Wie die «warmen Betten» kalt wurden

Bundesrätin Doris Leuthard will Zweitwohnungen mit «warmen Betten» weiterhin zulassen. Sie orientiert sich damit am Aparthotel-Konzept aus den 1970er-Jahren. Doch dieses ist grandios gescheitert: Tausende von warmen Betten sind kalt geworden.

Das Aparthotel-Konzept ist gescheitert. Feriengäste müssen ihre Betten wieder selber machen. (Bild: ALESSANDRO DELLA BELLA)

Bundesrätin Doris Leuthard will Zweitwohnungen mit «warmen Betten» weiterhin zulassen. Sie orientiert sich damit am Aparthotel-Konzept aus den 1970er-Jahren. Doch dieses ist grandios gescheitert: Tausende von warmen Betten sind kalt geworden.

Der Boom von Zweitwohnungen begann vor 40 Jahren. Damals war es vor allem die starke Nachfrage von Ausländern, die den nationalen Parteien Sorge bereitete. Mit Gesetzen – von der «Lex Furgler» bis zur «Lex Koller» – versuchte der Bundesrat, den «Ausverkauf der Heimat» zu begrenzen. Dabei unterschied er zwischen gewöhnlichen und «hotelmässig bewirtschafteten» Zweitwohnungen. Letztere sollten die Querfinanzierung, Erneuerung und bessere Auslastung von Hotelbetrieben fördern, was touristisch erwünscht wäre, und sie durften darum ohne weitere Beschränkung an Ausländer verkauft werden.

Diese Privilegierung sowie ein deutsches Bau- und Steuersparmodell liessen Aparthotels zwischen 1972 und 1982 wie Pilze aus dem Schweizer Alpenboden schiessen. Allerdings gab es schon damals Kritik, weil manche Appartementkäufer die Weitervermietung verweigerten. Zudem entpuppten sich etliche Apart- als Abwarthotels, die am Verkauf von Zweitwohnungen zwar verdienten, die geforderte hotelmässige Bewirtschaftung aber auf karge Leistungen beschränkten. 1983 beendete eine Änderung des deutschen Gesetzes die Steuerflucht in Schweizer Hotelbetten und liess den Aparthotel-Boom einbrechen.

«Modell des Aparthotels gescheitert»

Über hundert Aparthotels sind seit 1972 in der Schweiz gebaut werden, schätzte 1982 der Schweizer Fremdenverkehrsverband. Allein im Kanton Graubünden bewilligte das Grundbuchinspektorat 54 Aparthotels mit schätzungsweise 2600 hotelmässig zu bewirtschaftenden Wohneinheiten. In einer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchten die Dozenten Andreas Deuber und Peter Tromm von der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HWT) in Chur, was aus diesen geworden ist.

Das Resultat: 40 Aparthotels mit rund 2000 Wohneinheiten, also 74 Prozent des Gesamtbestandes, sind inzwischen widerrufen worden oder befinden sich im Widerrufungsverfahren. Widerrufen bedeutet: Das Bündner Grundbuchinspektorat hat die von der Lex Koller verlangte Pflicht zur Weitervermietung und hotelmässigen Bewirtschaftung dieser Wohneinheiten aufgehoben – und damit die vermeintlich warmen in kalte Betten umgewandelt, sofern das nicht schon ohne Widerruf geschehen ist. Denn in den meisten Fällen werden die ehemaligen Apart-Appartements von ihren Besitzern heute als normale Zweitwohnungen genutzt, schreiben die Autoren der Studie und folgern: «Gesamthaft ist das Modell des Aparthotels somit gescheitert.»

Neue Verordnung, altes Modell

Dieser Befund ist politisch relevant. Denn heute droht eine Wiederholung der alten Geschichte. So wird der Bundesrat in den nächsten Wochen über die Umsetzung der Volksinitiative von Franz Weber entscheiden, die faktisch ein Verbot von neuen Zweitwohnungen in den meisten Tourismusgemeinden vorschreibt. Bundesrätin Doris Leuthard möchte dieses Verbot per Verordnung aufweichen. In ihrem Verordnungsentwurf, den eine Arbeitsgruppe ausarbeitete, schlägt sie in Artikel 5 folgende Ausnahme vor: «Die Erstellung von qualifiziert touristisch bewirtschafteten Zweitwohnungen kann weiterhin bewilligt werden, wenn sie im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen angeboten werden.» Damit, so kritisieren die Autoren der Bündner Studie, und so bestätigen auch die Erläuterungen zur Verordnung, setzt Leuthard weitgehend auf das gescheiterte Aparthotel-Modell.

Wenn der Bundesrat den Verordnungsentwurf unverändert übernimmt, durchlöchert er also nicht nur das verfassungsmässige Zweitwohnungsverbot, sondern wählt obendrein ein untaugliches Modell. Verzichtet er hingegen auf die Ausnahmeregelung für vermeintlich warme Betten, so verärgert er Baulobby und Tourismusbranche in den Gebirgskantonen.

Liberaler regeln, besser kontrollieren  

Einen dritten Weg schlagen die Verfasser der Aparthotel-Studie vor: Grundsätzlich befürworten sie, dass touristisch bewirtschaftete neue Zweitwohnungen zugelassen werden. Die Bewirtschaftung soll aber professionell und – dank Zugang zu internationalen Vertriebskanälen – effizient erfolgen. Darauf sei jedes Projekt zu prüfen. Anderseits möchten sie die Zulassung liberaler regeln: «Generell ist nicht nachvollziehbar, weshalb für eine Bewilligung in allen Fällen Hoteldienste verlangt werden, welche viele Zweitwohnungs-Mieter gar nicht wünschen», sagt Mitautor Andreas Deuber, denn: «Das übergeordnete Ziel sind warme Betten.» Um Missbräuche wie bei den Aparthotels in Zukunft zu vermeiden, braucht es laut Deuber nicht nur Vorschriften, sondern auch Kontrollen.

 

Quellen

Die «Tagesschau» und die sda zum Verordnungsentwurf von Bundesrätin Doris Leuthard.

Die Berichterstattung des «Tages-Anzeiger» zum Thema.

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