Teure Reden hat Peer Steinbrück schon einige gehalten. Nun sagte der designierte Kanzlerkandidat der SPD einen Auftritt bei einer deutschen Niederlassung der Bank Sarasin aber ab. Der Grund sind Untersuchungen im Haus der Basler Privatbank. Steinbrück wollte weiteren Imageschaden verhindern – mit wenig Erfolg.
Das Angebot klang verlockend. Die Bank Sarasin erwartete von ihm nur ein paar Weisheiten zum Thema «Sicherheit und Stabilität für Europas Finanzmärkte», dazu ein paar träfe Sprüche. Das kann er ja, der Peer Steinbrück. Dafür hätte der designierte Kanzlerkandidat der SPD dem Vernehmen nach 15 000 Euro erhalten – und zweifelsohne auch noch was Anständiges zu Essen und Trinken.
Nun hat sich das Angebot allerdings als doch nicht so gut erwiesen. Die gemeinsamen Pläne von Sarasin und Steinbrück wurden durchkreuzt – einerseits von den deutschen Ermittlungsbehörden und andererseits von den Medien. Die «Süddeutsche Zeitung» machte vor wenigen Tagen publik, dass es in deutschen Niederlassungen der Basler Privatbank eine Durchsuchung gegeben hatte. Aktiv geworden sei die Staatsanwaltschaft wegen eines mutmasslichen Steuerbetrugs bei Aktiengeschäften. Dabei sollen rund 125 Millionen Euro hinterzogen worden sein.
Für Steinbrück kamen die Berichte trotz der Unschuldsbeteuerungen der Bank zu einem sehr dummen Zeitpunkt. Am Sonntag will die SPD ihn am Sonderparteitag in Hannover offiziell zum Kanzlerkandidaten küren – auch wenn der Spitzenpolitiker wegen seiner üppigen Nebeneinkünften (über eine Million Euro für 80 Vorträge und einige Gastbeiträge) seit Wochen in der Dauerkritik steht.
Steinbrück – der grosse Wirtschaftsbändiger?
Die SPD will Steinbrück vor den Wahlen im September dennoch als den grossen Wirtschafts- und Bankenbändiger verkaufen – was nach dem Vortrag bei der ins Zwielicht geratenen Bank Sarasin noch schwieriger geworden wäre, als es ohnehin schon ist. Oder vielleicht sogar unmöglich. Darum sagte Steinbrück die geplante Dinnerspeech am heutigen Donnerstag bei Sarasin in Frankfurt ab.
Selbstverständlich höhnt die Konkurrenz nun trotzdem. Offenbar habe er schon lange erkannt, dass er «keinen Stich gegen Angela Merkel und die CDU» machen werde, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder laut der «Frankfurter Allgemeinen» beim CDU-Parteitag. Darum hätte der SPD-Mann versucht, seinen «Marktwert für weitere Vorträge nach der Bundestagswahl zu erhöhen». Eine andere Erklärung gebe es nicht für ein solch «instinktloses» Verhalten.
Naturgemäss sieht man bei der SPD alles ganz anders. Steinbrück sei der richtige Kandidat, heisst es dort weiterhin. «Er ist derjenige, der in Deutschland und Europa am stärksten dafür steht, die Finanzmärkte zu bändigen», sagte Parteichef Sigmar Gabriel der «Passauer Neuen Presse» (online nicht verfügbar, auszugsweise nachzulesen unter anderem aber im «Spiegel»).
Auf die Frage, inwiefern die fetten Honorare zu diesem sozialen Anspruch passen, kam Gabriel unter anderem auf Ferdinand Lassalle zu sprechen, einem Gründer der sozialdemokratischen Bewegung. Dieser habe selbst «in sehr guten Verhältnissen gelebt und sich trotzdem für rachitische Arbeiterkinder in Kohlebergwerken eingesetzt». Bis heute sei es eine der wichtigsten Aufgaben der Sozialdemokratie, ein Bündnis zwischen allen herzustellen – zwischen jenen, denen es gut gehe und jenen, denen es weniger gut gehe.
«Komplett unsensibel»
So einfach lässt sich die kritische Öffentlichkeit aber offenbar nicht mehr von Steinbrück überzeugen. Es werde zwar kaum jemand glauben, dass Steinbrück den Bankiers nach dem Mund geredet hätte, er, der einst die Kavallerie gegen die Schweiz in Stellung bringen wollte, schreibt die «Süddeutsche» in einem Kommentar. Gleichzeitig stellt Autor Jan Heidtmann Steinbrücks politisches Gespür ernsthaft in Frage:«Wie unsensibel» müsse der Politiker sein, um einen solchen Auftritt nicht längst abgesagt zu haben? «Kanzlerkandidat, SPD, Schweiz, Privatbank, Rede, Honorar – selbst wenn Steinbrück sein Entgelt spenden wollte, selbst wenn der Vortrag lange vereinbart war – die Antwort muss lauten: komplett unsensibel.»