USA und Russland müssen gemeinsamen Takt finden

Syrien braucht dringend einen Waffenstillstand, damit Friedensverhandlungen geführt werden können. Damit das möglich wird, müssen sich Russland und die USA verständigen.

Sie wissen ja schon, wie es geht: US-Aussenminister John Kerry (rechts) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow 2014 in Rom.

(Bild: AP Photo/Evan Vucci)

Syrien braucht dringend einen Waffenstillstand, damit Friedensverhandlungen geführt werden können. Damit das möglich wird, müssen sich Russland und die USA verständigen.

Von der Münchner Sicherheitskonferenz gingen zwei widersprüchliche Signale aus: Erstens, dass sich Russland wieder im «Kalten Krieg» mit dem Westen befinde. Und zweitens, dass sich Russland und die USA auf eine Waffenruhe in Syrien verständigt hätten. Ausgenommen von der Waffenruhe sind Aktionen gegen die Al-Nusra-Front und gegen den Islamischen Staat (IS).

Für die Waffenruhe ist es höchste Zeit. Die Zahl der Todesopfer im syrischen Bürgerkrieg wird auf mindestens 200’000 geschätzt. Viele Millionen Menschen sind auf der Flucht. Syrien braucht aber nicht nur eine kurzfristige Waffenruhe, es braucht einen Waffenstillstand, damit die Verhandlungen für eine stabile Friedenslösung vorankommen und zu einem Abschluss geführt werden können.

Gleichzeitig muss der Kampf gegen extremistische Dschihad-Gruppierungen geführt werden. Erst im Verlauf der Friedensverhandlungen und im gleichzeitigen Kampf gegen die extremen Dschihadisten wird sich auch herausstellen, wer wirklich zur «gemässigten Opposition» zu zählen ist: Gemässigt sind nur diejenigen Teile der Gesellschaft, die an einer Verhandlungslösung ein Interesse haben.

Zahlreiche Milizen mit verschiedensten Interessen

Die innersyrische Konfliktlage ist kompliziert genug. Das Schema Regime gegen Aufständische gilt hier nicht, es ist zu grob.

Die Kurden beispielsweise haben zwar die Schwäche des Assad-Regimes genutzt, um eigene Verwaltungs- und Verteidigungsstrukturen zu schaffen, sie kämpfen aber nicht gegen das Assad-Regime, sondern hauptsächlich gegen den «Islamischen Staat» (IS). Ihr Verhältnis zum Regime ist durch eine Art informelles Stillhalteabkommen geprägt.

Ein anderer Akteur ist die Freie Syrische Armee, die sowohl gegen das Assad-Regime als auch gegen den IS kämpft. Politisch hat sie ein höchst uneinheitliches Erscheinungsbild. Ihr militärisch-strategisches Problem bestand und besteht darin, in einem Zwei-Fronten-Krieg mit den Assad-Kräften und dem IS zugleich verwickelt zu sein. Teile der Freien Syrischen Armee koalieren inzwischen in Gestalt der «Kräfte für ein demokratisches Syrien» mit den kurdischen Selbstverteidigungseinheiten. Andere Teile tendieren mittlerweile diversen islamistischen Gruppierungen zu, einschliesslich der Al-Nusra-Front.

So unübersichtlich die innere Lage in Syrien sein mag, sie wird gewiss nicht einfacher durch die Internationalisierung des Konflikts. 

Die Al-Nusra wiederum ist zwar mit dem «Islamischen Staat» verfeindet, das jedoch nicht aus ideologischen Gründen. Sie ist der syrische Al-Kaida-Ableger. Der IS hingegen entstand aus dem irakischen Al-Kaida-Ableger, sodass der Konflikt zwischen Al-Nusra und dem IS eher eine Art Konkurrenzkampf sein dürfte. Die Al-Nusra-Front ist eindeutig der ernsteste militärische Gegner des Assad-Regimes.

Neben den genannten grösseren Akteuren gibt es in Syrien noch verschiedene Milizen kleinerer Gruppen, insbesondere weiterer nationaler Minderheiten.

Die Zukunft Assads interessiert die Russen nicht wirklich

So unübersichtlich die innere Lage in Syrien sein mag, sie wird gewiss nicht einfacher durch die Internationalisierung des Konflikts. Russland hat auf der Seite von Assad und auf sein Ersuchen hin interveniert. Damit ist die russische Intervention übrigens die einzige, für die es eine – wenn auch fragliche – völkerrechtliche Legitimation gibt. Auch auf Wunsch einer Regierung ist eine militärische Einmischung in innere Angelegenheiten zweifelhaft. Über die politische Bewertung sagt das jedoch wenig aus. Alle anderen Staaten handeln zweifellos ohne jede völkerrechtliche Legitimation.

Das Ziel der russischen Intervention ist die Machterhaltung und -erweiterung der syrischen Regierung. Dieses Ziel impliziert auch einen Krieg gegen den IS – aber nicht nur. Angegriffen werden alle Kampfformationen, die gegen das Assad-Regime kämpfen. Russland gibt sich relativ offen, was die Zukunft Assads betrifft. Was es wirklich an der Zukunft Syriens interessiert, ist die Beibehaltung seines eigenen Marinestützpunkts am Mittelmeer.

Die USA müssen demonstrieren, dass der Irakkrieg kein Misserfolg war. Die Expansion des IS stellt das aber mehr als infrage.

Weitere Verbündete Assads sind der Iran sowie der mehrheitlich schiitische Irak. Die Regionalmacht Türkei verfolgt mindestens zwei politische Ziele: die Beseitigung Assads und ebenso der kurdischen Autonomie. Letztere hält sie, weil sie ihren innerstaatlichen Konflikt mit der kurdischen Bevölkerung nicht beigelegt hat, für eine Bedrohung. Frühestens an dritter Stelle innerhalb der Zielvorstellung der Erdogan-Türkei steht der Kampf gegen den IS. Das ist auch der Grund für die Unterstützung, die Dschihadisten durch die Türkei erfahren haben und wohl bis heute erfahren.

Eine andere wichtige Regionalmacht, die Monarchie Saudi-Arabien, gilt als heimliche Unterstützerin der Al-Nusra-Front und des IS. Die saudische Regierung hat in der Vergangenheit definitiv weggesehen, wenn reiche Familien den IS finanzierten.

Und was wollen die USA? Ihr Engagement hängt mit dem Irakkrieg zusammen. Sie müssen demonstrieren, dass dieser Krieg kein Misserfolg war. Die Expansion des IS, die von irakischem Territorium aus begann, stellt das aber mehr als infrage. 

So unterschiedlich sind die Interessen – und was nun? Nötig ist eine vollständige Verständigung zwischen Russland und den USA. Alles andere blockiert einen möglichen Frieden in Syrien.

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