Real und Atlético Madrid wurden von der Fifa mit einer Transfersperre belegt, weil sie junge Spieler entwurzelt haben sollen. Das sind die Hintergründe.
Fernando Macías kam im September 2013 aus Venezuela. «Ich konnte meinen Traum wahr machen», berichtete er der heimischen Zeitung «El Universal». Macías unterschrieb einen Vertrag bei Real Madrid. Er war 14 Jahre alt.
Wenig später erfuhr der Verein, dass die Fifa ein Verfahren gegen den FC Barcelona eingeleitet hatte wegen Verstössen gegen das Transferverbot für Minderjährige. Um Jugendliche nicht aus ihren Familien zu reissen und zu entwurzeln, sowie um den Handel mit schutzlosen Kindern zu unterbinden, dürfen Fussballer unter 18 Jahren nämlich nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in einem anderen Land eingeschrieben werden.
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Ein solcher lag bei Macías nicht vor. Auch nicht bei seinem Landsmann Manuel Godoy, der vor rund anderthalb Jahren als 13-Jähriger mit Real zu trainieren begonnen hat. Sensibilisiert durch die Nachrichten vom Weltverband leitete der Klub die Venezolaner in die Fussballschule des Madrider Stadtteils Moratalaz um, eine Partnerinstitution der Königlichen. Macías trainiert inzwischen bei der Jugend von Rayo Vallecano; einen Spielerpass hat er immer noch nicht.
8x Real, 12x Atlético
Vermutlich gehören die beiden Venezolaner zu den acht Fällen, in denen die Fifa ein Fehlverhalten festgestellt hat, weshalb sie Real Madrid am Donnerstag mit einem einjährigen Transferverbot belegte. Oder zumindest zu den 39 Fällen, wegen denen sie ermittelte.
Beide Zahlen stammen von Reals Generaldirektor José Ángel Sánchez, der bei einer Pressekonferenz allerdings nur die Identität von drei Betroffenen bestätigte: dem Bruder des ehemaligen Real-Profis Ezequiel Garay (inzwischen Zenit St. Petersburg) sowie von zwei der vier Söhne von Real-Trainer Zinédine Zidane.
Offenbar handelt es sich um die in Frankreich geborenen Enzo und Luca. Dass sie auf der Liste auftauchen, klingt nach kafkaeskem Behördenwahn: Ihre Mutter ist Spanierin, die Zidanes leben seit 2001 in Madrid. Eine Entwurzelung läge also allenfalls vor, wenn sie nicht in Madrid spielen dürften.
Obwohl der Franzose Zinedine Zidane seit 15 Jahren in Madrid wohnt und seine Frau Spanierin ist, werden seine Söhne gemäss Fifa entwurzelt, wenn sie in Madrid spielen. (Bild: Reuters/JUAN MEDINA)
Sánchez folgert aus dem Beispiel der Zidane-Söhne, dass es sich beim ganzen Fifa-Verfahren um eine «Absurdität» handle und spätestens der Internationale Sportgerichtshof dem Einspruch Reals gegen das Transferembargo stattgeben werde. Darauf hofft auch der in gleichem Umfang bestrafte Stadtrivale Atlético, bei dem es um ein Vergehen in zwölf Fällen gehen soll – darunter in denen des mit 14 verpflichteten Senegalesen Arona Sané und des mit 16 eingegliederten Chinesen Xu Xin.
Die Erfolgsaussichten der Madrider Klubs können als eher bescheiden eingestuft werden, wenn man sich das Beispiel des FC Barcelona anschaut. Ihre Berufung gegen die identische Strafe wegen gleicher Regelverstösse brachte den Katalanen nichts – obwohl auch sie immer von einer himmelschreienden Ungerechtigkeit gesprochen hatten.
Barcelona, Atlético, Real: Es ist kein Zufall, dass sich die Fifa in ihrem einst von der EU-Kommission angeregten Kreuzzug auf Spanien konzentriert. Laut der Madrider Sportzeitung «As» führten 22 Prozent aller weltweiten Transfers von Minderjährigen 2014 nach Spanien. In absoluten Zahlen soll es sich um 1607 Kinder und Jugendliche allein in diesem einen Jahr handeln. Auf Platz zwei folgt Portugal mit 188 Transfers.
Gute Geschäfte mit chinesischen Clubs
Die Aktivitäten von Real und Atlético zu durchleuchten, muss immensen Aufwand erfordert habe. Beide Vereine unterhalten etliche Satellitenklubs, bei denen sie talentierte Jugendliche ausprobieren oder auf deren Spieler sie bevorzugten Zugriff haben. Allein in der Region Madrid pflegt Atlético solche Übereinkünfte mit 16 Vereinen oder Akademien, Real mit 22. Schafft es ein Talent in die Jugendteams der Spitzenklubs, gibt es Bälle oder Trikots als Entschädigung. Ein Vertrag als Zweitliga-Profi bringt einen fünfstelligen Lohn.
Das Geschäft mit den Fussballtalenten – gerade spanische Vereine haben ihre Aktivitäten längst global ausgerichtet und strategische Partnerschaften geschlossen. Die chinesische Investorengruppe Wanda, 20-prozentiger Anteilsinhaber von Atlético, bezahlt den Klub wie auch Valencia und Villarreal dafür, dass sie jeweils 20 chinesische Kinder an ihren (Partner-)Schulen ausbilden.
Real wiederum unterhält ein Joint Venture mit der gigantischen Fussballakademie in Guangzhou, in dessen Rahmen das Unternehmen Soxna die 225 aussichtsreichsten chinesischen Talente unter 14 Jahren in Tranchen zu je 25 nach Madrid verfrachten und dort betreuen soll. Soxna ist nach eigener Auskunft von Real beauftragt worden und kassiert nach Informationen von «As» für seine Dienste gut 13 Millionen Euro aus China.
Um die Fifa nicht aufzuschrecken, werden die Teenager auf dem Campus der Madrider Universidad Autónoma untergebracht und nicht im Verein trainiert. Dem Weltverband missfällt die Praxis dennoch.