Tage des steten Auf und Ab hat der FC Basel hinter sich. Das deprimierende Spiel in St. Gallen (1:2), den zarten Aufwind gegen den FCZ (1:0), das euphorisierende Spektakel gegen Benfica (5:0), die niederschmetternde Diagnose für Torjäger Ricky van Wolfswinkel (Mittelfussbruch) und das magere Unentschieden bei den Grasshoppers (0:0). Marco Streller ist sich dabei vorgekommen wie zwischen «Himmel und Hölle».
Als der Sportchef des FC Basel sich am Montagabend zum Durchschnaufen mit der Familie in die Berge begab, war die letzte mögliche Reaktion auf dem Spielermarkt unter Dach und Fach. Albian Ajeti kehrt zum FCB zurück, dorthin also, wo er durch sämtliche Stufen der Jugendausbildung gegangen war.
Mit dem 20-Jährigen wird die Hoffnung verbunden, die Lücke schliessen zu können, die van Wolfswinkels Ausfall ins Kontor geschlagen hat. Damit wurden im zweiten Anlauf Nägel mit Köpfen gemacht, nachdem eine Annäherung im Sommer zwischen dem FCB und dem FC St. Gallen, der Ajeti erst im Frühjahr definitiv vom FC Augsburg übernommen hatte, noch nicht zum gewünschten Ziel geführt hatte.
«Das war keine Panik-Attacke. Albian Ajeti ist das letzte Puzzleteil», FCB-Sportchef Marco Streller
Weil man aufgrund der Vorgeschichte mit den Ostschweizern nicht mehr bei Adam und Eva in den Verhandlungen anzusetzen brauchte, kam ein Deal «zu fairem Preis und ohne grosse Preissteigerung» (Streller) heraus. Man darf von einer Ablöse unter drei Millionen Franken an die St. Galler ausgehen sowie der üblichen Beteiligung, sollte Ajeti wiederum aus seinem Fünfjahresvertrag beim FCB vorzeitig herausgekauft werden.
Am letzten Tag des nationalen Transferfensters kam dieser Wechsel zustande, durch die Umstände erscheint er aus der Not geboren, doch Streller pocht darauf: «Das ist keine Panik-Attacke.» Er sieht das grosse Bild, sagt, dass es der Situation geschuldet sei, Cedric Itten früher als geplant aus Luzern zurückbeordert und nun eben auch Ajetis Rückkehr forciert zu haben.
«Das passt super in unser Konzept, vorne sind wir jung und Albian Ajeti ist wie das letzte Puzzleteil.» Damit stellt der FC Basel in der U21-Nationalmannschaft quasi den kompletten Sturm (Dimitri Oberlin, Itten, Ajeti) und hinzu kommt Dominik Schmid.
Durch die harte Schule des Bundesliga-Alltags
Dass der FCB einst etwas über eine halbe Million vom FC Augsburg für Ajeti bekam und nun ein Vielfaches draufzahlen muss, rechtfertigt sich für Streller: «Albian ist nicht mehr der gleiche Spieler. Er musste in der Bundesliga durch die harte Schule des Trainingsalltags, er hat sich die Hörner abgestossen und Demut gelernt.»
Mit seinen zehn Toren (in 29 Super-League-Einsätzen) half Ajeti vergangene Saison in St. Gallen, den Abstieg zu vermeiden. Drei Treffer in sieben Spielen sind es in der laufenden Saison und machen den Stürmer aus Strellers Sicht bereits zu einem «gestandenen Super-League-Spieler, der mit 20 Jahren allerdings noch nicht fertig in seiner Entwicklung ist».
Albian Ajeti und die Nationalmannschaft: Entscheidung für die Schweiz ist gefallen
Im Juni war Albian Ajeti drauf und dran, erstmals von Vladimir Petkovic für die A-Nationalmannschaft nominiert zu werden. Auf den grossen Moment muss der 20-Jährige zwar vorläufig noch warten, doch gemäss seines Vaters Afrim Ajeti hat sich sein Sohn entschieden, für welches Land er spielen möchte: die Schweiz. «Wir haben mit der Führung der Nationalmannschaft gesprochen, und die Entscheidung ist definitiv.» Mit einem Einsatz in der A-Nationalmannschaft in einem Wettbewerbsspiel ist die Zuordnung zu einem Landesverband dann auch endgültig.
Im Gegensatz zu Albian Ajeti hat sich der ältere Bruder Arlind (24), einst ebenso beim FC Concordia entdeckt und beim FC Basel grossgeworden, für das Land seiner Eltern entschieden. Er figuriert neben Taulant Xhaka auch wieder im Aufgebot Albaniens für die kommenden Länderspiele. (cok)
Überzeugt ist Streller sowieso von den Qualitäten Ajetis, der im Kleinbasel zusammen mit Zwillingsbruder Adonis (FC St. Gallen) und dem ältesten Bruder Arlind (derzeit von Torino an Crotone in der Serie A ausgeliehen) gross geworden ist. Streller und Ajeti standen vor zweieinhalb Jahren noch gemeinsam im Kader des FCB. Hier der ungeduldige Jüngling Ajeti, dort der alte Hase Streller. Streller erinnert sich: «Albian ist wie Alex Frei oder ich es waren: Er kann nicht verlieren. Wenn er ein Trainingsspiel verliert, kann er sich richtig aufregen. Und diese Attitüde liebe ich an ihm.»
Für die Familie Ajeti ist die Heimkunft des stürmischen Sohnes wie ein Happy End. Während Albian Ajeti nach der Vertragsunterzeichnung in Basel gleich weiterreiste zur U21-Nationalmannschaft nach Lugano, sagt Vater Afrim voller Stolz: «Die ganze Familie ist glücklich, dass Albian den Weg zurück gefunden hat.»
«Ich gehe einig mit dem damaligen Vorstand: Die Konkurrenz war zu gross.» – Vater Afrim Ajeti
Und er erzählt noch einmal von dem Umweg, der dafür genommen werden musste. Wie es war um den Jahreswechsel 2015/16, als man sich nicht über eine Vertragsverlängerung des Juniors mit dem FCB verständigen konnte. Eine «kleine Enttäuschung» sei das gewesen, sagt Afrim Ajeti, «aber ich gehe einig mit dem damaligen Vorstand, mit Bernhard Heusler und Georg Heitz, dass die Konkurrenz damals zu gross war.»
Übel genommen hat er das nicht («auf keinen Fall»), dann kam das Angebot des FC Augsburg. Jetzt ist Albian zurück, bezieht zu Hause in Muttenz, wo sich die Familie ein Haus gekauft hat, wieder ein Zimmer, «und darüber ist die Mama sehr glücklich», sagt der Vater.
Das Nein der Mutter zu Barcelona
Jene Mutter also, die nur bedingt begeistert war, als die Zwillinge Albian und Adonis im U15-Alter ein Probetraining in der Fussballschule des FC Barcelona absolvierten. Sie erachtete es für die Söhne als besser, beim FC Basel zu bleiben – und ihr Machtwort setzte sich durch.
Am 13. März 2014, Albian Ajeti war gerade 17 geworden, debütierte er für den FCB unter Trainer Murat Yakin in der Europa League gegen Salzburg. Zwei Monate später erzielte er in seinem zweiten Super-League-Spiel sein erstes Tor für den FCB.
Nun lastet nicht wenig Erwartung auf den Schultern des giftigen, 1,83 Meter grossen Strafraumstürmers. Nach dem Ausfall des Routiniers van Wolfswinkel geht der FC Basel die Phase bis Weihnachten mit einem Babyangriff an. Oberlin, Itten und Manzambi sind ebenfalls 20, Pululu ist erst 18. «Ich vertraue ganz auf Albian», sagt der Vater, «und ich weiss, was er dem FC Basel liefern kann.»
«Die Tabelle anschauen zu müssen, macht mich wahnsinnig» – Marco Streller
Mit ähnlichem Optimismus sieht das Sportchef Streller und die Investition in Ajeti: «Wir sind überzeugt von unserem Weg, und wir haben Vertrauen in die Jungen. Schwankungen wird es immer geben, aber ich lasse mir die Mannschaft nicht schlecht reden. Was in ihr steckt, hat sie gegen Benfica gezeigt.»
Dass man bei der Erneuerung auch durch das «Tal der Tränen» (Streller) gehen muss, hat er Sportchef akzeptiert. Und er setzt neben dem Glauben an die Qualitäten des Kaders auf das Publikum: «Der Basler ist kritisch, aber treu. Und er lässt sich in Begeisterung versetzen.»
Die acht Punkte Rückstand in der Super League auf die Young Boys (Streller: «Auch die hatten Pech mit der Verletzung von Guillaume Hoarau») schmerzen allerdings: «Die Tabelle zwei Wochen anschauen zu müssen, macht mich wahnsinnig. Deshalb schaue ich sie mir auch nicht an.»
Es ist keine Frage: Den Lauf der Young Boys nehmen sie beim FC Basel ernst. Deshalb macht sich Streller selbst etwas Mut: «Ich weiss, wie schnell das auf die andere Seite kippen kann. Und am Ende wollen wir Meister werden.»