Türken und Kurden in Basel sind vom Machtkonflikt in der Türkei eingeschüchtert. Viele haben ihre Ferien im Heimatland abgesagt.
Seine Kollegin habe die Ferien in der Türkei kurzfristig umgebucht, erzählt Ozan Topal, der Wirt vom Hotel Restaurant Reinacherhof in Reinach BL, der es wegen eines Tweets mit der türkischen Justiz zu tun bekam (zum Porträt von Ozan Topal). Aus zwei Wochen Antalya wurden nun zwei Wochen Mallorca. 1000 Franken habe die Kollegin fürs Umbuchen bezahlen müssen.
Auch der Basler SP-Grossrat Mustafa Atici sagt, dass einige seiner Freunde den Türkei-Urlaub abgesagt hätten. «Die Situation in der Türkei ist momentan unübersichtlich. Viele Türken und Kurden trauen sich nicht, in ihr Heimatland zu reisen», so Atici.
Manche befürchten, sie könnten in der Türkei festgehalten werden – wegen Kritik am Regime. Atici sagt: «Eine These ist, dass Erdogan versucht, im Zuge des Ausnahmezustands alle kritischen Stimmen mundtot zu machen.»
Facebook-Post fordert zu Denunziation auf
Dass konservative Kreise innerhalb der türkischen Community versuchten, immer mehr Einfluss auf Türken und Kurden in Basel zu nehmen, beobachtet Atici seit Jahren. Insbesondere seit vor vier Jahren das Wahlrecht für türkische Bürger im Ausland eingeführt worden ist. «Seit den Wahlen im vergangenen Herbst wurde ich auf sozialen Medien als dezidierter Kritiker des Regimes mehrfach persönlich beschimpft», sagt Atici.
Derya Sahin, Richterin am Basler Strafgericht, erzählt, Erdogan-Befürworter machten auf sozialen Medien mobil. «AKP-Anhänger werden in einem Facebook-Post aufgefordert, Regime-Kritiker zu denunzieren», so die Baslerin mit türkischen Wurzeln.
Neue Stufe der Verfolgung
Bei ihr würden sich fast täglich Freunde und Bekannte melden, die eingeschüchtert seien. Sie werde zum Beispiel gefragt, ob es dem türkischen Staat überhaupt möglich sei, gegen Türken in der Schweiz vorzugehen. Auf der Strasse zu demonstrieren trauten sich viele ebenfalls nicht mehr, so Sahin. Dabei sei klar, dass die Türkei nur sehr schwer gegen Personen in der Schweiz vorgehen könnte.
Anders bei der Einreise in die Türkei. Gerade sei ein Mann, der in Frankreich wohnt, bei der Einreise in sein Heimatland verhaftet worden. Das berichtet eine türkische Zeitung. Grund: Der Mann soll auf Facebook Kritik am Regime geäussert haben.
Sahin: «Nach dem Putschversuch hat die Verfolgung von Regime-Kritikern auch ausserhalb der Türkei eine neue Stufe erreicht.»