Der Preis des rotblauen Weges

Trägt die neue Ausrichtung den FC Basel in der Zukunft? Ein Blick zurück auf eine Saison, in der die neue Führung Lehrgeld bezahlen musste. Auf die Jugend zu setzen und gleichzeitig Erfolg zu haben, wird ein Spagat bleiben. 

Der Meisterpokal ist nach Bern gezügelt, dafür dürfte bei den Baslern der Hunger wieder grösser geworden sein.

Wenn die Basler Sicht zurück auf diese Fussball-Saison etwas Tröstliches hat, dann ist es vielleicht die Gewissheit, dass der Fussball-Weltenlauf auch vor Bern nicht Halt macht. Der Meistertrainer zieht weiter ins gelobte Land, so wie damals in Basel, als Thorsten Fink dem Lockruf der Bundesliga erlag.

So werden die Young Boys, auch das ist ein vergleichbares Schicksal, Opfer ihres Erfolgs, kaum sind die Freudentränen getrocknet. Und es scheint ebenso unausweichlich, dass weitere Meisterhelden demnächst irgendwo noch besser bezahlte Planstellen besetzen. Deshalb sieht der neue Meister der näheren Zukunft mit mindestens so vielen Unwägbarkeiten entgegen wie der alte.

Anders ausgedrückt: Nichts spricht dafür, dass in der Schweizer Super League demnächst ein Klub – weder YB noch der FCB – jene unangefochtene Dominanz erreicht, die in den zurückliegenden Jahren vom Rheinknie ausging.

Die neue Formel

In Basel sollte sich jedoch niemand darauf verlassen, dass die frisch erblühte Kraft in Bern sogleich wieder erlahmt. Die Young Boys haben kontinuierlich daran gearbeitet, bereit zu sein, wenn der FC Basel eine Schwäche zeigt. Und als der Moment kam, haben sie in Bern die Gelegenheit beim Schopf gepackt.

Beim FC Basel waren es unter dem Strich zu tiefe Eingriffe am offenen Herz, die in den zurückliegenden zwölf Monaten vorgenommen wurden. Eine neue Klubspitze um Mehrheitsaktionär Bernhard Burgener und eine neue sportliche Leitung um Marco Streller haben dafür im ersten Jahr Lehrgeld bezahlt.

Der «heisse Atem im Nacken der Young Boys», von dem an dieser Stelle vor Weihnachten die Rede war, verpuffte, weil die personellen Rochaden in der Winterpause zu viel des Guten waren. Im Kontrast dazu stehen der Achtelfinal auf europäischer Ebene, die fünf Siege in der Champions League.

Mit einer Vorwärtsstrategie ist der FC Basel seit 2010 von Titel zu Titel geeilt. Parallel dazu wuchs der Apparat. Unter dem neuen Präsidenten Bernhard Burgener stehen die Zeichen auf Redimensionierung. Das Motto, das beim FCB seit einem Jahr über allem steht, hat Trainer Raphael Wicky in die griffige Formel «verkleinern, verjüngen, verbaslern» gepackt.

Die Risiken der aktuellen Personalpolitik

Die Rückbesinnung auf das eigene Ausbildungslabor hat einerseits dazu geführt, dass die Pipeline vom Campus ins Fanionteam wieder durchlässiger geworden ist. Es war ein Problem der jüngeren Vergangenheit, dass ein Kader voller Nationalspieler mit all ihren Ansprüchen nur wenig Platz liess, um die selbst ausgebildeten Talente an die erste Mannschaft heranzuführen.

Andererseits birgt die aktuelle Personalpolitik perspektivisch ihre Risiken. Ein Beispiel: Die neuen, selbstverordneten Vorgaben führen dazu, dass der FCB am 22. April in Sion antritt und auf der Ersatzbank sechs Feldspieler Platz nehmen, von denen keiner älter als 21 Jahre ist: Blas Riveros (20), Yves Kaiser (20), Dimitri Oberlin (20), Neftali Manzambi (21), Albian Ajeti (21) und Noah Okafor (18).

Wie viel Konstanz lässt sich mit dem Jugendstil erreichen? Vor allem, wenn es hart auf hart kommt?

Ziemlich genau vier Jahre zuvor standen in Valencia noch vier Einwechselspieler zur Verfügung, als es in die Verlängerung eines sich dramatisch zuspitzenden Europa-League-Viertelfinals ging: Simon Dünki (19), Admir Seferagic (19), Albian Ajeti (17) und Breel Embolo (17). Und das Trainerteam fragte sich: Wen soll man bei einem 0:3-Rückstand einwechseln?
Was sich damals aus einer Personalknappheit beim strapaziösen Dauerlauf ergab, ist heute die Philosophie des Klubs. Die Frage lautet deshalb, wie viel Konstanz über eine Saison hinweg sich mit dem Jugendstil erreichen lässt – und wieviel Qualität von der Ersatzbank nachgelegt werden kann, wenn es hart auf hart kommt.

Höher begabte junge Spieler, zumal jene aus dem eigenen Campus, noch stärker zu fördern, als das bis anhin schon der Fall war, und gleichzeitig Erfolg in Form von Titeln anzustreben, das ist ein schwieriger Spagat, den dieser FC Basel versucht. Verkleinern, verjüngen, verbaslern – alle diese Vorgaben Jahr für Jahr zu erfüllen, könnte seinen Preis haben.

Vertrauensbeweis aus der Kurve: Transparente, deren Botschaften am 3. März im Zuge des Stromausfalls und der Spielabsage FCB gegen den FCZ unterging.

Aber wie heisst es so schön im Joggeli? Erfolg ist nicht alles im Leben. In der Tat haben die FCB-Fans diese Saison ohne Titel, das erste Jahr ganz ohne seit 2010, mit Fassung getragen. Der Klubspitze haben sie allerdings gleichzeitig ins Stammbuch geschrieben, was sie von ausufernder Kommerzialisierung halten. So viel Gegenwind aus der Kurve gab es schon lange nicht mehr, und der Verein tut gut daran, einer schleichenden Entfremdung entgegenzuwirken.

Der FCB muss früh parat sein, um an den Jackpot zu kommen

Unten auf dem Rasen ist es einer talentierten Mannschaft und ihrem ebenso begabten Trainer unbedingt zuzutrauen, den Young Boys nächste Saison den Meistertitel wieder streitig zu machen. Erfolgshungrig genug dürften die Basler nun wieder sein.

Raphael Wickys frommer Wunsch sind so wenige personelle Wechsel wie möglich. Er muss aber damit rechnen, dass es im Transfersommer für Mohamed Elyounoussi, den besten Scorer, ein unwiderstehliches Angebot geben wird. Dann lautet die Frage, ob Burgener bereit ist, zu reinvestieren und ob die sportliche Leitung besser vorbereitet sein wird als beim Abgang von Manuel Akanji vor einem halben Jahr.

Denn der FCB wird schon Ende Juli parat sein müssen, wenn er an den grossen Jackpot herankommen will, der für ihn in der Champions League bereit steht. Drei Qualifikationsrunden sind dafür zu überstehen. Und zugleich muss der FCB Schritt halten mit den Young Boys, die ohne ihren Meistertrainer, dafür aber mit dem Rückenwind des ersten Meistertitels nach 32 Jahren in die neue Saison starten.

https://tageswoche.ch/form/interview/wir-ziehen-die-philosophie-durch-verkleinern-verjuengen-verbaslern/
https://tageswoche.ch/form/kommentar/der-pfusch-des-fcb-eigenheim/

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