Eines kann man dem Basel zugeneigten Publikum attestieren: Der Verlust des Meistertitels wird mit Haltung hingenommen. Darauf konnte man sich einerseits schon seit einigen Wochen einstellen. Und es soll ja andererseits nicht wenige erfolgsmüde FCB-Fans gegeben haben, die bereits vor Jahresfrist und vor dem Hintergrund des grossen Führungswechsels im Klub ein Jahr ohne Titel in Betracht zogen. Inklusive einer reinigenden Wirkung für die verwöhnte Seele und dem Aufbau eines neuen Erfolgshungers.
Der Meisterpokal wandert also nach Bern weiter, die Cup-Trophäe möglicherweise auch noch. Und während die Young Boys ihren Meisterkater auskurierten, trat der FCB gegen Thun so dominant auf, wie er das kommende Saison wird tun müssen, wenn er die Nummer 1 wieder für sich reklamieren will.
25’229 Tickets hatte der FCB für diese Partie verkauft, vielleicht etwas mehr als die Hälfte der Käufer und Käuferinnen machten auch Gebrauch davon und wurde bestens unterhalten von einem FC Basel, der leichtfüssig zum höchsten Saisonsieg kam, ein paar sehr schöne Tore erzielte und nicht locker liess. Und dies gegen Berner Oberländer, die angesichts ihrer bedrohlichen Lage im Tabellenkeller viel zu wenig Widerstandskraft auf den Rasen bekamen.
Was sich in der Reihe von nun neun Spielen ohne Niederlage mit sechs Siegen, drei Remis rein zahlentechnisch festhalten lässt, schlug sich auf dem Platz in flüssigen Kombinationen, Spielwitz und Zug zum gegnerischen Tor nieder. 28 Schüsse, zehn davon aufs Gehäuse des bemitleidenswerten Guillaume Faivre geben berede Auskunft über die Basler Spielfreude. Sechs FCB-Tore – das gab es letztmals im November 2016 bei einem 6:0 im Joggeli gegen Vaduz.
Die Zukunft besichtigt
An diesem letzten Aprilsonntag gab es zu besichtigen, wie die Zukunft des FCB ungefähr aussehen könnte. Mit einem Samuele Campo im zentralen Mittelfeld, der seine bisher beste Leistung seit der Rückkehr im Winter nicht nur mit seinem ersten – von Fabian Frei fabelhaft vorbereiteten – Tor für die Profis krönte. Sondern weil er auch noch das 4:1 für Ricky van Wolfswinkel auflegte und für das kreative Element sorgte, das man sich von seinem linken Fuss verspricht.
Den Altersdurchschnitt des Teams senkte ausserdem das Startelf-Debüt von Neftali Manzambi, der am vergangenen Montag seinen 21. Geburtstag hatte. Ein halbes Jahr wurde an der Umfunktionierung des Mittelstürmers zum rechten Flügelspieler gearbeitet, und er machte seine Sache als rechter Aussenverteidiger anstelle des gesperrten Michael Lang ordentlich.
Er machte es in der 47. Minute sogar noch besser, als er plötzlich in der gewohnten Position des Mittelstürmers auftauchte – und mit einem perfekten Schuss aus 18 Metern in den Torwinkel traf.
«YB isch nervös»
Dieses 3:1 gab den Thunern bereits den Rest. Kurz vor der Pause waren sie aus heiterem Himmel zum Anschlusstreffer gekommen, weil Marek Suchy etwas gar sorglos Dejan Sorgic nicht am Torschuss hatte hindern können.
So war es vom Dosenöffner, dem trockenen Flachschuss Valentin Stockers in der siebten Minute, bis zur Doublette des eingewechselten Albian Ajeti ein Spiel wie aus einem Guss des FCB. Sehr zur Freude der Anwesenden. Und das 5:1 eine Viertelstunde vor Schluss wurde mit einem heiter-selbstironischen «YB isch nervös» aus der Muttenzerkurve quittiert.
Der Appell der Muttenzerkurve an die Klubführung
Diese Fans in der Kurve haben sich mit einem breitflächig im Stadion gestreuten Flugblatt erneut gegen die «E-Sport»-Aktivitäten des FC Basel ausgesprochen sowie die aktuelle «unsägliche Eckball-Werbemelodie» angeprangert. Und sie schreiben der Klubführung ins Stammbuch, die Menschen nicht bloss «auf zig Plattformen digital und mit irgendwelchen Goodies zu bewegen». Sie fordern von ihrem Klub, der FCB müsse «erlebbar sein, zum Anfassen, real und auch mehr als die 90 Minuten im Stadion».
Die 90 Minuten gegen Thun und das 6:1 sind jedenfalls aus dem Stoff, der «Begeisterung» wecken kann und das «Fieber», das den organisierten Fans in ihrer Fussballstadt derzeit fehlt. Für den FCB bedeutet das Resultat Platz 2, womit feststeht, dass er am 19. Juni, wenn die erste und zweite Qualifikationsrunde zur Champions League ausgelost wird, ungefähr weiss, was Ende Juli auf ihn zukommen wird. Dann wird der Faden einer neuen Geschichte aufgenommen.
Die Trainermonologe: «Die Young Boys waren die Besten – und wir wollen nächste Saison wieder ganz zuoberst sein»
Raphael Wicky, FC Basel:
«Es war ein super Spiel der gesamten Mannschaft. Es war sehr erfreulich, wie sie in das Spiel gestartet ist, mit grosser Ruhe und Sicherheit am Ball. Und natürlich hilft es immer, wenn man sofort ein, zwei Tore schiesst. Aber es war über 90 Minuten ein sehr guter Match mit extrem vielen Torchancen, mit vielen Offensivaktionen und hoher Konzentration.
Das ist der Mannschaft hoch anzurechnen, wenn man weiss, was am Abend vorher in Bern passiert ist. Nach vorne geht definitiv nichts mehr, auf Platz 3 sollte auch nichts mehr passieren, und dann ist man ein bisschen im Niemandsland. In dieser Situation hat die Mannschaft gezeigt, dass wir jeden Match ernst nehmen.
Und dann war es heute unglaublich schön vor diesen Fans zu spielen, für die es auch ein ungewöhnlicher Moment war und die uns positiv unterstützt haben. Merci dafür.
Den Young Boys gratuliere ich zur Meisterschaft. Sie haben es verdient, das muss man so sagen. YB war über die gesamte Saison gesehen die stabilste Mannschaft und hat sich damit diesen Titel verdient. Sie waren die Besten – und wir wollen nächste Saison wieder ganz zuoberst sein.»
Marc Schneider, FC Thun:
«Das Ergebnis und unser Auftritt sind sehr ernüchternd. Wir haben zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd Zugriff gehabt. Basel hat es gut gemacht, wir haben es dem Gegner aber auch zu einfach gemacht und die Gegentore zum Teil selbst eingeleitet.
Dieses 1:6 kommt mir viel schlimmer vor als das 2:7 vor ein paar Wochen in Sion. Die Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, wird thematisiert werden. Das können wir im Abstiegskampf nicht gebrauchen. Es geht ums Überleben, und da muss die Körpersprache eine andere sein. Vielleicht war die Lausanne-Niederlage am Samstag Anlass für die Mannschaft, durchzuschnaufen, aber wenn man dann so auftritt, viel zu ängstlich, dann kann es so rauskommen.»
Die Aufstellung: Manzambi ersetzt den gesperrten Lang
Zum ersten Mal spielte Neftali Manzambi von Beginn an in der ersten Mannschaft. Von Haus aus Mittelstürmer ersetzte der 21-Jährige auf der rechten Abwehrseite den gesperrten Michael Lang. Fabian Frei kam erneut in der Innenverteidigung zum Einsatz, obwohl Eder Balanta wieder zurück im Kader war und zum ersten Mal seit seiner Verletzung auf der Bank Platz nahm.
Ebenda sass zum ersten Mal auch Antonio Signori, der 23-jährige angolanische Torhüter, den die Basler im Januar als Back-up verpflichtet hatten. Die eigentliche Nummer 2 im Tor, Mirko Salvi, wurde verletzt gemeldet.
Nach der Pause rückte Raoul Petretta für den gesundheitlich angeschlagenen Geoffroy Serey Dié ins zentrale Mittelfeld; der eingewechselte Blas Riveros agierte auf seiner gewohnten Position links in der Abwehr.
FC Basel (4-2-3-1): Vaclik – Manzambi, Suchy, Frei, Petretta – Serey Dié (46. Riveros), Zuffi – Stocker (76. Oberlin), Campo, Elyounoussi – van Wolfswinkel (67. Ajeti).
Bank: Signori (Tor), Lacroix, Balanta, Riveros, Bua, Oberlin, Ajeti.
Beim FC Thun nahm Marc Schneider drei Veränderungen zum Auswärtssieg in St. Gallen (1:0) vor. Stefan Glarner musste gesperrt zusehen, für ihn verteidigte Chris Kablan. Ausserdem rückten der letzte Woche gesperrte Marvin Spielmann, Thuns bester Torschütze mit zwölf Treffern, sowie Matteo Tosetti wieder in die Startelf der Berner Oberländer.
FC Thun (4-1-4-1): Faivre – Kablan, Gelmi, Righetti, Facchinetti – Hediger – Tosetti (65. Ferreira), Lauper, Karlen (80. Huser), Spielmann (69. Hunziker) – Sorgic.
Bank: Ruberto (Tor), Ferreira, Da Silva, Huser, Sutter, Hunziker, Joss.