Varianten des Widerstands

Novartis verzichtet auf eine Schliessung ihres Werks in Nyon und erhält damit 320 Arbeitsplätze. In Basel beharrt der Pharma-Konzern auf Kündigungen, reduziert deren Anzahl aber von den ursprünglich angekündigten 760 Stellen auf 250 Stellen. Der Vorgang zeigt, wie diffizil der Umgang der Basler Regierung mit ihrem wichtigsten Steuerzahler ist.

Novartis baut nun doch nicht so viele Stellen in der Schweiz ab, wie im Oktober angekündigt. Von links: Philippe Leuba, Volkswirtschaftsdirektor VD, Pascal Brenneisen, CEO Novartis Schweiz und Christoph Brutschin, Volkswirtschaftsdirektor BS. (Bild: Keystone)

Novartis verzichtet auf eine Schliessung ihres Werks in Nyon und erhält damit 320 Arbeitsplätze. In Basel beharrt der Pharma-Konzern auf Kündigungen, reduziert deren Anzahl aber von den ursprünglich angekündigten 760 Stellen auf 250 Stellen. Der Vorgang zeigt, wie diffizil der Umgang der Basler Regierung mit ihrem wichtigsten Steuerzahler ist.

Herzlich klopft der eine Regierungsrat dem anderen auf die Schultern. «A bientôt. Et félicitations!» Christoph Brutschin, Basler Volkswirtschaftsdirektor, schaut noch einen Moment seinem Berufskollegen aus der Waadt zu. Sieht, wie Philippe Leuba lächelnd seinen Mantel packt und sich aus dem Haus der Kantone in Bern Richtung Romandie verabschiedet. Es war ein guter Tag für den freisinnigen Volkswirtschaftsdirektor. Es war der Tag, an dem Novartis verkündete, auf die Schliessung des Werks in Nyon zu verzichten.

Alle haben sie Zugeständnisse gemacht im Waadtland: 160 Arbeiter erhöhen ihr Wochenpensum auf 40 Stunden, die restliche Belegschaft der insgesamt 320 Angestellten verzichtet auf eine Lohnerhöhung. Ein Grundstück der Novartis wird in Bauland umgezont und bei künftigen Investitionen in der Waadt werden der Firma nicht näher bezifferte Steuererleichterungen gewährt. Das alles mündete in einen Erfolg, den die Gewerkschaft Unia als «historisch» bezeichnet.

«Die Mobilisation war der Schlüssel», sagt Corrado Pardini, Geschäftsleitungsmitglied der Unia, nach der Medienkonferenz in Bern. Serge Gnos, Co-Leiter von Unia Nordwestschweiz, ergänzt: «Nyon hat gezeigt, dass sich Widerstand lohnt.»

Und Widerstand, der war vorhanden in Nyon. Behörden, Politiker, Einwohner, Arbeitnehmer – als Novartis Ende Oktober ankündigte, das Werk schliessen zu wollen, ging die Westschweiz auf die Strasse.

Abhängigkeiten

Auch in Basel war Widerstand vorhanden. Die Gewerkschaften organisierten eine Petition, ein Komitee formierte sich, es gab Demonstrationen, die Regierung verschickte Medienmitteilungen. Aber der Ton, der war ein anderer. Nicht fordernd forsch und laut wie im Waadtland, sondern zurückhaltend, vorsichtig. Betont wurde die «sachliche und konstruktive» Atmosphäre, in der die Gespräche zwischen Novartis und der Basler Regierung stattgefunden hätten. Die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog wies bereits damals in einem Interview mit der TagesWoche auf die unterschiedlichen Voraussetzungen von Basel und Nyon hin: «In Nyon ist dies anders, da geht es um die eine Fabrik: Wenn sie zumacht, gibt es keine Pharma-Produktion mehr in Nyon. Gleichzeitig lässt sich die Bedeutung dieser Produktionsstätte für Nyon natürlich nicht mit der Pharma in Basel-Stadt vergleichen.» Ausserdem habe die Novartis in den vergangenen Jahren in Basel mehr Stellen angesiedelt, als jetzt abgebaut würden.

Ganz ähnlich argumentierte am Dienstag Christoph Brutschin, der gemeinsam mit Herzog und Carlo Conti an insgesamt elf Verhandlungen mit der Novartis den Stellenabbau nachverhandelte. «Stellen Sie sich vor, in Nyon wäre Néstle und nicht Novartis betroffen gewesen. Das hätte auch anders getönt.» Jede Region in der Schweiz stehe in einer besonderen Beziehung mit einer speziellen Branche. «Denken Sie nur an Zürich und die Finanzindustrie.»

Und auch wenn die Life-Science-Industrie einen grossen Teil der Basler Steuereinnahmen generiere und für einen Viertel der gesamten Wertschöpfung in der Region verantworlich sei, erscheine man nicht einfach als Bittsteller vor der Novartis. Die Forderungen seien klar formuliert worden. «Es hätte nichts genutzt, wenn ich laut geworden wäre», sagt Brutschin.

Ergebnis der langwierigen Verhandlungen ist die Reduktion des ursprünglichen Stellenabbaus von 760 auf 250 Stellen. Ein Drittel, der nun nicht mehr betroffenen Arbeitnehmer, soll intern einen Job erhalten, ein zweites Drittel wird vorzeitig pensioniert. «Dennoch bleibt es bei 250 Entlassungen. Und das bedauern wir», sagt Brutschin. Die Verhandlungen würden nun weitergehen, eventuell können weitere 50 bis 60 Stellen mit einem «Spin-Off» gerettet werden. Zudem habe Novartis in Aussicht gestellt, bis ins Jahr 2030 den Standort Basel auf 10’000 Arbeitsplätze auszubauen. «Insofern ist der Abbau von 250 Stellen ein Rückschritt. Aber ein Rückschritt auf einem Weg, dessen Richtung grundsätzlich stimmt.» Dazu habe man Novartis auch keine Zugeständnisse irgendwelcher Art machen müssen. Also keine Steuererleichterung oder Bauland-Umzonung wie in Nyon. Man habe einzig versprochen, bei der Umsetzung des «Campus» weiterhin bestmögliche Kooperation anzubieten.

Gewerkschaft etwas enttäuscht

Der lokale Ableger der Gewerkschaft und auch der Angestelltenverband der Novartis ist dennoch etwas enttäuscht vom Verhandlungsergebnis der Basler Regierung. «Bei uns war der Widerstand weniger gross und darum konnte sich das Unternehmen besser durchsetzen», sagt Serge Gnos. Es seien auf dem Platz Basel halt spezielle Abhängigkeiten zwischen Pharma und Regierung vorhanden. Abhängigkeiten, die Widerstand erschwerten. Ihm stösst grundsätzlich auf, dass Novartis Milliardengewinne schreibt und dennoch im grossen Stil Leute entlässt, zuletzt in den USA. «Die Entlassungen sind beim besten Willen nicht nachzuvollziehen.»

Auch Martin Lüchinger, Präsident der Basler SP, wäre es lieber gewesen, Novartis würde ganz auf den Abbau verzichten. Er nimmt seine beiden Regierungsräte aber in Schutz. «Eva Herzog und Christoph Brutschin haben unsere Anliegen vehement vertreten, haben intensiv und gut verhandelt.» Zudem anerkenne man grundsätzlich, dass sich Novartis überhaupt bewegt habe. Ob das Komitee gegen den Stellenabbau, in dem auch Lüchinger Einsitz hat, dennoch weiter aktiv bleiben wird, ist noch nicht entschieden. Es sehe aber ganz danach aus. Danach, dass der Widerstand auch in Basel weitergeht – ein bisschen zumindest.

Quellen

Medienmitteilung der Basler Regierung

Medienmitteilung Novartis

Medienmitteilung der Unia

Artikelgeschichte

Die Pharma-Branche liefert nicht einen Drittel der Basler Steuereinnahmen wie ursprünglich im Artikel erwähnt. Richtig ist: Die Life-Science-Branche ist für einen Viertel der Wertschöpfung in der Region verantwortlich.

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