Die Baselbieter FDP wird ab 2019 nicht mehr mit zwei Vertretern in der Regierung sitzen. Mit ihrem Entscheid, der SVP den Vortritt zu lassen, verzichtet sie auf das jahrzehntelange Privileg, mit zwei Sitzen die Exekutive zu bestücken.
Mit nur noch einem Nationalrats- und Regierungsratssitz hat die traditionelle bürgerliche Kraft im Baselbiet einiges an Einfluss verloren. Das sieht selbst Parteipräsident Paul Hofer so: «Wir müssen anerkennen, dass die SVP in den vergangenen 20 Jahren Wählerstimmen dazugewonnen hat. Dieser nationalen Entwicklung tragen wir Rechnung», erklärt Hofer, weshalb seine Partei der SVP Platz macht. Dafür könne die FDP bei den Ständeratswahlen den bürgerlichen Kandidaten stellen.
Annäherung an den Blocherkurs
Die Baselbieter FDP hat in den vergangenen 30 Jahren auch inhaltlich einen massiven Umbruch erlebt. War sie früher eine bildungsbürgerliche Wegbereiterin für herausragende partnerschaftliche Errungenschaften wie den Kultur- oder den Univertrag, rühmt der Parteipräsident heute vor allem die Stagnation: «Wir erlebten ein Durcheinander in der Bildung, Monica Gschwind hat dem Einhalt geboten mit ihrem ‹Marschhalt›, und auch bei der Universität haben wir die Initiative ergriffen, dass wir uns über das Studienangebot Gedanken machen müssen», sagt Hofer.
Für den FDP-Chef ist klar: Das Baselbiet ist heute auf dem richtigen Weg. Beweis dafür ist für ihn die erste schwarze Rechnung seit zehn Jahren. Auch wenn diese nur dank zahlreicher Sonderfaktoren zustande kam und das Baselbiet noch weit entfernt ist von neuen Finanzierungswünschen.
«Manchmal muss man auf Dinge verzichten, die man lieb gewonnen hat», so Hofer. «Aber ein gesunder Staatshaushalt ist enorm wichtig. Disziplin sowie Umsicht bei den Staatsausgaben und Geradlinigkeit – das ist für mich bürgerliche Politik.»
Auch René Rhinow vertrat eine bürgerliche Politik. Der ehemalige Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht sass zwischen 1987 und 1999 für die FDP im Ständerat. Heute ist er nicht mehr aktiv in die politischen Geschehnisse involviert und beobachtet aus der Ferne, wie sich seine FDP und auch die gesamte Schweizerische Parteienlandschaft verändert haben.
Rhinow betont, dass er seine Partei nicht kritisieren möchte. Er sieht die Mutterpartei mitverantwortlich für den Machtverlust der Freisinnigen im Baselbiet: «Die Annäherung an den Blocherkurs war verhängnisvoll», so Rhinow. Zwar sei dies mittlerweile korrigiert worden, betont der ehemalige Freisinnige.
Machtdemonstrationen statt Diskussionen
Doch wer den Landratsalltag beobachtet, sieht: Der Polit-Stil der SVP hat auch auf die Freisinnigen im Baselbiet abgefärbt. Paradebeispiel dafür war das Gebaren der Ratsrechten beim Budget für das Jahr 2016. Geschlossen stimmten sie gegen jeden Antrag von SP und Grünen. Es ging nicht um Diskussionen, sondern um die Machtdemonstration der Ratsmehrheit.
Seither zeigen die Freisinnigen immer öfter Geschlossenheit in den eigenen Reihen. Die Parteidoktrin geht über das Wohl des Kantons. Auch Rhinow kann nicht bestreiten, dass sich die Strategie der Partei seit den 1960er- und 1970er-Jahren stark verändert hat. «Wir haben Brücken geschlagen zu anderen Parteien. Wir wussten: Es gibt Geschäfte, die wichtiger sind als die Parteikonkurrenz. Das hat uns zusammengeschweisst und den Kanton vorangebracht. Ich weiss nicht, ob das heute noch so möglich wäre.»
Ein Blick auf die jüngsten Kantonsgeschäfte zeigt: Von Brückenschlagen kann keine Rede mehr sein. Einen Tag vor der Debatte um die Spitalfusion im Landrat verschickt die FDP eine Medienmitteilung, in der sie sich dezidiert gegen das «Universitätsspital Nordwest» ausspricht:
«Die FDP befürchtet, dass eine fusionierte Spitalgruppe zu einem nicht steuerbaren riesigen ‹Moloch› wird, der die anvisierten Kosteneinsparungen von 70 Millionen Franken jährlich nicht erzielen kann.»
Die Freisinnigen stören sich an der Konstruktion der Aktiengesellschaft, bei der Baselland nur einen Drittel der Aktien und damit des Mitspracherechtes halten würde. Obwohl dem Baselbiet ein Vetorecht eingeräumt wurde, reicht das der FDP nicht. Gleichzeitig sagt die Partei aber auch klar, dass sich das Baselbiet ein 50:50-Aktienverhältnis nicht leisten kann:
«Ein paritätischer Einkauf in die Aktiengesellschaft würde 145 Millionen Franken kosten, ein Betrag, der für das Baselbiet nicht tragbar ist.»
Stattdessen wollen die Freisinnigen, dass der Kanton künftig nicht mehr selbst Gesundheitsinstitutionen betreibt, sondern einkauft – und zwar «von staatlichen und privaten Anbietern».
Diese Vorschläge sind nicht mehrheitsfähig, das weiss auch die FDP. Bereits am 11. Januar diskutierte der Landrat über eine allfällige Privatisierung des Kantonsspitals Baselland (KSBL). Damals stellten sich 69 Landräte gegen den Vorschlag, 1 Stimme war dafür und 13 FDP-Mitglieder enthielten sich der Stimme. Wohl auch deshalb, weil allen bewusst war: Scheitert die Fusion der beiden Spitäler, wird das KSBL als erstes im freien Markt untergehen.
Und auch bei der jünsten Landratsdebatte zur Spitalfusion war die FDP allein auf weiter Flur. Ihr Antrag, nicht auf das Fusionsgeschäft einzugehen, scheiterte mit 63 zu 15 Stimmen. Die 15 Stimmen stammten allesamt von ihrer eigenen Fraktion.
Vorreiterrolle verpasst
Mit diesem Pochen auf das liberale Gedankengut und die freie Marktwirtschaft ohne Wenn und Aber zementiert die FDP wieder einmal ihre Abkehr von partnerschaftlichen Geschäften. Wie es in der Vergangenheit immer wieder passiert ist. Eine Entwicklung, die auch René Rhinow beobachtet: «Das Verständnis für die Zusammenarbeit der beiden Kantone war gewiss schon besser, das ist bedauerlich.»
Dabei hätte dies verhindert werden können, ist Rhinow überzeugt. Bevor die Fusionsdebatte wieder ins Rollen kam, hätte seine Partei die Chance gehabt, zu intervenieren: «Die FDP hätte gemeinsam mit ihrer städtischen Schwesterpartei eine Vorreiterrolle einnehmen sollen. Sie hätte ein neues, substanzielles Modell der Zusammenarbeit vorschlagen können, als Alternative zur Fusion, ohne die Grenzen aufzuheben.»
Stattdessen propagierte alt Nationalrat Hans Rudolf Gysin seine «Regio-Kooperationsinitiative», und die Partei fasste die Nein-Parole für einen gemeinsamen Kanton Basel. Um die «Stärke des Föderalismus» weiter hochzuhalten.