Am Anfang verlief alles in Minne: Fast jeder freute sich über die grenzüberschreitende Verlängerung der Tramlinie 3 bis zum Bahnhof in Saint-Louis – bis öffentlich wurde, dass den elsässischen Partnern die Zahlung von einer Million Euro zugesagt worden war.
Seither decken gewisse Medien, aber auch die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rats die BVB-Leitung und vor allem den zuständigen Regierungsrat Hans-Peter Wessels mit harschen Vorwürfen ein. Im Wochen-, teilweise gar Tagesrhythmus berichteten die Basler Medien über die Geschichte, die sich inzwischen als «Affäre Wessels» verselbstständigt hat.
Worum geht es eigentlich?
Ausgang ist der inzwischen weit fortgeschrittene Plan, die Tramlinie 3 um 3,1 Kilometer über die Landesgrenze bis zum Bahnhof in Saint-Louis zu verlängern. Die Gesamtkosten wurden mit 86,5 Millionen Franken veranschlagt. 56 Millionen fallen auf den Abschnitt in Frankreich, Basel-Stadt muss 32,8 Millionen Franken übernehmen beziehungsweise 22,3 Millionen, weil 10,5 Millionen aus dem Agglomerationsfonds des Bundes entnommen werden können.
Am 25. Juni 2014 bewilligte der Grosse Rat den Kredit mit 79 Ja- gegen nur 7 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen deutlich. Am 2. August 2017 fuhr das erste Tram im Schritttempo die neue Strecke ab. Am 10. Dezember 2017 wird die verlängerte Linie den regulären Betrieb aufnehmen.
Das umstrittene Millionen-Versprechen
Ende 2016 wurde die Vorfreude auf die Tramverlängerung gedämpft. Die «Basler Zeitung» berichtete am 19. Dezember mit Bezug auf einen vertraulichen Bericht der baselstädtischen Finanzkontrolle (Fiko) über die Zahlung von einer Million Euro an die elsässischen Partner, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Der Bericht endete mit einer Aussage, die sich bewahrheitete: «Das umstrittene Finanzierungsgeschäft, von dem bislang niemand etwas wusste, dürfte politisch noch stark zu reden geben.»
Wenige Tage später gingen das Basler Bau- und Verkehrsdepartement als Eignervertreter der Verkehrsbetriebe und die BVB selber in die Offensive und gaben den vertraulichen Bericht frei.
Im Fiko-Bericht sticht ein Brief ins Auge, den die BVB-Spitze am 9. Mai 2016 an Alain Girny, den Präsidenten der Communauté d’Agglomération des Trois Frontières, geschickt hatte. In diesem Brief wird bekräftigt, dass sich die BVB an die Millionen-Zusage halten werde:
«Es freut uns Ihnen mitzuteilen, dass die BVB dem Projekt Tram 3 sowie den Nachbargemeinden der Communauté d’Agglomération des Trois Frontières die gleiche Unterstützung zukommen lassen wird wie der Nachbargemeinde Weil am Rhein im Projekt Tram 8. Die BVB wird sich nach erfolgreichem Abschluss der ausstehenden Unterhalts- und Betriebsverträge für die Linie 3 mit einem Betrag von 1’000’000 EUR an den Kosten für die Verlängerung der Tramlinie 3 auf französischer Seite beteiligen.»
Die Fiko empfiehlt, für diese Verpflichtung eine Vereinbarung mit einer konkreten Gegenleistung zu verfassen.
Welche Rolle spielte Hans-Peter Wessels?
Nun beginnt die Diskussion, wer den elsässischen Partnern diese Million versprochen hat. Die BVB-Spitze oder Regierungsrat Hans-Peter Wessels? Wessels bestreitet, dass er sich aktiv eingemischt habe. Er habe die BVB lediglich in einem Schreiben daran erinnert, sich an die Zusage zu halten.
Erschwerend ist, dass das Treffen, bei dem diese Zusage mündlich gemacht worden sein soll, lange Zeit zurückliegt (es fand am 20. November 2011 statt) und dass es kein Protokoll darüber gibt. Dazu kommt, dass die damals anwesende BVB-Leitung mit den Verwaltungsräten Martin Guldenrat und Jürg Baumgartner, die nach diversen Verfehlungen ausscheiden mussten, längst nicht mehr im Amt ist. In der «bz Basel» bestritt Baumgartner am 29. August 2017, jemals eine Zusage getätigt zu haben.
Harsche Vorwürfe der GPK
Am 29. Juni 2017 stellt die GPK ihren Bericht zur BVB vor. Der ist vernichtend. Die Rede ist von Kompetenzüberschreitungen und «nicht entschuldbaren» Verfehlungen. Insbesondere Wessels muss sich harsche Vorwürfe gefallen lassen.
Als Folge der Vorwürfe der GPK treten BVB-Verwaltungsratspräsident Paul Blumenthal und sein Vize Paul Rüst sogleich zurück.
Am 30. Juni 2017 verteidigt sich Wessels vor den Medien. Dass man den Franzosen die Zahlung von einer Million Euro für die Verlängerung der 3er-Linie nur mündlich zugesichert hatte, sei «absolut ärgerlich», sagt er. «Die politische Verantwortung dafür liegt bei mir.» Er bestreitet aber nach wie vor den Vorwurf der GPK, dass er die Zahlung angewiesen habe: «Es war keine Weisung.»
Wessels muss sich nach diesem Auftritt von rechts bis links den Vorwurf gefallen lassen, zu wenig Einsicht über sein eigenes Fehlverhalten zu zeigen.
Auch die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein. Sie kommt am 10. August aber zum Schluss, dass keine strafrechtlich relevanten Verfehlungen vorliegen: «Es wurde weder ein Vermögensschaden verursacht, noch konnte bei den verantwortlichen Personen ein strafrechtlich sanktioniertes pflichtwidriges Verhalten festgestellt werden», teilte sie mit.
Rücktrittsforderung und Kuhhandel
Die GPK empfiehlt der Regierung in ihrem Bericht, die umstrittene Million durch einen Nachtragskredit vom Grossen Rat absegnen zu lassen.
Jetzt beginnt eine wilde Diskussion, wie weiter zu verfahren sei. Diverse bürgerliche Politiker fordern den Rücktritt von Wessels, andere Politiker verlangen, dass dem BVD-Vorsteher zumindest das BVB-Dossier entzogen werden soll. Das Grüne Bündnis und die BastA! fordern, die ausgegliederten BVB wieder zum Staatsbetrieb werden zu lassen, um den Betrieb stärker kontrollieren zu können.
Obwohl kein entsprechender Antrag der Regierung vorliegt, äussern sich Grossräte auch über einen allfälligen Nachtragskredit. Wessels SP würde dieses Vorgehen begrüssen, SVP und CVP äussern sich klar dagegen. Die LDP und das Grüne Bündnis halten sich zurück, während FDP-Präsident Luca Urgese am 31. August 2017 im «Regionaljournal Basel» von SRF einen Kuhhandel vorschlägt: Die FDP würde einem Nachtragskredit zustimmen, wenn Wessels im Gegenzug das Dossier entzogen würde. Derweilen mutmasste die «Basler Zeitung» am 2. September 2017, dass die Regierung den Grossen Rat mit einem Zahlungsbefehl an die BVB umgehen möchte.
Wie es nun wirklich weitergehen soll, will Wessels zusammen mit dem Interims-BVB-Verwaltungsratspräsidenten Kurt Altermatt und der Vize-Präsidentin Mirjam Ballmer im Namen der Basler Regierung heute Nachmittag verkünden.
Bericht über die offizielle Stellungnahme der Basler Regierung folgt.