Kasernendebatte im Grossen Rat: Von «fliegenden Fischen» und «Ameisen»

Im Grossen Rat begann die Debatte über das Gesamtsanierungsprojekt des Kasernen-Hauptbaus. Es zeichnet sich eine hitzige Diskussion ab, die entlang des Grabens zwischen Rechts und Mitte/Links verläuft.

Architekt Hans Focketyn vor dem Modell des neuen Hauptbaus mit der Indoor-Piazza und dem neuen Veranstaltungsraum im Zentrum.

(Bild: Dominique Spirgi)

Im Grossen Rat begann die Debatte über das Gesamtsanierungsprojekt des Kasernen-Hauptbaus. Es zeichnet sich eine hitzige Diskussion ab, die entlang des Grabens zwischen Rechts und Mitte/Links verläuft.

  • Im Grossen Rat kreuzen die Sprecher der jeweiligen Mehrheiten und Minderheiten in den vorberatenden Kommissionen die Klingen. Beide Kommissionen – namentlich die Bau- und Raumplanungskommission (BRK) und die Bildungs- und Kulturkommission (BKK) – haben dem Projekt nach langen Diskussionen zugestimmt.
  • Regierungspräsident Guy Morin legt sich für «sein» Projekt als Ort für das Kleinbasel, für das Quartier, für Kulturschaffende und die ganze Bevölkerung der Stadt ins Zeug.
  • Zur Debatte steht ein Baukredit von knapp 45 Millionen Franken für die Gesamtsanierung des Kasernen-Hauptbaus und dessen Umbau zu einem Zentrum für Kultur und Kreativwirtschaft.
  • In den Kommissionen tat sich ein klarer Graben zwischen den rechtsbürgerlichen Parteien SVP, FDP und LDP sowie den Fraktionen der Ratslinken und der Mitte auf.
  • Dieser Graben zeigt sich auch im Gesamtrat. Die Projektgegner sind damit in der Minderheit.
  • Dessen sind sich SVP, FDP und LDP bewusst, weshalb sie vorsorglich bereits ein Referendum gegen den absehbaren Grossratsbeschluss angekündigt haben.

Die Debatte um die Gesamtsanierung des Kasernen-Hauptbaus, laut Grossratspräsidentin Dominique König-Lüdin das «Haupttraktandum des Tages», begann erst kurz vor Sitzungschluss. Zur Sprache kamen erst die vier Kommissionssprecher und die beiden zuständigen Regierungsräte Guy Morin und Hans-Peter Wessels.

«Nicht alle erhalten die Kaserne, die ihnen vorschwebt»

Leonhard Burckhardt (SP), Sprecher der Mehrheit der BRK, wies auf die komplexe Ausgangslage des Sanierungs- und Umbauprojekts hin: «Nicht alle erhalten die Kaserne, die ihnen vorschwebt», sagte er. Aber das vorliegende Projekt vereine verschiedene Ansprüche auf einem sehr guten Niveau.

Die Kommissionsmehrheit sei der Ansicht, dass das vorliegende Wettbewerbsprojekt die hohen und unterschiedlichen Anforderungen erfüllen könne. Das Projekt gewähre den direkten Durchgang zum Rhein, biete Kulturschaffenden und Kreativwirtschaftlern Platz und genüge den denkmalschützerischen Bedingungen.

Zu den monierten hohen Kosten von 44,6 Millionen sagte er, dass davon 32,6 Millionen Franken für die Wahrung der Bausubstanz und für die Erdbebensicherung benötigt würden. Dazu kämen unter anderem noch 3 Millionen für Massnahmen, damit die Veranstaltungen Basel Tattoo und Hebstmesse weiterhin stattfinden können.

Burckhardt unterstrich, dass plausible und überzeugende Alternativen keine in Sicht seien: «Mit einer Ablehnung ist also nichts gewonnen.»

«Weder Fisch noch Vogel»

Als Sprecher der BRK-Minderheit sprach LDP-Grossrat und Regierungsratskandidat Conradin Cramer von einem Kompromissvorschlag, der nicht zu befriedigen vermöge. Von einer grosszügigen Verbindung zum Rhein könne nicht die Rede sein, weil sie von aussen nicht sichtbar sei. Der Versuch, die Verbindung durch einen überdimensionierten inneren Platz zu schaffen, vernichte auf verschwenderische Art wertvollen Innenraum direkt am Rhein. «Das Projekt ist weder Fisch noch Vogel», sagte Cramer im Namen der Kommissionsminderheit.

Auch die Kosten sind der BRK-Minderheit ein Dorn im Auge. Alleine der zeitliche Druck, dem abtretenden Regierungspräsidenten noch ein Renommierprojekt zu ermöglichen, könne nicht Grund sein, das nicht befriedigende Projekt jetzt durchzupeitschen. «Man hat die Quadratur des Kreises gesucht, aber das Ziel verfehlt», sagte Cramer. Vielmehr solle dereinst der neugewählte Vorsteher des Präsidialdepartements die Gelegenheit erhalten, ein befriedigendes Projekt auszuarbeiten.

Bürgerliche bevorzugen private Trägerschaft

Als Mehrheitssprecher der BKK zeigte Oswald Inglin (CVP) Verständnis dafür, dass sich beim flexiblem Nutzungskonzept zum jetzigen Zeitpunkt vieles noch nicht abschliessend klären lasse, sondern erst beim laufenden Betrieb. Er verglich das Nutzungskonzept mit einem Computer mit einer stabilen und anpassungsfähigen Software, die nicht gleich zu Beginn alle erdenklichen Bedürfnisse befriedigen müsse.

BKK-Minderheitssprecher Luca Urgese (FDP) stellte grundsätzlich in Frage, ob ein staatliches Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum überhaupt wünschbar sei. Seiner Ansicht nach könne eine private Trägerschaft, die den Bau im Baurecht übernehmen würde, den Anforderungen besser nachkommen. Auch glaubt Urgese zusammen mit der BKK-Minderheit nicht daran, dass keine Folgenkosten zu erwarten seien, wie in der Vorlage der Regierung garantiert werde. Im Grundsatz brandmarkte er das Projekt als absolut unsorgfältig vorbereitet.

Ein «fliegender Fisch»

Gegen diese  Vorwürfe wehrten sich Regierungspräsident Guy Morin und Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels. Morin legte sich für «sein» Projekt als Ort für das Kleinbasel, für das Quartier, für Kulturschaffende und die ganze Bevölkerung der Stadt ins Zeug. Die Kritik aufnehmend, dass das Projekt weder Fisch noch Vogel sei, sprach Morin von einem «fliegenden Fisch», der zum Anziehungspunkt der ganzen Stadt werde.



Platz für kreative Menschen auch in den Gängen des neuen Kulturzentrums.

Platz für kreative Menschen auch in den Gängen des neuen Kulturzentrums. (Bild: Focketyn Del Rio)

Der verantwortliche Vorsteher des Präsidialdepartements wies darauf hin, dass der Kasernen-Hauptbau den unterschiedlichsten Bedürfnissen Platz bieten müsse: von den Anspruchsgruppen aus dem Quartier wie die Moschee, Pro Senectute, Fähriverein und den ansässigen Kulturinstitutionen bis zu Kulturschaffenden und Vertretern aus dem Bereich der Kreativwirtschaft. Der Ort solle auch eine Aufenthaltsqualität für die ganze Stadt haben – und zwar für Menschen, die in den Gastrobetrieben etwas konsumieren wollen, aber auch für solche, die sich ohne Konsumzwang durch den Bau bewegen möchten.

Nein sei leicht gesagt, sagte Morin weiter. Aber eine Rückweisung sei nur dann sinnvoll, wenn sie mit einem klaren Auftrag für eine Alternative verbunden sei. Einfach mal nur Nein zu sagen, das sei in seinen Augen «weder Ameise noch Fliege».

Debatte unterbrochen

Nach den Regierungsvoten wurde die Debatte unterbrochen. Mit den Voten der Fraktions- und zahlreichen Einzelsprecher wird sie am kommenden Mittwoch fortgesetzt.

Nächster Artikel