Was gibt es Schöneres, als einen Rückstand im K.-o.-Modus des Europacups zum Guten zu wenden? Die Magie des Rückspiels spricht für den FC Basel, der ein solches Comeback in seiner bis 1963 zurückreichenden europäischen Geschichte in vier von sieben Fällen schaffte. Am Donnerstag (21.05 Uhr) will der FCB im St.-Jakob-Park gegen die AS St-Etienne ein weiteres Kapitel hinzufügen.
Es sind dies die Spiele, die Fussballfans elektrisieren. Begegnungen mit ultimativem Charakter und dem Alles-oder-Nichts-Moment. Cupspiele zählen dazu, die Finals sowieso und die K.-o.-Formel im Europapokal. Und so, wie es für einen Fan nichts Schöneres geben kann, als die Mannschaft seines Herzens aus einem 0:2-Rückstand zur Wende und zu einem 3:2 anzutreiben, so zieht der Europacup seit jeher seinen Reiz daraus, im Rückspiel umzubiegen, was im ersten Aufeinandertreffen schief gegangen ist.
» Siebenmal ist der FCB seit 1970 in den K.-o.-Runden im Europacup mit einer Niederlage auswärts ins Rückspiel gegangen; vier Mal hatte er das bessere Ende für sich – zur Übersicht
Zumal vor eigenem Publikum. Das Hinspiel des FC Basel bei der AS St-Etienne vor Wochenfrist hatte noch den Makel, dass die französischen Sicherheitsbehörden auf der Grundlage des Ausnahmezustandes im Lande keine Gästefans im Stade Geoffroy-Guichar erlaubten. Diesen Donnerstag, zur elend späten Anstosszeit um 21.05 Uhr, darf der FCB sich der für Europacup-Abende jenseits der Champions League üblichen Unterstützung sicher sein.
Vorverkaufszahl steht bei 18’200
Nach harzig verlaufenem Vorverkauf hat das Interesse an diesem Sechzehntelfinal zugelegt. Zum einen verspricht das 2:3-Handicap für den FCB einen spannenden Kampf, zudem haben die Basler in Saint-Etienne trotz Niederlage eine gute Figur abgegeben und gezeigt, dass sie dem Tabellenvierten aus der Ligue 1 mindestens auf Augenhöhe begegnen.
Ausserdem hat FCB-Präsident Bernhard Heusler mit einem flammenden Appell um Unterstützung angehalten: «Es sollte für alle ein Auftrag sein, jetzt muss jeder ins Stadion kommen. Wir wollen eine ebenso gute Stimmung haben wie im Hinspiel.»
Das alles hat insofern gefruchtet, als der FCB am Mittwochvormittag 18’200 verkaufte Tickets melden konnte und somit mit knapp über 20’000 Zuschauern im St.-Jakob-Park zu rechnen ist.
27-mal auswärts in K.-o.-Spielen und nur sieben Niederlagen
Diejenigen, die die Partie vor Ort oder im TV (SRF 2) erleben, dürfen auch aus der Europacup-Geschichte des FCB ein bisschen Zuversicht ziehen. Seit 1963 und der ersten Teilnahme an einem offiziellen Uefa-Wettbewerb – Ausscheiden gegen Celtic Glasgow mit dem Gesamtskore von 1:10 – hat der FC Basel 223 Spiele auf europäischer Bühne bestritten.
Die Mutter aller gewonnenen Basler Rückspiele im Europacup: Walter Balmer, Mitte, trifft am 7. November 1973 per Kopf zum 2:2 gegen Brügge-Verteidiger Denaeghel (l.) und Cools. Es ist eines von zehn Toren an einem denkwürdigen Abend. (Bild: Keystone)
Im reinen K.-o.-Modus mit Hin- und Rückspiel, also von den neumodischen, aus Vermarktungsgründen erfundenen Gruppenphasen abgesehen, wurde der FCB 27-mal zunächst als Auswärtsteam ausgelost. Er genoss also den Vorteil, im zweiten Spiel im eigenen Stadion antreten zu können.
In 20 dieser 27 Fälle kam der FCB mit einem Sieg oder einem Unentschieden vom ersten Spiel nach Hause – darunter waren in den letzten Jahren in den Qualifikationsrunden etliche Gegner, die klar niedriger dotiert waren als die Basler.
Der jüngste Husarenstreich gelang auswärts mit dem 2:2 an der White Hart Lane bei Tottenham Hotspur. Es war eines der besten Auswärtsspiele des FCB überhaupt im Europacup. Und die Dramaturgie wurde im April 2013 beim Rückspiel mit Verlängerung (2:2) und dem Sieg im Penaltyschiessen auf die Spitze getrieben. Der Weg des FCB endete damals erst im Halbfinal der Europa League (gegen Chelsea) und gilt als bisher grösster internationaler Erfolg des Vereins.
Drei von sieben Niederlagen korrigiert
Siebenmal kam der FCB in den vergangenen 46 Jahren mit einer Niederlage vom Auswärtsspiel zurück – und in drei Fällen war diese Hypothek zu gross. Das letzte Mal war das 2008 im Uefa-Cup der Fall. Im Sechzehntelfinal verlor der FCB bei einem damals bärenstarken Sporting Lissabon 0:2. Die Hoffnung auf eine Wende im Rückspiel zerstob schon, da waren vor 16’360 Zuschauern im Joggeli noch keine zwei Minuten gespielt und Sporting durch ein Tor von Pereirinha im Gesamtskore mit 3:0 vorne.
Der Urknall gegen Celtic
Die Mutter aller Basler Comebacks ist das 6:4 im Rückspiel des Meistercup-Wettbewerbs 1973 gegen den FC Brügge (Hinspiel: 1:2). Der Urknall der Moderne ereignete sich jedoch im August 2002, als der FCB ein 1:3 aus dem Hinspiel bei Celtic Glasgow ausglich. Es war gleichzeitig der bisher grösste Rückstand, der noch in ein erfolgreiches Weiterkommen gedreht werden konnte.
Christian Gimenez in der 9. Minute und Captain Murat Yakin mit seinem berühmten Kopfballaufsetzer in der 22. Minute egalisierten zum 3:3, das den FCB aufgrund der Auswärtstorregel und nach langem Zittern (Chris Sutton! Nachspielzeit!! Zentimeter am Tor vorbei!!!) erstmals in die Champions League brachte. Ein denkwürdiges Spiel, das als Grundstein der bis heute anhaltenden Erfolgsära gelten darf.
Rückspiel-Dramatik in knapp 120 Sekunden komprimiert – das 2:0 des FC Basel im August 2002 gegen Celtic Glasgow:
Der heutige Sportdirektor des FC Basel, Georg Heitz, arbeitete seinerzeit noch für die «Basler Zeitung», hat den historischen Abend noch vor dem geistigen Auge, kann aber nur vermuten, dass er im Stadion war – und nicht in der damals noch an der Hochbergerstrasse ansässigen Redaktion. Ein Blick in die Schweizer Mediendatenbank zeigt: Heitz war im Joggeli und berichtete an der Seite von Daniel Schaub über einen Tag, «an dem Schweizer Sportgeschichte geschrieben» wurde und dem FCB der «Einzug ins Paradies» gelungen war.
Die Wende in 57 Prozent der Fälle
Im Uefa-Cup und in der Europa League, so hat es «Le Monde» zusammengetragen, wurden seit 1970 in 145 Hinspielen der K.-o.-Phase 3:2-Siege der Heimteams erzielt. In 57 Prozent der Fälle setzte sich im Rückspiel doch noch die andere Mannschaft durch.
Beispiele dafür hat auch der FCB in seiner Historie: Ein 2:1 daheim gegen Spartak Moskau, mit dem 1970 (im Meistercup) eine 2:3-Hinspiel-Niederlage wettgemacht wurde. Und 1976 kehrten die Basler aus Belfast mit einem 2:3 gegen Glentoran zurück, was im Rückspiel mit einem 3:0 umgebogen wurde.
Was das für den Clash mit dem französischen Rekordmeister AS Saint-Etienne bedeutet? Nichts natürlich. Aber die Aussicht auf einen Alles-oder-nichts-Moment. Georg Heitz sieht mit dem 2:3-Rückstand alle Chancen intakt, und weil er nie zu tippen pflegt, drückt er seine Zuversicht so aus: «Karli Odermatt würde sagen: Ich tippe ein 2:0.»
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» Listomania aus dem März 2012: Die grössten Triumphe des FC Basel im Europacup (inzwischen überholungs- bzw. ergänzungswürdig)
» Noch ein Listomania: Die schrägsten Auftritte des FC Basel im Europacup (Februar 2012; dito)