesrat, womit es dann möglich sein sollte,  dass die Banken mit den USA einen Vergleich abschliessen können.

Dann halten Sie, sofern die Leaver-Listen jetzt auch noch geliefert werden können, eine Klage für ausgeschlossen?

Jedenfalls für sehr unwahrscheinlich. Wenn die US-Behörden die Daten erhalten, die sie brauchen, dann sehe ich nicht, weshalb sie Anklage erheben sollten.

Wenn wir nun also davon ausgehen, dass der Bundesrat die Übergabe der Leaver-Listen bewilligt – kommt es dann auf jeden Fall zu einer Busse für die BKB?

Andere Banken mussten Bussen bezahlen, man wird davon ausgehen müssen, aber Genaueres weiss bisher niemand.

Kann man die Höhe abschätzen?

Nein. Die BKB geht davon aus, falls es eine Busse gibt, dass sie diese tragen kann. Sie macht ja Rückstellungen für allgemeine Bankrisiken und das jedes Jahr.

Zurzeit sind 1,7 Milliarden Franken darin.

Genau, es ist aber nicht so, dass man die einfach ausgeben kann. Das ist nicht einfach ein Topf mit Geld, sondern es ist ein Teil des Eigenkapitals. Und natürlich hätte das entsprechend auch Auswirkungen auf die Eigenkapitalsituation der Bank.

Die Zürcher Kantonalbank rechnet mit einer Busse zwischen 300 und 700 Millionen Franken. Wird es im ähnlichen Ausmass sein?

Wie gesagt, ich weiss es nicht. Die Verhandlungen über eine Beendigung des Problems laufen.

Hat die bevorstehende Busse die Partizipationsscheine auf das Zehnjahrestief gedrückt?

Wie bereits gesagt, war der Kurs der Partizipationsscheine in den vergangenen Wochen allgemein sehr volatil. Das wird so bleiben, bis die Situation bereinigt ist.

Es sind aber auch Kundengelder abgeflossen.

Das war schon im 2012 so, netto gab es eine Abnahme der Kundengelder, ja. Aber nicht in einem kritischen Mass. Die BKB hat sich auch bewusst von Kunden getrennt, welche ein höheres Risiko ausweisen.

Sind die Geldabflüsse auch in den vergangenen Tagen nicht kritisch geworden?

Nach meinen Informationen geschieht dies weiterhin nicht in einem kritischen Mass.

Was viele BKB-Kunden zurzeit beschäftigen dürfte, ist die Frage: Ist mein Geld sicher auf der BKB?

Ja, denn die BKB ist gut aufgestellt und gut kapitalisiert und verfügt über eine gute Liquidität. Selbst im Worst Case gibt es den Allgemeinen Einlegerschutz bis 100’000 Franken und danach greift bei der BKB die Staatsgarantie. Das heisst: Das gesamte Geld der Kunden und alle anderen Forderungen sind sicher – unabhängig vom Betrag.

In der «Basler Zeitung» vom Freitag stand, dass die Crédit Suisse bereits am Montag Daten liefert…

Im April 2012 haben verschiedene Banken die Bewilligung erhalten, Daten zu liefern. Die Lieferung erfolgt jeweils in Tranchen und nun scheint bei der CS eine nächste Tranche anzustehen. Das sind also keine News.

Falls der Bundesrat der BKB nun die Bewilligung erteilt, die Leaver-Listen zu liefern, wird das also auch eine ganze Weile dauern?

So weit ich weiss, sind diese Listen zusammengestellt und können geliefert werden.

Und die Liste enthält die Angaben für die gesamten 500 Millionen Franken an US-Kundengeldern, die die BKB hatte?

Über Details kann ich mich nicht äussern. Umfassende Kooperation heisst aber umfassende Datenlieferung.

Dann erfahren die USA, wer sonst noch Gelder von US-Kunden angenommen hat.

Ja, aber die USA haben schon so viele Daten von jenen Kunden, die sich gestellt haben, von jenen, die angeklagt wurden, über die von Banken bisher gelieferten Daten. Alle Banken, die nicht in der ersten Kategorie sind wie die BKB und geglaubt haben, dass sie durchschlüpfen können, sind naiv. Falls sie auch US-Kunden hatten, können auch sie zur Rechenschaft gezogen werden: Die Amerikaner hören nicht auf, bis sie alle Daten haben und auch die letzten US-Gelder gefunden haben.

Die Schweiz hat also gar keine andere Chance als zu kooperieren.

Ja, die USA werden zu den Daten kommen, die sie wollen. Jetzt ist es am Bundesrat, die Bewilligungen für die Datenlieferung zu erteilen. Die Banken der Gruppe 1, zu denen auch die BKB gehört, kooperieren bereits stark mit den US-Behörden und haben schon viele Daten geliefert. Deshalb gehe ich davon aus, dass die BKB diese Altlast endlich bereinigen kann.

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