Demenzkranke Baslerinnen und Basler erhalten seit Anfang Jahr mehr Pflege. Doch die Schweizer Krankenkassen wollen den neuen Basler Pflegeheim-Rahmenvertrag um jeden Preis verhindern.
Der neue Pflegeheim-Rahmenvertrag wurde im vergangenen Jahr abgeschlossen. Er verspricht mehr Personal für die Betreuung von demenzkranken Patientinnen und Patienten in Basler Heimen. Seit dem 1. Januar 2017 ist er in Kraft, die ersten neuen Rechnungen und Tarif-Anpassungen werden diese Woche verschickt.
Das ging der Leistungseinkäuferin Tarifsuisse AG, einer Tochterfirma der Santésuisse, die die Interessen von 45 Schweizer Krankenkassen vertritt, derart gegen den Strich, dass sie den Rahmenvertrag sofort stoppen wollte. Am 5. Januar legte Tarifsuisse eine verfassungsrechtliche Beschwerde gegen den neuen Rahmenvertrag ein. Der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerdeführerin wurde abgelehnt. Die Beschwerde ist beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hängig, wie das Gericht gegenüber der TagesWoche bestätigte.
Darum wird es teurer
Das Plus an Pflegezeit für demenzkranke Menschen und der damit verbundene erhöhte Personalaufwand bedeuten in Zahlen: 5,6 Millionen Franken zusätzlich von den Krankenkassen und 7,2 Millionen vom Kanton (gestaffelt auf fünf Jahre, 2017 bis 2021). Neu betragen die Pensions- und Betreuungstaxen 190.30 Franken pro Tag – und wie bis anhin sind diese Taxen für alle Alterspflegeheime einheitlich. Die maximale Kostenbeteiligung für die Bewohnerinnen und Bewohner bleibt bei 21.60 Franken pro Tag.
Grund für die Kostenerhöhung: Eine neue schweizweit durchgeführte Studie hat ergeben, dass viele Heimbewohnerinnen und -bewohner mit demenz- und psychogeriatrischen Erkrankungen bisher zu wenig Pflege erhalten hatten. Sie waren falsch eingestuft und konnten deshalb nicht ausreichend behandelt werden. Das Berechnungsinstrument des Pflegebedarfs wurde entsprechend neu kalibriert, um dieses Manko zu beheben.
Seit dem 1. Januar 2017 wird die Heim-Pflege in Basel-Stadt nach dem entsprechend angepassten Index berechnet, festgehalten im Rahmenvertrag. Im Kanton Solothurn gilt derselbe Index schon seit dem vergangenen Juni.
Kassen im Angriff gegen mehr Pflegeleistungen
«Ja, Tarifsuisse AG hat eine verfassungsrechtliche Beschwerde im Auftrag von 44 schweizerischen Krankenkassen gegen den Pflegeheim-Rahmenvertrag 2017–2021 von Basel-Stadt eingereicht», bestätigt Christophe Kaempf, Sprecher von Santésuisse. Der Grund, so Kaempf, sei, dass man die Neuberechnung nicht akzeptiere: «Wir gehen davon aus, dass das zur Folge hat, dass die Leute damit automatisch eine Stufe höher als bisher eingeschätzt werden.»
Man stellt also schlicht die Resultate der neuen schweizweiten Pflege-Aufwand-Studien in Frage, die ein Manko bei der Pflege von demenzkranken Menschen festgestellt haben. Santésuisse stellt sich auf den Standpunkt, es würden nur mehr Kosten verursacht, ohne dass gewährleistet sei, dass tatsächlich mehr Pflege geleistet werde. Am Ende bezahle das der Prämienzahler.
Darauf angesprochen, dass die neue Berechnungsgrundlage im Kanton Solothurn längst eingeführt worden ist, ohne eine Beschwerde der Krankenkassen, sagt Kaempf: «Wir werden in allen Kantonen entsprechend gegen diese Entwicklung vorgehen.»
Der Kanton gibt sich gelassen
Gabi Mächler, Präsidentin des Verbands gemeinnütziger Basler Alterspflegeheime (VAP), sowie Linda Greber, Leiterin der Abteilung Langzeitpflege beim Basler Gesundheitsdepartement, zeigen sich gelassen: Die Beschwerde sei nun Sache des Gerichts. An den Berechnungsgrundlagen sei nichts falsch, weshalb es keinen ersichtlichen Grund gebe, warum die Kassen mit ihrer Beschwerde durchkommen sollten.
«Es ist es dem Kanton wert, diesen Menschen mehr Zeit zu widmen» – nichts anderes signalisiere das neue Rahmenabkommen, sagt Regine Dubler, Leiterin des Dandelion, dem Pflegezentrum für demenzkranke Menschen in Basel. Im Dandelion, wo Demenzkranken in kleinen Strukturen und Wohngruppen von maximal neun Personen mit einem fixen Betreuerteam Sicherheit und Orientierung geboten werde, sei der Pflegeaufwand enorm. Für Aussenstehende kaum vorstellbar, so Dubler: «Ein Mittagessen kann zwei Stunden dauern. Aber am Ende haben alle eine frisch zubereitete Mahlzeit zu sich genommen.»
Das sei wichtig – für die Betroffenen genauso wie für Angehörige. «Man könnte alles leichter haben», sagt die Zentrumsleiterin trocken. «Mit Sedierung. Mit Magensonden.» Aber das, fügt Regine Dubler an, sei dann «ein Thema für die Ethik».
Und ein Thema, das sich mit ausreichender Pflege nicht stellt.