Spielerisch an einem Tiefpunkt angelangt, schrammt der FC Basel an einer Riesenblamage und der ersten Niederlage in der Super League vorbei. Davide Callà trifft in der 90. Minute und gleicht damit die Führung des Tabellenschlusslichts FC Thun durch Matteo Tosetti aus der 35. Minute aus. FCB-Trainer Urs Fischer nimmt kein Blatt vor den Mund und kritisiert so ziemlich alles am Auftritt seiner Mannschaft.
Länderspielpausen kommen einem Clubtrainer nie gelegen. An diesem Sonntag etwa zerstreuen sich 18 Profis des FC Basel in alle Winde, und dabei würde ihnen Urs Fischer doch nur zu gerne umgehend den Kopf waschen nach einer Vorstellung, die er als «mehr als ungenügend» geisselte. «Damit kann ich nicht einverstanden sein. Alles andere wäre Augenwischerei.» Und er versprach seinen Nationalspielern für die Rückkunft in Basel: «Sie werden es noch zu hören bekommen.»
Der späte Ausgleich durch den in der 69. Minute eingewechselten Davide Callà, einem entschlossenen Schuss aus spitzem Winkel zwischen die Beine des bis dahin unüberwindlich erscheinenden Guillaume Faivre, rettete dem FCB einen sehr glücklichen Punkt. Ein Remis, das Fischer trotz seiner Generalkritik als «über 90 Minuten gesehen absolut in Ordnung» bezeichnet, da seine Mannschaft nach Seitenwechsel «ein bisschen engagierter» (Fischer) zu Werke gegangen sei.
Spielerisch am Tiefpunkt
Zu mehr Relativierung war der Trainer nicht bereit nach einem Abend, an dem der FCB spielerisch an einem Tiefpunkt angelangt ist. Neun Siege hatte er im ersten Quartal aneinandergereiht, vollends zu überzeugen hatte er jedoch kaum einmal gewusst. Es waren Spiele darunter, in denen er nach gutem Start und Toren den Betrieb weitgehend einstellte, und solche, bei denen er erst mit Verspätung auf Betriebstemperatur gekommen war. Zu drei Punkten hatte das allemal gereicht.
Gegen Thun verhinderte Callàs Treffer die erste Niederlage in der Super League in extremis. Sechs Jahre ist es her, dass der von Murat Yakin trainierte FC Thun seinen ersten und bisher einzigen Sieg im Joggeli erringen konnte. Dennis Hediger und Stefan Glarner waren damals bereits dabei, und so nahe standen die Berner Oberländer schon lange nicht mehr vor einer Wiederholung, die angesichts der aktuellen Tabellensituation eine mittlere Sensation dargestellt hätte.
Ein mutiges und aufsässiges Thun
Thuns aktueller Trainer Jeff Saibene konnte sich denn auch nicht recht entscheiden: «Auf der einen Seite bin ich stolz auf die Leistung der Mannschaft. Auf der anderen Seite herrscht ein riesiger Frust, wenn man in der letzten Minute den Ausgleich kassiert. Der Sieg wäre nicht gestohlen gewesen.»
Die Thuner wirkten auf dem Platz jedenfalls nicht wie ein hoffnungsloses Tabellenschlusslicht, als das sie nach Basel gefahren waren. Aufsässig präsentierten sie sich in ihrer 4-4-2-Grundordnung, die, wenn sie den Gegner hoch pressten, ein mutiges 4-2-4 war. Hediger traf schon in der fünften Minute mit einem mächtigen Schuss die Querlatte und der wieselflinke Christian Fassnacht in der elften Minute das Tor aus bester Abschlussposition nicht.
Fischer: «Mehr als ungenügend»
Unter diesem Eindruck, und angesichts eines pomadigen FCB schwante dem Aussenstehenden da bereits, dass es drei Tage nach der Lehrstunde in der Champions League ein mühsamer Abend für den Meister werden könnte. Urs Fischer hatte ordentlich durchgemischt, hatte Bjarnason, Steffen und Doumbia eine Pause gegeben, auf Zuffi (Achillessehnenentzündung) verzichten müssen und einigen Akteuren eine Bewährungschance gegeben.
In der Abwehr besetzte Daniel Hoegh erstmals in dieser Saison von Beginn an den linken Innenvereidigerposten, im Mittelfeld kam Alexander Fransson neben Xhaka zum Zug, und vorne brachte Fischer ebenfalls frische Kräfte. Marc Janko begann in der Spitze, Mohamed Elyounoussi auf dem linken Flügel, und rechts gab Kevin Bua sein Super-League-Debüt im Trikot des FCB.
Was Fischer von dieser Zusammensetzung zu sehen bekam, beurteilte er in der ersten Halbzeit als «mehr als ungenügend». Nebst ein paar Halbchancen kam der FCB in der 26. Minute zur besten Torchance: Elyounoussi hatte an der Strafraumkante bereits Goalie Faivre umspielt, traf dann aber nur das Aussennetz.
Eine Szene, die das mühsame Spiel des FCB vielleicht hätte befruchten und beschleunigen können. Janko besass noch eine Kopfballchance, die eine Beute Faivres wurde (33.), und dann kam die kalte Dusche: Ein langer Ball Bürkis, eine abermals schlechte Verteidigungsarbeit von Adama Traoré und auch Marek Suchy – und Matteo Tosetti – wahrlich kein Theo Walcott – enteilte quer durch den Strafraum und konnte weitgehend unbehelligt abschliessen.
Fischer geht mit Mannschaft hart ins Gericht
Urs Fischer suchte nach dem Spiel keine Ausreden («Obwohl ich viele Gründe anführen könnte»), ging mit seinen Spielern ins Gericht und bemängelte vor allem ihre Einstellung: «Ein ganz schlechter Auftritt, vor allem in der ersten Halbzeit. Die Bereitschaft hat gefehlt, und wir haben jegliches, was zum Fussball gehört, vermissen lassen.»
«Wenn man Bereitschaft nicht an Tag legt, verdient man nicht mal ein Unentschieden», sagte Fischer auch noch, und dürfte dennoch einigermassen erleichtert sein, dass ihm die erste Saisonniederlage unter peinlichen Umständen erspart geblieben ist. Und Jeff Saibene meinte zum Abschied: «Ein Punkt in Basel ist trotzdem immer ein schöner Punkt.» Um den FC Thun sollte man sich in dieser Verfassung eigentlich keine grossen Sorgen machen müssen; um den FCB mit seinen hohen Ansprüchen schon mehr.
Vor dem Spiel:
» Zurück in die Komfortzone Super League: Unsere Vorschau auf das Heimspiel gegen Thun
» Im Nachgang der Champions League bei Arsenal: Die abenteuerliche Trainerdebatte
» Und als Appetitanreger aus unserer Reihe «Tore, die Sie nicht verpassen dürfen»: Der 60-Meter-Hammer von U19-Junior Eray Cümart gegen Arsenal