Nationalrat nimmt Rentenreform denkbar knapp an: Das Wichtigste in Kürze

Alain Berset hat sein Projekt Altersvorsorge 2020 in National- und Ständerat durchgebracht. Was Sie zur Mega-Reform wissen müssen.

Künftige Rentner sollen 70 Franken mehr erhalten, das hat das Parlament entschieden.

(Bild: Robert Benson/Aurora/Laif)

Alain Berset hat sein Projekt Altersvorsorge 2020 in National- und Ständerat durchgebracht. Was Sie zur Mega-Reform wissen müssen.

Mit 101 Ja-Stimmen – keiner Stimme zu viel – hat der Nationalrat am Donnerstagmittag die Reform zur Altersvorsorge 2020 angenommen. Zuvor hat der Ständerat dem Kompromiss zwischen beiden Kammern bereits zugestimmt.

Das Wichtigste der Reform in Kürze:

Was will die Reform?

Das Rentensystem muss in erster Linie erneuert werden, weil die Leute älter werden und die Renten deshalb nicht mehr gesichert sind. Die letzten zwei Versuche, die AHV zu reformieren, sind 2004 und 2010 gescheitert. Der Anpassungsbedarf ist deshalb gross.

Bei der jetzigen Reform geht es um die erste und zweite Säule, also AHV und Pensionskassen. Insbesondere die Pensionskassen leiden darunter, dass die Kapitalmärkte wenig Rendite abwerfen. Seit zehn Jahren geht die Kapitalrendite der Pensionskassen konstant zurück.

Die Reform muss also sicherstellen, dass Rentnerinnen und Rentner trotz weniger Geld in den Vorsorgewerken, immer noch ihre Renten erhalten.

Was bedeutet der Entscheid nun für die Rentner?

Wer neu in Rente geht, kriegt 70 Franken mehr AHV pro Monat, dafür weniger Geld aus der Pensionskasse – wie viel, das hängt von der Entwicklung der Altersguthaben ab. Der Umwandlungssatz, mit dem die Renten aus der Pensionskasse berechnet werden, sinkt stufenweise von 6,8 auf 6 Prozent. Damit sinken auch die Renten aus den Pensionskassen.

Neu soll das Eintrittsalter flexibel zwischen 62 und 70 Jahren wählbar sein. 65 gilt für Frauen und Männer als Referenzalter. Wer früher in Rente gehen will, kann zum Beispiel nur einen Teil der Pension ab 62 beziehen und ab 70 die volle Rente. Wer über das Referenzalter hinaus arbeitet erhält mehr Rente. Der heute geltende Freibetrag für Einkommen im Rentenalter wird aufgehoben.

Was bedeutet die Reform für die gesamte Bevölkerung?

Das Rentensystem ist mit der Reform bis 2030 gesichert. Arbeitnehmerinnen und -nehmer zahlen neu 0,15 Prozent mehr von ihrem Lohn in die AHV. Damit wird der AHV-Zuschlag von 70 Franken im Monat finanziert. Weitere 0,15 Prozent mehr zahlen die Arbeitgeber.

Ausserdem soll die Mehrwertssteuer 0,3 Prozentpunkte steigen. Damit wird sie de facto nicht erhöht, sondern bleibt bei 8,7 Prozent, weil auf Ende 2017 die Sanierung der IV via Mehrwertssteuer wegfällt. Deshalb ist es dennoch eine Mehrwertssteuer-Erhöhung.

Über die Erhöhung der Mehrwertssteuer muss die Bevölkerung noch abstimmen – vermutlich Ende September. Wenn diese Änderung abgelehnt wird, scheitert auch die AHV-Reform.

Wer hat gewonnen?

Alain Berset hat Grund zur Freude. Der SP-Bundesrat hat volle fünf Jahre mit der Reform verbracht. Woran seine Vorgänger Pascal Couchepin und Didier Burkhalter scheiterten, hat Berset in einem Megaprojekt vollendet.

Mit ihm jubeln auch die Linken. SP und Gewerkschaften forderten stets eine Erhöhung der AHV-Beiträge. Mit dem 70-Franken-Zuschlag haben sie dieses Ziel erreicht. Allerdings müssen sie hinnehmen, dass das Renten-Eintrittsalter für Frauen von 64 auf 65 Jahre steigt und der Umwandlungssatz sinkt.

Die Reform ist ein Minimal-Kompromiss. Zuerst zwischen National- und Ständerat, aber auch zwischen Linken und Bürgerlichen. Inwiefern die Bürgerlichen die Reform weiterhin bekämpfen werden, ist noch offen. Der Arbeitgeber- und Gewerbeverband haben eine Erhöhung der AHV-Beiträge stets bekämpft. Sie werden die Reform bei der Verfassungsabstimmung im September wohl vehement bekämpfen.

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