Schrecklich nett

Bis vor Kurzem zog die Baselbieter SVP über alle und alles her, am liebsten über Ausländer. Nun gibt sie sich plötzlich ganz anders. Warum wohl?

Zum Hauen gern: Baselbieter Politik mit Oskar Kämpfer (SVP) und Sabrina Mohn (CVP) funktioniert ein bisschen so wie Tom und Jerry. (Bild: Nils Fisch)

Bis vor Kurzem zog die Baselbieter SVP über alle und alles her, am liebsten über Ausländer. Nun gibt sie sich plötzlich ganz anders. Warum wohl?

Der Herr Kämpfer ist ein Netter. Entsprechend gut kommt er an, auch bei Frauen. Sabrina Mohn und Christine Frey, die Präsidentinnen der Baselbieter CVP und FDP, loben den SVP-Chef bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Wie gut man mit ihm reden könne und wie lösungsorientiert er doch sei.

Und Erfolg hat der Oskar Kämpfer auch noch: Im ersten Wahlgang um die Nachfolge des abtretenden Finanzdirektors Adrian Ballmer schnitt sein Kandidat erstaunlich gut ab; Thomas Weber landete nur ganz knapp hinter Eric Nussbaumer (SP), der zumindest bis vor Kurzem noch als Favorit galt. Nun ist Kämpfer überzeugt, dass Weber im zweiten Wahlgang vom 21. April vorne sein wird, auch dank der Unterstützung von CVP und FDP.

Danach will die bürgerliche Allianz den Sitz des verstorbenen Gesundheitsdirektors Peter Zwick (CVP) sichern (mit Toni Lauber, CVP) und den Ständeratssitz von der SP zurückgewinnen (2015, wohl mit einem FDP-Kandidaten). Doch das sind erst Absichtserklärungen.

Verdächtig, verdächtig

Alle Anstrengungen gelten zuerst der Wahl Webers, der auf seinen Wahlplakaten als «Brückenbauer» gepriesen wird. Als Mann, der – ähnlich wie Kämpfer – zwischen den Fronten vermitteln und das Baselbiet so aus seiner misslichen Lage führen kann.

Klingt alles sehr schön. Fragt sich nur, wie echt die neue alte Liebe unter den Bürgerlichen ist, wie glaubhaft all das Süssholzgeraspel.

Die Freundlichkeit der SVP ist jedenfalls schon mal verdächtig. So nett war sie höchstens noch in ihren Anfangszeiten, tief im letzten Jahrhundert, als sie noch Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) hiess. Damals, als sie die Partei der kleinen Leute war, die zwar bürgerlich dachten, für die FDP aber zu wenig fein oder zu wenig konventionell waren.

Thomas Weber, ein «Brückenbauer» – neuerdings

Zur stärksten Partei im Baselbiet wurde sie erst sehr viel später, in den 1990er-Jahren unter dem neuen Namen. Und unter dem Präsidenten Karl Willimann, der seine Partei auf die Zürcher Linie von Christoph Blocher trimmte.

Nachfolger wurde Thomas Weber. Jener Weber, der heute auf Brückenbauer macht. Damals schien es ihm offenbar noch eher opportun, Sachen zu sagen wie: «Ich stehe für eine konsequente bürgerliche Politik. In den Positionen klar und im Auftreten hart.»

Ein Versprechen, das er selbst als Präsident nur bedingt einlösen konnte, weil er sich stärker auf seinen Job im Tiefbauamt konzentrieren wollte und das Parteiamt nach nur einem Jahr wieder abgab. Dafür konnte der perfekte Nachfolger gefunden werden. Einer, der schon fast mehr als klar und hart ist Dieter Spiess. In seinen acht Jahren als Parteipräsident traf sein Furor unter anderem:

• die Landesregierung in Bern («heuchlerisch und verlogen»),
• das Anti-Rassismus-Gesetz («Zustände wie in der DDR, der Bürger wird mundtot gemacht»),
• die Medien («Hetze gegen SVP»),
• Basel und speziell das Theater Basel («eine Kultur, bei der ich mich frage, ob wir noch in der Schweiz leben»),
• den Sexualkundeunterricht («Vier- bis Sechsjährige sollen so (…) buchstäblich vergewaltigt werden»).

Und dann gab es auch noch Spiess’ ­absolutes Lieblingsthema: die vielen «Wirtschaftsflüchtlinge» oder «die to­tale Überfremdung», wie er es im Parteiblatt auch nannte.

Die Aborigines Europas

Für die Schweizer hat es seiner ­Ansicht nach bald keinen Platz mehr. Ihnen würde es wie den Aborigines in Australien gehen, wie er an einer Parteiversammlung in Birsfelden sagte: Sie würden bestenfalls in einem Reservat überleben, wo man sie «dann besichtigen kann». Grosses Gelächter im Saal.

Unter anderem mit der Hilfe von Weber, der 2007 in die Parteileitung zurückkehrte und den Wahlkampf für den Nationalrat leitete, zog Spiess seine harte Linie konsequent durch. In Bern liess sich seine Partei von ihrem prominentesten Mann, dem Hard­liner Caspar Baader, vertreten. Im Kantonsparlament stimmte sie konsequent rechts. Und auch im Parteiblatt waren keine abweichenden Meinungen zu lesen.

Aber dafür sehr besondere – wie jene der Parteisekretärin Ruth Singer. Viele Ausländer kämen aus «übelsten Zuständen», schrieb sie: «Kaum genug Nahrung, Schmutz, Krankheiten, mieseste Ungeziefer, Waffengewalt mit tagtäglichen Angriffen auf Leib und Leben.»

Zu denken gab ihr das ­allerdings erst nach einem Parteiausflug ins Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof, wo die ausländischen Gefangenen TV schauen können und regelmässig etwas zu essen bekommen. «Die müssen sich doch wie in einem Fünfsternehotel vorkommen!», meinte Singer und fragte sich: «Wo bleibt da die Strafe?»

Keine Frage war für die SVP unter Spiess dagegen, wer das ganze Schlamassel angerichtet hat: alle anderen. Die Linke mit ihren «soziali­stischen Machenschaften». Die Mitteparteien mit ihren «Weltanschauungen von links bis ganz links». Die FDP mit ihrem «Zickzackkurs».

Nie mehr SVP! Nie mehr!

Wir allein gegen alle anderen Parteien – und das Volk wird uns helfen, das war Spiess’ Vorstellung von Politik. Das viel beschworene Volk hatte allerdings eine andere: Es lehnte die Ständeratskandidatur von Caspar Baader ähnlich deutlich ab wie zuvor schon jene von Erich Straumann. Und schliesslich wählte es – im Frühjahr 2011 – sogar noch den SVP-Regierungsrat Jörg Krähenbühl ab. In der abgewatschten Partei war danach von «Verrat» die Rede. Schuld seien die anderen bürgerlichen Parteien, die ihren Mann viel zu wenig unterstützt hätten.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die CVP genug von der SVP. Eine Fortsetzung der bürgerlichen Zusammenarbeit sei nun kein Thema mehr, sagte Parteipräsidentin Sabrina Mohn damals. Die neue Mitte müsse sich von den «destruktiven Kräften» abwenden und auch mit SP und Grünen zusammenarbeiten.

Zwei Jahre danach ist alles wieder anders. Entgegen ihren früheren Ankündigungen wirft sich Mohn nun plötzlich wieder dem SVP-Präsidenten an den Hals. Genau gleich die FDP-Präsidentin Christine Frey. Und warum? Weil es im Baselbiet wieder einmal ein paar Posten zu verteilen gibt und die alten Banden dabei nicht schaden können.

Und was wenn Nussbaumer doch gewählt wird?

Ein erster, wichtiger Erfolg ist dieser plötzliche Gesinnungswandel für den neuen SVP-Präsidenten Oskar Kämpfer, der erkannt hat, dass die SVP allein nichts ausrichten kann bei Majorzwahlen – und nun die anderen Bürgerlichen mit schönen Worten ­bezirzt. Das Beste an der neuen Strategie ist, dass sich seine Partei inhaltlich kein bisschen bewegen muss. Sie kann im Parlament weiterhin genau gleich stimmen wie in den vergangenen Jahren, und der nette Kämpfer kann behaupten, dass die SVP mit all ihren Warnungen noch immer recht behalten habe.

Hauptsache, die Rhetorik stimmt. Über die Partei. Und über Weber, den angeblichen «Brückenbauer». Ob sich auch das Volk so einfach beeindrucken lässt? Und wenn am 21. April doch Eric Nussbaumer gewählt wird? Dann wird wohl bald wieder von «Verrat» die Rede sein und die neue alte Liebe nur noch eine alte sein.

Das Abstimmungsverhalten des angeblichen «Brückenbauers» Thomas Weber im Landrat hat die TagesWoche bereits in einem früheren Artikel analysiert. Der Schluss war dabei eindeutig: Weber ist ein «strammer Parteisoldat», der häufig auch gegen CVP und FDP stimmt.
Ableiten lässt sich daraus weder eine grosse Offenheit, noch eine grosse Kompromissfähigkeit, auch wenn das die SVP in ihrer Wahlwerbung nun anders darzustellen versucht.
Die Zitate aus dem vorliegenden Artikel stammen aus den regionalen Printmedien und dem Parteiblatt der Baselbieter SVP.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.03.13

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