Der FCB muss sich aufs Äusserste gefasst machen

Der Cup-Halbfinal an diesem Dienstag in Bern hat für den FC Basel in vielerlei Hinsicht bereits finalen Charakter. 

«Druck mache ich mir selbst am meisten.» – FCB-Trainer Raphael Wicky, hier an einem kalten Dezember-Tag in Zürich, vor dem meteorologisch frostigen Cup-Abend in Bern.

Jetzt könnte die Zeit anbrechen, in der sich die Anhänger des FC Basel tatsächlich damit beschäftigen müssen, was schon sehr lange nicht mehr passiert ist: Ein año blanco, wie es in Spaniens Fussball heisst, ein Jahr in Weiss. Ein Jahr ohne Titel.

Einen Halbfinal im Schweizer Cup ist der FCB davon entfernt, seine Titelverteidigung aufrechtzuerhalten – oder zu scheitern in Bern. Ausgerechnet also gegen den Dauerrivalen, der in der Super League enteilt scheint, sich anschickt, die Basler abzulösen und eine 32 Jahre währende Berner Sehnsucht nach dem Kübel zu stillen. Am späten Dienstagabend könnte es für Basel heissen: Cup weg, Meisterschaft fast weg und eine Ära vor dem Ende.

Was das für Konsequenzen beim FCB zeitigen wird, ist noch nicht abzuschätzen. Ihre Saisonziele hat die neue Klub- und Mannschaftsführung maximal abgesteckt, und ihr Konzept mit dem Slogan «Für immer Rotblau» ist auf drei Jahre ausgelegt. Aber Zeit ist im Fussball eine kostbare Währung. Und nur schon ein zweiter Platz wird dem FC Basel als Misserfolg ausgelegt werden. Zumindest in der Restschweiz. Und in der Stadt wird sich weisen, wie stark die Kräfte tatsächlich sind, die nach Jahren ausserordentlicher und zuletzt eintöniger Dominanz ein Scheitern hinnehmen können und daraus frische Lust und Energie gewinnen.

Mit einem solchen Szenario setzt man sich in Basel nicht erst dieser Tage auseinander. Und weil die Fans den finalen Charakter spüren, der dem Halbfinal in Bern innewohnt, hat eine etwa 200-köpfige Abordnung aus der Muttenzerkurve der Mannschaft beim sonntäglichen Training im Campus einen Besuch abgestattet. Mit Transparenten, Pyros und Gesängen:

«Das ist Aufmunterung und ein Ansporn, zeigt aber auch, dass die Fans etwas erwarten von uns», sagt Raphael Wicky, «es wird ein schwieriges Spiel in Bern, aber die Mannschaft wird sich zerreissen, und das erwarte ich auch von ihr.»

«Vielleicht ist es genau das Spiel, das wir brauchen.»

Marco Streller, FCB-Sportdirektor

Für den Basler Cheftrainer ist der Halbfinal ein «Big Game», ein Spiel, «bei dem die ganze Schweiz zuschaut» (live in SRF2 ab 20.15 Uhr). Sie wird den Krösus, den Alles-Gewinner, entweder fallen sehen oder sich erheben nach den jüngsten Tiefschlägen. Nach der klaren Abfuhr in der Champions League und nach zwei weiteren Heimniederlagen in der Super League, bei denen dem offensiv aus dem Tritt geratenen FCB kein einziges Tor gelang.

Wechsel im Basler Tor: Tomas Vaclik (rechts, hier beim 1:1 gegen YB mit Guillaume Hoarau und Marek Suchy) löst Cup-Goalie Mirko Salvi ab.

Vorfreude, Anspannung oder Druck? «Von allem etwas» spürt Marco Streller. Zum ersten Mal steht er in seiner neuen, verantwortlichen Rolle beim FCB vor einem «Alles-oder-Nichts-Spiel», und der Sportdirektor des FCB sieht sich dem Gefühl ausgeliefert, selbst nichts mehr bewegen zu können. «Wenn das Transferfenster geschlossen ist, ist der Einfluss gleich null.»

«Das Momentum spricht für YB: der Heimvorteil, der Kunstrasen, die Form», sagt Streller, «und ich will nicht ein Understatement machen, denn wir sind immer noch der FC Basel. Aber in der jetzigen Situation ist es für uns vielleicht einfacher, nicht als der Favorit in die Partie zu gehen. Vielleicht ist es genau das Spiel, das wir brauchen.»

Die mentale Auswirkung des Cup-Abends

Von dem Abend in Bern, vom 32. Halbfinal in der Geschichte des FCB mit bisher 22 Siegen und neun Niederlagen, könnte sehr viel ausgehen. Auch wenn Wicky («Druck mache ich mir selbst am meisten») vordergründig nichts wissen will von einer Vermischung von Cup und Meisterschaft. «Man kann viel in dieses Spiel hineininterpretieren, aber egal, wie es ausgeht, es gibt keine Punkte für die Meisterschaft.»

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Wie sein Sportdirektor negiert Wicky jedoch nicht den mentalen Einfluss, den das Ergebnis auf das Rennen in der Super League nehmen könnte. Basel im Halbfinal zu schlagen – so wie im letzten Aufeinandertreffen im Schweizer Cup 2009 – würde die Berner Brust noch breiter machen, als sie ohnehin schon erscheint.

Umgekehrt könnte das jedoch genauso gelten. Bei einer Berner Niederlage werden über Jahrzehnte eingenistete Versagensängste hervorkriechen. Und in Basel würde Wickys erster Sieg gegen Adi Hütter gefeiert und die Hoffnung auf eine Aufholjagd in der Meisterschaft nähren.

«YB hat seit zwei Jahren denselben Trainer und dieselbe Philosophie. Die Berner haben sich etwas aufgebaut. Sie haben eine sehr solide, physisch starke Mannschaft und machen einen guten Job», sagt Wicky über den Kontrahenten und plädiert in nächster Instanz doch für sein eigenes Team: «Ich will nicht sagen, das wir das bessere Kader als YB haben, aber wir haben sehr gute Einzelspieler. Wir haben am wenigsten Gegentore bekommen, und wenn wir solidarisch verteidigen, sind wir defensiv nicht einfach zu knacken.»

Dann müsste der FC Basel nur selbst wieder treffen, um weiterzukommen. Wicky setzt auf die Umschaltmomente und eine Effizienz, die seine Spieler nach der Winterpause noch nicht wieder an den Tag legen konnten – und in diesem Cup-Halbfinal on the rocks im Stade de Suisse finden sollen.

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