Basler Biedermänner

Das 1:1 gegen Xamax legt einmal mehr offen, dass es dem FC Basel an Qualität, an spielerischem Esprit, aber auch an Mentalität fehlt. Und was der Trainer und der Sportdirektor nach dem Spiel sagen, deutet darauf hin, dass ein paar Grundsatzdebatten im Gange sind.

Marco Streller hat begriffen, wie die Chose laufen kann. «Es hätte zu unserer Situation gepasst, wenn der Sonntagsschuss noch ins Torkreuz geht.» Max Veloso verfehlte das Ziel in der 82. Minute knapp, eine weitere Blamage ist dem FC Basel erspart geblieben, doch das magere 1:1 gegen das Tabellenschlusslicht muss sich für ihn dennoch anfühlen wie eine Niederlage, weil die Mannschaft von Marcel Koller gegen Xamax ein weiteres Mal weit unter den Erwartungen geblieben ist und nur eine biedere Kopie vorhergehender Enttäuschungen ablieferte.

Wie das Dargebotene zu bewerten ist, darüber herrscht einigermassen Einigkeit im Basler Lager. Der Trainer sagt: «Wir haben kein gutes Spiel gezeigt. Wir waren uninspiriert, haben zu viele Fehler gemacht, wir waren nicht geschlossen, nicht kompakt.» Und der Sportdirektor findet: «Ein 1:1 daheim gegen Xamax ist zu wenig. Die Leistung war enttäuschend und wurde zu Recht mit Pfiffen quittiert.»

Man meinte, Streller heraushören zu können, als es unmittelbar nach Spielschluss im Bauch des St.-Jakob-Parks sehr laut wurde im Gang zur FCB-Garderobe. «Natürlich ist die Stimmung schlecht», versuchte Streller erst gar nicht, den Nachmittag in Watte zu packen, «jeder hat die Verantwortung abgeschoben – so kann man kein Spiel gewinnen.»

24’605 Zuschauer inklusive Roger Federer und abzüglich der üblichen No-Shows erlebten eine erste Halbzeit, in der die Gastgeber ein kleines Chancenplus besassen, Xamax ein durchaus möglicher Penalty versagt blieb (Cömert an Nuzzolo) und Albian Ajeti eine Premiere bei seinem fünften Saisontor gelang: der erste Kopfballtreffer des FCB in dieser Saison.

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Streller hat eine schöne Formel für diese 45 Minuten gefunden: «Das war – aufgerundet – okay. Aber auch nicht mehr.» Dass dem 35-jährigen Raphael Nuzzolo (Streller: «Ein Schlitzohr und immer für ein Tor gut») bald nach Seitenwechsel sein zehnter Skorerpunkt (Liga-Spitzenwert) gutgeschrieben wurde, überraschte nicht. Xamax spielte seine 5-3-2-Verteidigungsordnung sehr solidarisch und löste sich geschickt. Das Basler Spiel dagegen wirkte je länger es ging, desto stumpfer.

Der besorgniserregende Befund

Und der FCB verfiel in das sich ständig wiederholende Muster: Er kassiert sein obligates Gegentor, lässt sich dadurch verunsichern und findet den ohnehin dünnen Faden nicht mehr. Bezeichnend ist, dass er gegen den Aufsteiger nur noch eine gute Möglichkeit zum 2:1 besass – eine Mehrfachchance, bei der Mike Gomes auf der Linie rettete. Das war fünf Minuten nach dem Ausgleich. Die restliche halbe Stunde: Fehlanzeige. 

Der Befund, den Streller und Koller vorlegen, ist besorgniserregend. Der Sportdirektor meint: «Das war in der zweiten Halbzeit ein bisschen lethargisch. Mir hat der absolute Wille ein bisschen gefehlt.» Das «bisschen» könnte man auch aus dem Protokoll streichen. Eine Erklärung für mangelhafte Leidenschaft hat Streller nicht («Das ist mir schleierhaft») und die fehlenden, verletzten Spieler will er nicht als Ausrede ins Feld führen: «Bei allem Respekt vor dem Gegner darf man als FC Basel auch mit einer umgebauten Abwehr ein Heimspiel gegen Xamax gewinnen.»

Doch dafür ist diese Mannschaft zu bieder, bringt sie zu wenig Qualität auf den Platz und diejenigen, die den Leistungsnachweis schon einmal erbracht haben, wirken ohne Esprit und ohne Fortune, wie Fabian Frei, der den Flankenball vor dem 1:1 abfälscht und so erst gefährlich macht. Nationalspieler wie Geoffrey Serey Dié, die eine weite Reise hinter sich haben, finden ebensowenig ins Spiel wie einer wie Ricky van Wolfswinkel, der keine Kilometer als Abbitte vorbringen kann.

Ein ernüchterndes Zeugnis

Kollers Argumentationskette geht noch viel weiter als jene des Sportdirektors. In Bezug auf die Nationalspieler sagt er: «Offenbar reichen zwei Tage nicht, um den Fokus neu auszurichten. Es gibt Spiele, in denen man Probleme hat, in denen man nicht gut drauf ist. Schwierig wird es, wenn das bei über der Hälfte der Mannschaft der Fall ist.» Zur generellen Leistungsbereitschaft sagt er: «Regelmässig Topleistung abrufen zu können, das ist natürlich auch eine Aufgabe, über die du dir als Spieler selbst Gedanken machen musst. Wie sieht es mit dem eigenen Antrieb aus, mit der Leidenschaft, alles rauszuhauen?»

«Wir sind immer noch auf der Suche danach, was diese Mannschaft braucht.»

FCB-Trainer Marcel Koller

Es ist ein ernüchterndes Zeugnis, das Koller seiner Mannschaft nach elf Runden und Zwischenrang 4 ausstellt. Und das nach einem Spiel, mit dem man ein «kleines Zeichen» setzen wollte, wie Streller sagt: «Wir müssen überhaupt nicht von der Meisterschaft sprechen. Aber nach den letzten Resultaten von YB hätten wir trotzdem zeigen können, dass wir noch da und wieder ein bisschen näher dran sind. Wir erwarten momentan keine Galavorstellungen, sondern einfach Siege.»

Suchender, Rätselnder: FCB-Trainer Marcel Koller.

In Tat und Wahrheit ist der FCB weiter weg denn je. Und der seit Anfang August waltende Cheftrainer macht eine Front auf, die absehbar war und auf den Kern des «Für-Immer-Rotblau»-Konzepts zielt: «Es soll keine Ausrede sein, aber am Schluss standen wir mit sechs Spielern auf dem Platz, die um die 20 Jahre alt sind.» Denen, so seine Conclusio, hätte die Erfahrung gefehlt, die Partie «zu Ende zu spielen», sprich: mit Erfolg zu krönen.

Die eingewechselten Afimico Pululu und Dimitri Oberlin passten sich sogleich dem Trott des Restes an und eine mikroskopisch immerhin erkennbare Belüftung auf dem rechten Flügel kam lediglich von Aldo Kalulu.

Es sind Grundsatzdebatten im Gang

Die Klubpolitik ist Koller bewusst, «aber ich weiss als Trainer auch, dass jüngere Spieler auf höherem Level mehr Zeit brauchen. Auf der einen Seite ist da der Anspruch beim FC Basel mit all den Erfolgen der letzten Jahre, und auf der anderen finden wir hier junge Spieler vor, die talentiert sind, die aber auch Zeit benötigen. Das braucht Geduld. Ich habe sie als Trainer. Wichtig ist, dass man das irgendwann mal erkennt.»

Man merkt: Da sind Grundsatzdebatten im Gange. Noch will niemand den «Stab brechen» über Mannschaft und einzelne Spieler, wie Trainer und Sportdirektor unisono sagen. Aber Streller deutet Konsequenzen an: «Wir haben in den zurückliegenden Monaten gewisse Erkenntnisse gewonnen.» Und Koller reklamiert neben der Mentalität in seiner Mannschaft die «Führungsaufgaben», was sich weniger an die Novizen im Kader richtet, sondern an jene mit den gefüllten Rucksäcken.

Nach knapp zwölf Wochen in Basel klingt Koller nicht sehr ermutigend, wenn er für sich und sein Trainerteam feststellt: «Wir sind immer noch auf der Suche danach, was diese Mannschaft braucht. Das braucht leider noch Zeit. Und dann ist es auch korrekt, wenn die Zuschauer unzufrieden sind und pfeifen – weil es nicht gut war.»

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