«Praise Camp 16» in Basel: Fluch oder Segen?

Zwischen Weihnachten und Neujahr findet zum siebten Mal ein mehrtägiges Schweizer «Praise Camp» für Jugendliche und junge Erwachsene statt. An dem Massen-Event treten charismatisch-evangelikale Prediger auf. Das stösst auch auf Kritik.

«Praise Camp» 2014 in Basel: Über 6400 Teenager und Jugendliche lobpreisten Gott während mehreren Tagen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Zwischen Weihnachten und Neujahr findet zum siebten Mal ein mehrtägiges Schweizer «Praise Camp» für Jugendliche und junge Erwachsene statt. An dem Massen-Event treten charismatisch-evangelikale Prediger auf – das stösst auch auf Kritik.

Fast zwei Jahre sind vergangen seit der sechsten Ausgabe des Schweizer «Praise Camp», das 6400 Jugendliche und junge Erwachsene nach Basel lockte und die Messe Basel für einige Tage in einen leuchtenden und lauten Massen-Gottesdienst verwandelte. Am 27. Dezember 2016 ist es wieder so weit: Bis am 1. Januar 2017 findet die siebte Ausgabe des «Praise Camp» statt, wiederum in Basel. Diesmal heisst das Thema «The Book – Wort vom Läbe».

Es geht, man ahnt es, um die Bibel. In den Worten der Veranstalter: «Dank der Bibel kennen wir Gott und seine Pläne für uns und diese Welt. Gottes Wort leuchtet uns den Weg durch den Dschungel des Lebens und ist unser Glaubens-Kompass. Wir lernen immer mehr, den Liebesbrief Gottes zu verstehen und daraus Identität und Sicherheit zu gewinnen.»

In erster Linie ist das Camp ein Zusammenkommen für Teenager und junge Erwachsene, die in einer grossen Halle verschiedenen Predigten und Bands zuhören.

Die TagesWoche hat das «Praise Camp» 2014 in Basel besucht und umfangreich darüber berichtet:

Die Reportage:
Mein Freund Jesus

Der Bericht:
Kinder im Fokus der Freikirchen

Das Interview:
«Gott ist kein Kaugummi-Automat»

Für die Ausgabe 2016 haben sich nach Angaben der Organisatoren wiederum fast 6500 Jugendliche und junge Erwachsene angemeldet. «In etwa so viele haben wir erwartet», sagt Mediensprecherin Laura Jacober. Zwar sei der offizielle Anmeldeschluss bereits vorbei, doch Anmeldungen würden bis zum 18. Dezember gegen einen Aufpreis weiterhin angenommen.



Ein Selfie für den Glauben.

Ein Selfie für den Glauben. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Veranstalter des «Lobpreisung-Lagers» sind keine Unbekannten: Es handelt sich um den Bibellesebund, Campus für Christus, die Jugendallianz und YWAM (Youth With a Mission, King’s Kids Schweiz). Damit ist auch die Hauptausrichtung der Veranstaltung klar vorgegeben.

Campus für Christus ist der Schweizer Ableger der Organisation Cru (ehemals «Campus Crusade for Christ»), mit über 25’000 Missionaren weltweit und strengen evangelikalen Glaubensvorschriften. Dazu gehört etwa, dass Sex ausserhalb der Ehe «zwischen einem Mann und einer Frau» unvereinbar mit einem «normalen» christlichen Leben sei.

King’s Kids Schweiz ist ebenfalls ein Ableger eines evangelikalen internationalen Netzwerks – die Schweizer Sektion bietet derzeit ein Seminar an, laut Website ein «Muss für jeden, der wissen möchte, was in der heutigen Zeit geistlich abgeht und wie die okkulten und religiösen Entwicklungen weltweit sind».

Dabei geht es um «die unsichtbare Welt», die «immer realer und natürlicher» werde, konkret: «unsichtbare Wesen, Engel und Dämonen». Diese seien immer öfter zu sehen, was wohl davon komme, dass sich die Menschen zunehmend auf «Mystik, Magie und fernöstliche Einflüsse» einlassen, und schliesslich gebe es auch «eine immer stärker werdende Präsenz dieser Elemente in Medien, Filmen und Games».

Evangelikale Prediger

Auf der Bühne sind Prediger der nationalen und internationalen charismatisch-evangelikalen Szene angekündigt. Zuoberst auf der Liste der Stars: Die US-Amerikanerin Andi Andrew, die nach ihrer Ausbildung und ihrem Dienst für die Pfingstler des Hillsong College in Australien ihre eigene evangelikale Tochterkirche Liberty Church in New York gründete. Sie komme «in der Erwartung, dass wir gemeinsam Gott begegnen», lassen die «Praise Camp»-Organisatoren ausrichten.

Ebenfalls mit auf der Liste: Der Schweizer Prediger Sacha Ernst, dem Gott, wie er sagt, die Türen zu Staatsoberhäuptern auftue, und Jesus höchstpersönlich «auf die Schultern tippt» und zu ihm spreche. Oder Matthias «Kuno» Kuhn, Dauergast an «Praise Camps» und ähnlichen Veranstaltungen. An Silvester 2012 hat Kuhn am «Praise Camp 12» vor Tausenden Jugendlichen verkündet: «Ich habe noch nie so viel Cooles erlebt wie in diesem Jahr … ich habe noch nie so starke Heilungen gesehen, wo Menschen geheilt worden sind, während man gepredigt hat! Ich habe noch nie so viele Bekehrungen gesehen! Es fägt!»

Fluch?

Der Fachstelle für Sektenfragen InfoSekta ist das «Praise Camp» bekannt. «Die Veranstaltung offenbart typische Merkmale der evangelikalen Freikirchen, die hinter dem Anlass stehen und ein schematisches Schwarz-Weiss-Denken vertreten sowie auf Missionierung abzielen», sagt die Geschäftsleiterin Susanne Schaaf.

Problematisch sei vor allem der Umstand, dass hier Teenager angesprochen werden, die für actionreiche und intensive Erlebnisse empfänglich seien. «Hier wird ein rückwärtsgewandtes und enges Normensystem in ein attraktives Lifestyle-Gewand verpackt, das auf Kinder und Jugendliche eine hohe Anziehungskraft ausübt.»

Den Vergleich mit Sekten möchte Schaaf nicht explizit ziehen. Aber es stünden Organisationen hinter dem Anlass, darunter auch die ICF (International Christian Fellowship), die durchaus sektenhafte Züge aufwiesen wie soziale Beeinflussung, Milieukontrolle und Absolutheitsglaube. «Es besteht das Risiko, dass die Hingabefähigkeit und Begeisterung von Jugendlichen und Kindern in eine Selbstaufgabe und Hörigkeit mündet.»

Segen?

Die Veranstalter weisen diese Vorwürfe von sich: Die vier Organisationen seien «breit abgestützt und haben einen guten Kontakt zu landeskirchlichen Organisationen», so Mediensprecherin Laura Jacober. Auch bei den Referenten habe man «bewusst auf eine grosse Bandbreite» geachtet. Allerdings sei «ein grosser Teil der Auftretenden dem freikirchlichen Umfeld zuzurechnen», räumt Jacober ein.

Sie betont, mit Johannes Hartl finde sich «aber auch ein Katholik unter den Namen». Doch auch Hartl, verheiratet und Vater von vier Kindern, scheint als Vorbeter in einem ökumenisch-charismatischen Gebetshaus mehr zum «Praise Camp»-Personal zu passen als zur katholischen Kirche.



Grosse Show im Namen des Herrn.

Grosse Show im Namen des Herrn. (Bild: Hans-Jörg Walter)

«Wir sind uns bewusst, dass Teenager und Jugendliche sich in einer sehr sensiblen Entwicklungsphase befinden», so Jacober weiter. Dem würden die Organisatoren Rechnung tragen, «indem alle Programmteile völlig freiwillig sind». Es gebe auch bewusst weniger «Plenarveranstaltungen» als beim ersten «Praise Camp» im Jahr 2002 – und die Jugendlichen können ihr Programm vermehrt «nach ihren Bedürfnissen zusammenstellen».

Nur eine Anfrage

Bei InfoSekta sei bislang erst eine Anfrage zum «Praise Camp 16» eingegangen, wie Sekten-Fachfrau Susanne Schaaf sagt – «erstaunlich, bei einem Anlass dieser Grössenordnung». Bei der Anfrage handelte es sich um die Mutter eines 18-Jährigen.

«Verbieten kann man einem jungen Erwachsenen oder älteren Jugendlichen die Teilnahme natürlich nicht, ein Verbot könnte auch zu einer Gegenreaktion oder zu Heimlichkeiten führen», sagt Schaaf. «Eltern sollten vielmehr das Gespräch suchen, versuchen, das Kind mit ins Boot zu holen und an einen mündigen Umgang mit den Erlebnissen im ‹Praise Camp› appellieren.» 

Das funktioniert aber natürlich nur bei Eltern, die nicht selber Mitglied in einer freikirchlichen Organisation sind.

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