Leichtsinnige Genossen

Kurz vor der Abstimmung über die Senkung der Gewinnsteuer wird die SP-interne Opposition lauter. Parteifreunde streiten sich öffentlich. Werden die Sozialdemokraten übermütig?

Für ihre «seriöse» Arbeit wird die SP-Finanzdirektorin von den Genossen in den höchsten Tönen gelobt – bei der Senkung der Gewinnsteuer stösst Eva Herzog (hier im Bild mit Cedric Wermuth) aber auf Granit. (Bild: Stefan Bohrer)

Kurz vor der Abstimmung über die Senkung der Gewinnsteuer wird die SP-interne Opposition lauter. Parteifreunde streiten sich öffentlich. Werden die Sozialdemokraten übermütig?

Wie es in diesen Tagen um den Zustand der Basler SP bestellt ist, das zeigte sich erst so richtig im Nachglühen der überaus harmonischen Delegiertenversammlung von vergangener Woche. Kurz nachdem die TagesWoche einen Agenturtext zur unbestrittenen Nomination der drei bisherigen Regierungsmitglieder online gestellt hatte, entwickelte sich im Kommentarbereich eine heftige Diskussion.

Andres Egger, ein ehemaliges SP-Mitglied, warf den ersten Stein (einen ziemlich grossen): «Die SP ist zu einer selbstgerechten und verfetteten Funktionärspartei geworden, die nicht mehr weiss, wie sie sich zwischen arrogantem Elfenbeinturm und nostalgischem Klassenkampf positionieren soll.»

Eggers Furor entzündet sich am ­Re­ferendum der SP-Spitze gegen die Senkung der Unternehmensgewinnsteuer von 20 auf 18 Prozent, über die am 17. Juni abgestimmt wird und die ein Projekt von Finanzdirektorin Eva Herzog ist. Und genau das kann Egger nicht verstehen. «Herzog wird einerseits per Akklamation zur Wiederwahl empfohlen, andererseits wird ihr per Referendum in den Rücken geschossen.»

Heftige Debatte im Internet

Eggers Rückenschuss-Vorwurf ­blieb nicht unwidersprochen. Beinahe unverzüglich verteidigten internetaffine junge SP-Führungsleute wie Juso-Chefin Sarah Wyss, SP-Vizepräsident Pascal Pfister oder der omnipräsente Tim Cuénod das Referendum. Wenn die SP alles aus der Regierung abwinke, schrieb etwa Pfister, heisse es, die Partei habe kein Profil. «Macht sie es nicht, heisst es, sie schielt nach Wählerstimmen oder sie fällt ihr in den Rücken.» Und Cuénod fragte rhetorisch: «Wieso sollte die SP in einer Sachfrage nicht einmal eine andere Meinung vertreten dürfen als ihre Regierungsrätin?»

Das waren andere Töne als jene, die man noch wenige Stunden zuvor im Volkshaus gehört hatte. Dort, im Kreise jener knapp fünfzig Unentwegten, die auch bei einem eher lauen Thema wie der Nomination der eigenen Regierungsräte dem Ruf der Partei folgen, hatte niemand eine andere Meinung als die Regierung. Super hätten es alle drei gemacht, viel besser als die bürgerlichen Vorgänger in den Jahrzehnten zuvor, gerade in Finanzfragen.

Es sei «Evas Finanzpolitik» zu verdanken, sagte Hans-Peter Wessels bei der Vorstellung seiner Regierungskollegin, «dass wir heute Spielraum für Investitionen haben». Nüchtern und ausdauernd, seriös und massvoll sei die Arbeit der Finanzdirektorin gewesen. «Sie hat es durch beinharte Arbeit geschafft, massiv Steuern zu senken für die Menschen und die Unternehmen.» Warmer Applaus der Delegierten.

Kritiker melden sich

Es sind die gleichen Delegierten, die am 17. Juni von der Parteispitze dazu aufgerufen sind, mit einem Nein zur dritten Senkung der Unternehmens­gewinnsteuer innerhalb von sechs Jahren Nein zur «seriösen und aus­dauernden Arbeit» von Eva Herzog zu sagen. Und das nur ein paar Monate, bevor der Grosse Rat neu gewählt wird und die SP mit der erfolgreichen Regierungsarbeit ihrer Mitgenossen Wahlkampf betreiben will.

Diese leicht widersprüchliche Ausgangslage für den Wahlherbst 2012 hat der SP Hohn und Spott eingetragen – vor allem von bürgerlicher Seite. Knapp drei Wochen vor der Abstimmung werden nun allerdings auch innerhalb der SP Stimmen laut, die wenig bis nichts mit dem Referendum gegen die Finanzpolitik von Eva Herzog anfangen können. Dabei erheben nicht nur ehemalige SP-Mitglieder wie Andres Egger das Wort gegen das Referendum, auch Parteischwergewichte wie Grossrat Tobit Schäfer kritisieren das Referendum scharf.

Schäfer hat vor allem Mühe mit dem Zeitpunkt der Abstimmung. Es sei ­taktisch nicht sehr sinnvoll, so kurz vor den Wahlen das Referendum gegen die eigene Regierungsrätin zu ergreifen. «Wir hätten bei den Wahlen zeigen können, dass Rot-Grün eine vernünf­tige Finanzpolitik machen kann. Mit einem Verzicht auf das Referendum hätten wir Herzog den Rücken gestärkt.»

Nur wenige outen sich

Die Argumentation der Referendums-befürworter, dass die Opposi­tion gegen die Steuersenkung nicht ­gegen Herzog gerichtet, sondern von grundsätzlicher Natur sei, hält Schäfer für scheinheilig. Denn wie bei der Vorlage zur Sanierung der Pensionskasse vor ein paar Jahren trage nun auch die Vorlage zur Senkung der Gewinnsteuer die Handschrift von Eva Herzog. «Die Unterstützung der Senkung wäre eine weitere Möglichkeit gewesen, auf die gute Arbeit von Herzog hinzuweisen.»

Schäfer ist nicht der einzige SPler, der am 17. Juni ein Ja einlegen und damit gegen die Partei stimmen wird. Er ist einfach einer der wenigen, der es ­öffentlich sagt. «In der Partei gibt es eine starke Minderheit, die für die Senkung der Gewinnsteuer ist. Nur outen sich halt die Wenigsten.»

«Seltene Dummheit»

Schon länger geoutet hat sich der ehemalige Parteipräsident Roland Stark. Er hat gar mit dem Gedanken gespielt, ein Gegenkomitee aufzustellen. «Dieses Referendum ist von einer seltenen Dummheit. Es ist eine böse Attacke auf die Finanzpolitik von Eva Herzog.» Besonders «gemein» findet Stark das Wahlplakat mit dem expliziten Hinweis auf die desolate Finanzsituation im Baselbiet. Da werde insinuiert, dass es mit der Stadt bald auch so weit sei, sagt Stark.

Statt den eigenen Wahlkampf mit der erfolgreichen Finanzpolitik der eigenen Finanzministerin zu bestreiten («Sieben schwarze Jahre! Glorreiche Zeiten!») verwende man nun viel Zeit und Geld, um auf die eigene Regierungsrätin zu schiessen. Dagegen anzukämpfen sei parteiintern schwierig, sagt Stark. «Die Gegner wollen nicht noch Öl ins Feuer giessen und sitzen darum aufs Maul.»

Auf der Gegenseite kann man die parteiinterne Aufregung nicht ganz nachvollziehen. Nationalrat Beat Jans, der für das umstrittene Abstimmungsplakat verantwortlich und eine treibenden Kräfte hinter dem Referendum ist, kehrt die Argumentation um. Er sagt: Das Referendum schwäche Herzog nicht, sondern stärke sie sogar. «Mit einem Nein zur Senkung der Gewinnsteuer machen wir es Eva noch einfacher, ihre hervorragende Finanzpolitik auch in Zukunft zu betreiben.»

Jans spürt auch, und auch das steht im Gegensatz zu den Empfindungen seiner Gegner innerhalb der SP, dass sich die Leute je länger, je besser mit dem Gedanken anfreunden können, die Finanzpolitik von Herzog als Ganzes zu schätzen, aber im spezifischen Einzelfall nun Nein zu sagen. «Die Leute hatten am Anfang Angst vor einem Referendum. Jetzt sehen sie es als Chance – auch für Herzog.»

Eva Herzog selber hat das Referendum übrigens nie als Misstrauensvotum gegen ihre Person oder ihre Politik empfunden, wie sie sagt. Auch denkt sie nicht, dass die Abstimmung einen grossen Einfluss auf die Wahlen im Herbst haben wird. «Nach dem Sommer wird es kein Thema mehr sein.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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