Mit einer Initiative für die Offenlegung der Parteienfinanzierung will ein breites Bündnis Transparenz schaffen. Erstaunlich ist, dass es dagegen überhaupt Widerstand gibt.
Das Thema ist ein Dauerbrenner. In der TagesWoche ist es Anfang Oktober letzten Jahres – also vor den eidgenössischen Wahlen – ein letztes Mal abgehandelt worden. Aber wir können noch weiter zurückblättern. Ein möglicherweise erster Vorstoss stammt aus dem Jahr 1975. Und vor über fünf Jahren hat Bundesrätin Sommaruga dazu ein Gutachten erstellen lassen. Im Juli 2011 hiess es dann, dass man «vertieft analysieren» und danach über mögliche «weitere Schritte» befinden werde.
Jetzt ist das Thema erneut auf dem Tisch des eidgenössischen Hauses: die Parteienfinanzierung.
Am 26. April startete nämlich die Unterschriftensammlung für eine Initiative, die verlangt, dass Parteien ihre Finanzen offenlegen. Konkret sollen Spenden von über 10’000 Franken pro Jahr deklarierungspflichtig werden; für im Parlament vertretene Parteien soll die Offenlegung der Bilanz und Erfolgsrechnung vorgeschrieben sein; dasselbe soll für Einzelkandidaten sowie Abstimmungskomitees mit Budgets von über 100’000 Franken gelten.
Einmal mehr stellt sich der Föderalismus quer
Lanciert wird das Begehren von der SP im Verbund mit den Grünen und der BDP. Man hätte gerne auch ein paar SVPler an Bord gehabt und wäre daran interessiert, die Initiative nicht als ein Begehren der «linken Ecke» erscheinen zu lassen. Eine Vimentis-Umfrage zeigt, dass dieses Anliegen weit ins bürgerliche Feld Sympathien geniesst.
Eidgenössische Volksinitiativen streben zwangsläufig stets gesamtschweizerische Lösungen an. Das ist auch bei rechtsnationalen Initiativen so, die von Kräften stammen, die gleichzeitig den Föderalismus heilig sprechen. Ein bekanntes Beispiel ist die 2008 erfreulicherweise gescheiterte SVP-Initiative, die der ganzen Schweiz, allen Kantonen und allen Gemeinden, vorschreiben wollte, wie einzubürgern ist.
Der Schutz der Privatsphäre ist bei der öffentlichen Bedeutung der Parteien kein einleuchtendes Argument.Die linke «Transparenz-Initiative» «sündigt» nun in gleicher Weise und dürfte von der rechten Seite wiederum mit dem Föderalismusargument bekämpft werden. Auch für den Bundesrat sind die Unterschiede in den kantonalen Gegebenheiten ein wichtiges Argument.Andere Vorbehalte sind aber nicht weniger wichtig: der Schutz der Privatsphäre (was allerdings bei der öffentlichen Bedeutung der Parteien nicht einleuchten kann) und vor allem das Schreckgespenst, dass die Parteien durch den Staat (wie in vielen Ländern üblich) finanziert werden müssten, wenn ihre Einnahmen in Folge von Transparenzvorschriften zurückgehen.
Brauchen Parteien in der Schweiz weniger Geld als im Ausland?
Wie zu erwarten, wird die Kontrolle der Parteien auch mit Hinweis auf die direkte Demokratie als nicht problemgerecht bezeichnet, weil sich in Sachabstimmungen auch Verbände finanziell engagieren. Wenn man wollte, könnte man aber auch diese Variante der Politfinanzierung legislatorisch in den Griff bekommen. Ein wenig überzeugendes Bundesrats-Argument meint zudem, dass in der Schweiz wegen des berühmten Milizwesens der Geldbedarf der Parteien «erheblich» («nettement») bescheidener sei als im Ausland.
Gemäss Recherchen der Firma Media Focus haben die Parteien im Eidgenössischen Wahlkampf 2015 allein für Inserate und Plakate 28,2 Millionen Franken ausgegeben. Ist das viel oder wenig? Der Betrag ist jedenfalls erheblich. Zudem weiss man, dass die Regierungsparteien zwischen 62 Prozent (SP) und 94 Prozent (FDP) fremdfinanziert sind. Wenn die SVP tatsächlich «nur» 75 Prozent Fremdfinanzierung aufweisen sollte, dürfte sich dies damit erklären, dass sie ein paar sehr spendable Superreiche in den eigenen Reihen hat.
Es ist nicht das Gleiche, ob man von einer allgemeinen Annahme ausgeht oder etwas schwarz auf weiss vor sich hat. Der SVP-Politiker Oskar Freysinger tat die Forderung nach Transparenz in der Parteienfinanzierung mit dem saloppen Argument ab, dass dies im Falle seiner Partei nichts bringe, weil doch allgemein bekannt sei, dass der grösste Teil des Geldes von Christoph Blocher komme. Dem kann man entgegenhalten, dass es nicht das Gleiche ist, ob man von einer allgemeinen Annahme ausgeht oder etwas schwarz auf weiss vor sich hat.
Die lateinische Schweiz als Versuchslabor für politische Reformen
Wen aber interessiert das schon? Erneut sei an einen Fall aus dem Jahr 2007 erinnert: Da gingen, wie im März 2012 bekannt wurde, mindestens 1,5 Blocher-Millionen, wie man sagt, per Vertrauensanwalt und Köfferchen an die SVP. Zudem sollen, wie in aller Öffentlichkeit weiter festgehalten wurde, mehrere Millionen von einem «Komitee für eine souveräne Schweiz» der SVP zugeflossen sein. Solche News lösen aber nicht mehr als nur kurzzeitige Empörung aus.
Es gibt ein paar wenige Argumente, die für den Föderalismus sprechen. Eines verweist auf die Möglichkeit, dass einzelne Staatsteile als eine Art Labor innovative Lösungen ausprobieren, die im Fall erfolgreicher Erfahrungen von anderen Staatsteilen übernommen werden können. Das war so bei der Einführung des Wahlproporzes, der obligatorischen Versicherungen, des Frauenstimmrechts und so weiter.
Kantonale Gesetze zur Parteienfinanzierung gibt es bereits im Tessin (seit 1998), in Genf (1999) und in Neuenburg (2013). Und in der Waadt wurde von Regierungsseite zumindest ein Versuch unternommen, der aber im Parlament nicht durchkam. Es fällt auf, dass auch hier wiederum (wie früher beim Frauenstimmrecht, jetzt beim Ausländerstimmrecht und bei Einbürgerungsfragen) die lateinischen Kantone für politische Reformen dieser Art eher zu haben sind.
«Nicht konform» – international liegt die Schweiz zurück
Im Tessin müssen alle Parteispenden über 10’000 Franken bei der Staatskanzlei gemeldet werden; auch Einzelspenden von über 5000 Franken an Kandidaten oder Abstimmungskomitees unterliegen der Meldepflicht. In Genf müssen die begünstigten politischen Organisationen jedes Jahr den gesamten Spendenbetrag und die einzelnen Spender (ohne Beträge) nennen. Neuenburg orientierte sich grosso modo an diesen beiden Kantonen.
Sind die gemachten Erfahrungen derart schlecht, dass man entsprechende Regeln nicht auf die Bundesebene übertragen kann?
Sind die gemachten Erfahrungen derart schlecht, dass man entsprechende Regeln nicht auf die Bundesebene übertragen kann? Oder sind die Erfahrungen derart unerheblich, dass man sich ein zusätzliches Bundesgesetz ersparen kann?
Ein etwas oberflächliches Argument für ein Gesetz könnte darin bestehen, dass die Schweiz dann international in diesem Punkt einigermassen «konform» wäre. 2006 der Antikorruptions-Konvention des Europarats beigetreten, ist sie einer regelmässigen Überprüfung durch die Greco (Groupe d’Etats contre la Corruption) ausgesetzt.
Diese hat 2015 wegen fehlender Gesetzgebung bereits zum zweiten Mal «Nonkonformität» angemahnt. Die Schweiz hat darum bis zum März 2016 nach Strassburg berichten müssen, ob sie in diesem Bereich «Fortschritte» erzielt hat. Hat sie aber nicht, jedenfalls nicht bezüglich der Parteienkontrolle.
Affaire à suivre
Immerhin ist man bei der amtlichen Strafverfolgung von schweren Fällen der Privatkorruption ein Stück weitergekommen – der Fifa sei Dank. Im Juni wird sich die Greco wieder zur Schweiz äussern, unverbindlich «Nichtkonformität» feststellen und erneut empfohlene Massnahmen in Erinnerung rufen. Gelegentlich reist dann eine sogenannte «High Level Mission» nach Bern. Affaire à suivre.
Es gibt nicht wenige Leute im Land, die ganz gerne an sonderbaren Alleinstellungsmerkmalen festhalten, um sich als etwas Besonderes fühlen zu können.
Im August 2014 hatte sich der Bundesrat mit den Präsidien der Regierungsparteien und Fraktionen zusammengesetzt und die Sache beraten. Mit Ausnahme der Sozialdemokraten sprachen sich alle für den Status quo aus – dieser habe sich bewährt. Bei einseitiger Betrachtungsweise und aus dem entsprechenden Interessenstandpunkt kann man das sicher so sehen.
Die Schweiz nimmt unter den 49 Konventionsmitgliedern eine Abseitsposition ein. Das lässt die Eidgenossen freilich ungerührt. Es gibt im Gegenteil nicht wenige Leute im Lande, die ganz gerne an sonderbaren Alleinstellungsmerkmalen festhalten, um sich als etwas Besonderes fühlen zu können. Das war schon beim Frauenstimmrecht so. Kommt hinzu, dass man tatsächlich darauf verweisen kann, dass Länder mit offizieller Konformität die Sache dann doch nicht so genau nehmen.
Es verwundert, dass es gegen Transparenz in der Politfinanzierung überhaupt Widerstand geben kann.
Schweden hat eine – wenn auch schwache – Regel, der zufolge die im nationalen Parlament vertretenen Parteien ihre Einkünfte freiwillig unterbreiten. Es würde nicht überraschen, wenn eine solche Lösung auch in der Schweiz vorgeschlagen würde, um der aktuellen Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Wir bilden uns auf unsere scheinbar vorbildliche Demokratie etwas ein. Dabei wird aber die Politfinanzierung völlig ausgeklammert. Das ist erstaunlich. Diesbezügliche Transparenz ist selbstverständlich oder sollte es zumindest sein. Es verwundert, dass es dagegen überhaupt Widerstand geben kann. Nicht überraschend ist, dass gewisse Kräfte gegen die Beendigung dieses unguten Zustands sind, weil sie von der Anonymität der Finanzierung profitieren und unter Transparenz «leiden» würden.
Aber wenn man nun plötzlich schweizweit vermehrt Transparenz bei der Finanzierung universitärer Forschung wünscht und im Baselbiet unter Berufung auf Transparenz sogar öffentliche Gemeinderatssitzungen, dann müsste dieses Prinzip doch auch für die Finanzierung unserer Demokratie gelten.