Zu gefährlich: Lokführer fordern Abbruch des Pilotversuchs

Der Streit zwischen Lokführern und SBB eskaliert: Jetzt fordern die Lokführer, dass die SBB den Versuch für mehr Tempo beim Ein- und Aussteigen umgehend abbrechen. Im Interesse der Sicherheit.

Höchste Zeit den Pilotversuch für mehr Tempo beim Ein- und Aussteigen umgehend abzubrechen, finden die Lokführer. (Bild: GAETAN BALLY / Hans-Jörg Walter)

Der Streit zwischen Lokführern und SBB eskaliert: Jetzt fordern die Lokführer, dass die SBB den Versuch für mehr Tempo beim Ein- und Aussteigen umgehend abbrechen. Im Interesse der Sicherheit.

Der Schweizerische Verband der Lokführer (VSLF) fordert von den SBB, den Pilotversuch im Laufental für mehr Tempo beim Ein- und Aussteigen sofort abzubrechen. Im Interesse der Sicherheit und im Interesse von klaren Arbeitsabläufen für das Lokpersonal sei der Versuch umgehend zu beenden, verlangt die Gewerkschaft. «Wir Lokführer sind zuallererst für die Sicherheit verantwortlich. Das Pilotprojekt aber lenkt unsere Aufmerksamkeit genau davon weg», erklärt VSLF-Präsident Hubert Giger gegenüber der TagesWoche.

Vor zwei Tagen erst hatten die SBB das Pilotprojekt im Laufental der Öffentlichkeit vorgestellt. Dank verschiedener Massnahmen sollten die Zugreisenden dazu gebracht werden, rascher ein- und auszusteigen. Dabei kämpfen die SBB um zusätzliche Sekunden, um den Fahrplan zu stabilisieren und Verspätungen zu vermeiden. Für das Pilotprojekt wurden die Bahnhöfe Aesch, Duggingen, Grellingen, Zwingen und Laufen im Kanton Baselland an der einspurigen Strecke Basel-Delsberg ausgewählt. Dort verkehren sowohl Flirtzüge im Regional- wie auch ICN im Fernverkehr, begründeten Vertreter der SBB am Montag in Laufen die Streckenwahl.

Die Neuerung bedeutet vor allem auch für die Lokführer eine Umstellung: Nur mit einer Halteortgenauigkeit der Züge sei es möglich, den Kunden den Einstieg in die Züge zu erleichtern, sagte Philippe Gauderon, Leiter SBB Infrastruktur, vor den Medien. Für die Lokführer gebe es deshalb einen klar definierten Halteort. Den Kunden zeigen die bestehenden Informationssystemen an, wo der Zug anhält.

Lokführer warnen vor Verspätungen und fürchten um die Sicherheit

Und genau dies ärgert die Lokführer. Mussten sie bis anhin an einer von vier Haltetafeln stoppen, müssten sie neu für jeden Bahnhof einzeln berechnen, wo genau sie anhalten müssten. Sie befürchten mehr Verspätungen, einen instabileren Fahrplan und vor allem weniger Sicherheit, weil ihre Aufmerksamkeit absorbiert würde.

Der Lokführerverband ist mit seiner Kritik nicht allein. Auch der Schweizerische Eisenbahnverband kritisiert die SBB ungewohnt deutlich, auch wenn sich der SEV der Forderung nach einem umgehenden Versuchsabbruch nicht anschliessen mag: «Nach dem tödlichen Unglück in Granges sprachen alle über die starke Belastung der Lokführer und jetzt machen ihnen die SBB mit dem neuen Pilotprojekt das Leben noch schwerer», sagt Peter Moor, Pressesprecher des Schweizerischen Eisenbahnverbandes SEV.

Der Lokführerverband findet es gar zynisch nach dem Unfall von Granges, dem Lokpersonal zusätzliche Aufgaben aufzuerlegen. Dass die SBB gleichzeitig zum Pilotversuch im Laufental die Belastung des Lokpersonal extern untersuchen lasse, zeige die Konzeptlosigkeit im Konzern und die falsche Prioritätensetzung.

Die SBB nimmt Stellung zur Kritik des Lokführerverbandes:
– Die Personalkommission des Lokpersonal stehe hinter dem Projekt; sie sei seit Beginn des Projektes miteinbezogen und informiert worden.

– Die Massnahmen, die nun getestet würden, sollten mehr Sicherheit auf den Perrons schaffen. «Es geht hier nicht nur um die Sicherheit der Lokführer, sondern auch für die Kunden. Ein verbesserter Personenfluss auf den Perrons schafft mehr Platz und damit auch mehr Sicherheit für die Reisenden.»

– Beim Flirt in einfacher Komposition (75 Meter Länge) oder in doppelter Komposition (150 Meter Länge) müsse das Lokpersonal immer abschätzen, wo der genaue Halteort liege. Mit dem Versuch, die Sektorentafeln als Halteorte zu benützen, schaffen die SBB mehr Orientierung und gebe zusätzliche Referenzpunkte für das Lokpersonal ab.

– Jeder Lokführer fahre auf einem definierten Streckenrayon von seinem Heimatstandort (Depot) aus. Er kenne die zu befahrenden Strecken mitsamt allen Bahnhöfe wie seine Westentasche. Auf einem Bildschirm würden jederzeit die Strecken- und Bahnhofsgeschwindigkeiten angezeigt.

– Mit dem Projekt komme eine Zusatzinformation auf dem Bildschirm dazu: der genaue Halteort beim nächsten Bahnhof. Es müsse nichts nachgeschlagen werden. Zudem zeige eine LED-Leuchte an der Seite des Perrons dem Lokpersonal den Halteort an. «Das ist ein unterstützendes Hilfsmittel und keine zusätzliche Belastung», so die SBB Medienstelle.

Nächster Artikel