Wie wird Journalismus finanziert? Die Antwort

Ein Leser oder eine Leserin wollte wissen: Wer bezahlt das eigentlich, was ich hier lese? Wir, die Bezahlten, sind der Frage nachgegangen.

(Bild: Nils Fisch)

Ein Leser oder eine Leserin wollte wissen: Wer bezahlt das eigentlich, was ich hier lese? Wir, die Bezahlten, sind der Frage nachgegangen.

Im Rahmen unserer Rubrik «Stadtgespräch» hat uns folgende Frage erreicht:

«Wie wird Journalismus finanziert»?

Das ist eine sehr allgemein formulierte und grosse Frage. Über sie werden derzeit unzählige Artikel, ja ganze Aufsätze und Bücher geschrieben. Oft fragt man sich bei Elaboraten zum Thema, ob das irgendjemand ausser den Autoren spannend findet. Vielleicht ja nicht einmal die? Zudem: In Zeiten der Medienkrise ist vieles was über den Journalismus und seine Finanzierung geschrieben wird, schon kurz nach Publikation wieder überholt.

Wir haben deshalb gezögert, ob wir an dieser Stelle auf diese Frage eingehen wollen. Zumal sie nicht konkret auf die Region Basel bezogen ist – eigentlich eines der drei wichtigsten Kriterien zur Auswahl von Fragen, die wir in der Rubrik beantworten. (Alle Details zum Auswahl-Prozedere lesen Sie hier.)

Die Frage geht uns alle an

Wir haben uns schliesslich entschieden auf die Frage einzugehen, weil sie uns alle angeht. Eine Demokratie braucht einen vielfältigen, unabhängigen und lebendigen Journalismus. Deshalb ist die Frage wichtig. Sowohl in ihrer allgemein gehaltenen Form – aber auch in der Region Basel.

Die Frage betrifft auch die TagesWoche ganz konkret. Wir mussten uns aus finanziellen Gründen von vielen liebgewonnenen Kolleginnen und Kollegen verabschieden – und unsere langfristige finanzielle Zukunft ist alles andere als gesichert, die Frage beschäftigt uns auch darum sehr. Zumal unsere Arbeit bei den Leserinnen und Lesern offenbar gut ankommt: Kein anderes Schweizer Printmedium gewann bei der letzten Erhebung mehr Leserinnen und Leser hinzu als die TagesWoche. Es geht munter bergauf: Plus 30 Prozent laut MACH-Basic 2017-1! Und unsere Server laufen heiss, wenn wir eine heisse Story bringen.

Wie kann es also sein, dass es trotzdem so schwierig ist, Journalismus* zu finanzieren? Und war das immer so?

Als es leicht war, den Journalismus zu finanzieren

Journalismus wird traditionellerweise – und in der Regel – via Verkäufe / Abonnenten und Werbung finanziert. Das ging lange Jahre sehr gut. Die Margen waren hoch. Vor allem wegen der Werbeeinnahmen: Nur in Ausnahmefällen reichten die Einnahmen, die Verlage via Leser generieren konnten, aus, um für Personal-, Material-, Druck- und Distributionskosten aufzukommen.

Das Medienbusiness war über Jahrhunderte ein gutes Geschäft. Wer eine erfolgreiche Zeitung herausbrachte, druckte als Verleger quasi Geld, so das Bonmot. Gewinnmargen von weit über zehn Prozent waren in der Schweiz die Regel. Die Leute lasen Zeitung. Die Wirtschaft inserierte. Die Rechnung ging auf. Der Markt war – je nach Grösse einer Stadt oder eines Landes – gross genug für verschiedene lokale und nationale Zeitungen mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Die Diversität war gross, Zeitungen mit grosser Auflage machten gute Geschäfte.

Nebenbei gab und gibt es auch journalistische Erzeugnisse, die, etwa aufgrund ihrer kleinen Auflage oder ihrer spezialisierten Ausrichtung, nicht via Werbung und Leserschaft finanziert werden können. Weil das Geld dafür schlicht nicht reichen würde. In solchen Fällen finden sich Finanzierungsmodelle wie Stiftungen, öffentliche Anstalten, Einzelpersonen oder Interessengruppen.

Anders ist die Entwicklung bei Radio und TV verlaufen: Die Technologie wurde vom Bund konzessioniert. Alle Gebührenzahler bezahlen für die Programme der SRG, was dazu führt, dass die Programme – alle Sender, in allen Landesteilen – zu zwei Dritteln durch Gebühren finanziert sind.

Wer den Journalismus in Basel wie finanziert

Die TagesWoche hat zu ihrem fünfjährigen Jubiläum die einflussreichsten Schweizer Medien im Raum Basel untersucht und dabei ein Augenmerk darauf gerichtet, wer sie finanziert. An den traditionellen Finanzierungsmodellen hat sich bei den Grossen nichts geändert. Nach wie vor gilt: Abo/Leser/Gebührenzahler, Werbung, Stiftungen oder sonstige Geldgeber.

Lesen Sie dazu den Beitrag: So sind die Basler Medien aufgestellt

Warum es schwieriger geworden ist, Journalismus zu finanzieren

Die einfachste Erklärung lautet, in einem Wort: Internet.

Für den Journalismus und seine Verbreitung ist das Internet einerseits ein Segen. Für die Verlage und Journalisten aber will sich eines partout nicht in gleichem Masse einstellen: der Geldsegen. Print-Inserate bringen Geld; Online-Inserate auch, aber in keinem vergleichbaren Umfang. Und: Der Trend scheint nicht umkehrbar, für die meisten.

Die Folgen sind bekannt: Ausdünnung von Redaktionen, Zeitungssterben, Einheitsbrei. Immer mehr Werbegeld geht nicht an klassische Medienunternehmen – sondern direkt an Werbe-Giganten wie Facebook und Google, die immer mehr die Rolle von (schlecht oder gar nicht bezahlenden) Verlagen übernehmen.

Lesen Sie dazu den Beitrag: Facebook frisst die Medienwelt

Facebooks Mission – darin sind sich viele kritische Journalisten einig – ist in letzter Konsequenz zerstörerisch für den Journalismus. Und das nicht zufällig.

Schweizer Medienriesen bauen eigene Daten-Monster

Die grossen Schweizer Verlage wehren sich auf ihre Art gegen die Allesfresser aus den USA. Jeder versucht, vom Werbekuchen so viel wie möglich für sich abzubekommen – und ihn nach Möglichkeit gleich inhouse selbst zu machen, digitale Kundendatensammlung inklusive. Man kopiert einfach das Vorgehen der Giganten auf Schweizer Verhältnisse.

Das ist einerseits verständlich: Die Unabhängigkeit von Google und Facebook am Schweizer Markt ist sicher nicht verfehlt. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum Schweizer Unternehmen an US-Software-Giganten gelangen sollten, um mit ihren Werbungen und Markenbotschaften bei Schweizer Medienkonsumenten präsent zu sein.

Andererseits ist es fraglich, ob die grossen Verlage mit ihrem Vorgehen wirklich im Interesse des Journalismus handeln werden. Sprich: Ob das Geld, das die Verlage so allenfalls verdienen, in publizistische Leistungen gesteckt werden. Oder ob sie sich nicht ebenfalls wie Google oder Facebook verhalten werden – einfach im «Kleinen».

Jedenfalls begann die Swisscom seit Februar 2017 nicht zufällig darüber zu informieren, dass die Daten der privaten Handy-Kunden automatisch für das Werbenetzwerk Admeira (Swisscom, Ringier, SRG) zu verwerten. Wer das nicht will, muss aktiv werden. Admeira ist laut eigenen Angaben mit 280 Mitarbeitenden die «grösste Vermarktungsfirma der Schweiz».

Eine Behauptung, die Tamedia eigentlich nicht auf sich sitzen lassen dürfte: Der mit Abstand einflussreichste und grösste Player im Schweizer Medien-Business ist längst auch zur grössten Vermarktungsfirma der Schweiz avanciert. Bei «Tamedia Advertising» arbeiten 306 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stand 21. April 2017). Und auch bei Tamedia werden längst umfangreiche Datensammlungen und Nutzer-Analysen zu Marketingzwecken erstellt. Der Nutzer der Tamedia-Angebote stimmt dem mit den AGB und der Datenschutzerklärung – analog dem Vorgehen der Swisscom – jeweils automatisch zu.

Medienkrise? Werbekrise. It’s the Verteilung, stupid!

Bei all den Vermarktungs-Riesen, die in der Schweiz am Entstehen sind, muss sich wohl auch die eine oder andere Werbebude langsam Sorgen um die Zukunft machen. Ja, eigentlich müsste man angesichts der Verteil-Schlacht, die um die Werbegelder der Firmen und die Daten der Leserinnen und Leser im Gang ist, auch von einer Werbe- und nicht bloss von einer Medienkrise sprechen.

Zuerst trifft es trotzdem oft den Journalismus: Gerade für Lokalmedien bleibt vom Werbekuchen immer öfter nicht mehr genug übrig. Den teilen sich die grossen Fische auf nationaler Ebene.

Dafür ist auch eine jüngere «Errungenschaft» in der Schweizer Medienlandschaft mitverantwortlich: Die rein werbefinanzierte so genannte «Gratiszeitung». Auch sie hat – aufgrund der Konzentration der Werbemittel auf einige wenige Produkte, Websites und Verlage – für eine massive Veränderung der finanziellen Situation am Schweizer Medienmarkt geführt. Obwohl wir alle – ob wir es wollen oder nicht – die Gratiszeitungen mitbezahlen.

Lesen Sie dazu: Es gibt keine Gratiszeitungen

Stadtgespräch
ist ein aktuelles Projekt, in dem die Leserinnen und Leser uns Anregungen geben, worüber wir schreiben sollen. Im Sinne von: Leser fragen, wir recherchieren.
Wir haben in einem Testlauf 30 konkrete Fragen erhalten und 6 davon ausgewählt. Moment: Was ist mit den anderen 24 Fragen, werden die einfach gekübelt?

Ja, das lässt sich leider nicht vermeiden. Wir sagen Ihnen gerne, weshalb. Lesen Sie hier, wie das alles vonstatten geht.

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*Glauben Sie uns: Das wäre ja eigentlich gar nicht so schwierig. Wenn Sie bei der TagesWoche ein Inserat schalten möchten – im Heft oder online – dann können Sie das hier tun. Es gibt für (fast) alle Bedürfnisse die passende Lösung. Und wenn Sie uns als Leserin oder Leser unterstützen möchten: Das können Sie hier tun. Danke!


Kommende Woche folgt die Antwort auf Frage 3. Die nächste «Stadtgespräch»-Runde starten wir nach der Beantwortung der eingegangen Fragen aus Runde 1. Sie haben also noch etwas Zeit zum Nachdenken!
Ihre Story-Inputs und Ideen nehmen wir selbstverständlich auch sonst entgegen. Sie erreichen uns wie immer per E-Mail unter redaktion@tageswoche.ch.

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