Rot-Grün kontert bürgerliche Vorwürfe – und verliert sich dabei in Aufzählungen

Mit einer Medienkonferenz stieg Rot-Grün erstmals so richtig in den Wahlkampf. Eigentlich wollten die fünf Kandidierenden auf den Sorgenbarometer antworten. Bei ihrem Ziel, Inhalte zu liefern, schossen sie jedoch über das Ziel hinaus.

Zwar präsentierten die fünf Kandidierenden eine Fülle an interessanten Infos. Dabei gingen aber die konkreten Antworten zum Sorgenbarometer etwas unter.

(Bild: Nils Fisch)

Mit einer Medienkonferenz stieg Rot-Grün erstmals so richtig in den Wahlkampf. Eigentlich wollten die fünf Kandidierenden auf den Sorgenbarometer antworten. Bei ihrem Ziel, Inhalte zu liefern, schossen sie jedoch über das Ziel hinaus.

Der Titel der Medienkonferenz in der Markthalle klang vielversprechend: «Lösungsansätze von Rot-Grün für die Sorgen der Basler Bevölkerung». Wie Elisabeth Ackermann (Grüne), Kandidatin für das Regierungspräsidium, festhielt, waren zwei Gründe ausschlaggebend für den Anlass. Zum einen wolle man dem Sorgenbarometer, der aus den Umfragen der TagesWoche und der «bz Basel» hervorging, Rechnung tragen. Zum anderen sei es eine Reaktion auf die Vorwürfe aus den Medien, dass dem Fünferticket die Themen fehlten.

Somit organisierte Ackermann zusammen mit der Regierungsratskandidatin Heidi Mück (BastA!) sowie den Bisherigen Hans-Peter Wessels, Christoph Brutschin und Eva Herzog (SP) den Auftakt zum Wahlkampf. Zwar gab es vor den Sommerferien schon eine Veranstaltung des Fünfertickets, doch abgesehen vom Disput zwischen Grossratskandidat Kaspar Sutter (SP) und Gewerbeverbandsdirektor Gabriel Barell ging Rot-Grün bisher zaghaft in die Offensive.

Regulierungswut-Vorwurf: Zurück an den Absender

Dies änderte sich bei der Medienkonferenz am Donnerstag zumindest teilweise: Mehrere Konterattacken auf die Vorwürfe von bürgerlicher Seite waren zu hören. Wie Elisabeth Ackermann festhielt, werde der rot-grünen Regierungsmehrheit immer wieder Regulierungswut unterstellt. «Das ist reiner Wahlkampf», sagte sie. Schliesslich seien die Gesetze im Kanton von der Legislative beschlossen worden, wo Rot-Grün keine Mehrheit habe, andere Regeln wiederum vom Volk. Zugleich warf Ackermann manchen Parteien und Verbänden Widersprüche vor, wenn es den eigenen Interessen diene. «Der Wirteverband, der sonst immer nach Abschaffung von Regeln schreit, wehrt sich jetzt plötzlich dagegen, dass das Wirtepatent abgeschafft wird», kritisierte sie.

Auch Regierungsrat Christoph Brutschin widersprach dem Vorwurf – schliesslich hätten die kritisierten Regulierungen grösstenteils ihren Ursprung im bürgerlich dominierten Bundesbern: «Wir sind die Boten, welche die schlechte Nachricht bringen.» Er präsentierte als Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) einen langen Bilanzkatalog zu abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten. So habe man die Leistungen bei der sozialen Sicherheit ausgebaut, doch nicht mit der Giesskanne. Als Beispiele nannte er die Alimentenbevorschussung und die Familienzinsbeiträge. Der Mittelstand werde zudem nicht etwa geschröpft, wie das immer wieder behauptet werde. «Arbeiten lohnt sich immer», betonte Brutschin und bezog sich dabei auf eine aktuelle Studie des WSU. Von einer sozialen Hängematte zu sprechen, treffe nicht zu.

Eva Herzog: «Es wird auf alles geschossen, was sich bewegt»

Politische Seitenhiebe teilte vor allem Finanzdirektorin Eva Herzog aus. Sie blickte zurück auf die Steuerpakete 2008 und 2010 die – entgegen der Behauptungen von bürgerlicher Seite – den Mittelstand entlastet hätten. Solche Pakete trügen eine «rot-grüne Handschrift». Was nun im Wahlkampf von bürgerlicher Seite als «Aufbruch» gefeiert werde, sei kein Basler Stil: «Aus Mangel an Inhalten wird auf alles geschossen, was sich bewegt.» Dabei sparte sie nicht mit Kritik an der LDP: «Die Partei verspricht in einem Inserat explizit, den Eigenmietwert nicht zu erhöhen – was heisst, Bundesrecht nicht zu vollziehen.» Rhetorisch fragte sie, ob das wohl unter Deregulierung laufe.

Im Hinblick auf die finanziellen Sorgen beim Barometer versprach Herzog eine Unternehmenssteuerreform mit flankierenden Massnahmen, was nur mit einer rot-grünen Mehrheit durchsetzbar sei. Der Schwerpunkt bei den Steuersenkungen solle auf unteren und mittleren Einkommen liegen. Eine Entlastung für eine Mehrheit der Familien könne bei den Kinder- und Ausbildungszulagen geschaffen werden. Die Krankenkassenprämien als Spitzenreiter beim besagten Sorgenbarometer sprach Eva Herzog ebenfalls kurz an: Sie versprach Prämienverbilligungen um zehn Millionen Franken.

Viel Information statt Konzentration aufs Wesentliche

Regierungsratskandidatin Heidi Mück ging in Sachen Sorgenbarometer vor allem auf Wohnungsnot, Bildung und soziale Sicherheit ein. Der Fokus soll ihrer Ansicht nach auf Wohnungen im unteren Preissegment liegen. Neue Areale sollen bevorzugt an Genossenschaften im Baurecht abgegeben werden, zudem plädierte sie für Mietzinsunterstützungen, vor allem für alleinstehende Sozialhilfeempfänger.

Auch Regierungsrat Hans-Peter Wessels sprach sich dafür aus, die Schaffung von Wohnraum zu forcieren – Chancen sehe er etwa in den Schoren, wo unterschiedlichen Bedürfnissen nachgekommen werden könne. Zudem müssten Hauptverkehrsachsen gestärkt und Quartiere entlastet werden. Besonders hob er die Fortschritte beim geplanten Rheintunnel hervor. Beim ÖV unterstrich er die Bedeutung der S-Bahn mit dem Herzstück als Schlüsselprojekt.

Quer durch die Themengebiete aller zur Verfügung stehenden Departemente hindurch wurde noch eine Menge an vollendeten oder geplanten Geschäften vorgetragen. Dementsprechend glich auch die Medienmitteilung einem ganzen Dossier. Das Ziel, Themen zu liefern, lösten die fünf Kandidierenden somit gewiss ein. Wie Hans-Peter Wessels festhielt, sei Politik schliesslich kein Spektakel mit lauter Eintagsfliegen.

Dennoch scheint angesichts der Fülle an Material das eigentliche Ziel dieses Wahlkampfschritts – die Reaktion auf konkrete Fragen und Sorgen aus den Umfragen – ein wenig aus den Augen verloren gegangen zu sein.

Nächster Artikel