Ein Omlin macht noch keinen Sommer

Mit Marcel Koller auf der Trainerbank kehrt der FC Basel beim 4:2 gegen die Grasshoppers zum Siegen zurück. Aber das wilde Spektakel mit dem Elfmeterhelden Jonas Omlin taugt noch nicht, um die Wende auszurufen.    

Der Bock ist umgestossen, wie man in der Fussballersprache so schön sagt. Für das erste Erfolgserlebnis einer jungen Saison hat dieser FC Basel so lange gebraucht wie seit Menschengedenken nicht mehr. Und nach einer Woche, für deren Turbulenzen es ebensowenige Beispiele in der Clubchronik gibt, ist Marcel Koller also der Mann, der den Rotblauen den Stimmungsaufheller verabreicht hat.

Wobei: Es war ein wildes Durcheinander, das sich in der zweiten Spielhälfte zuspitzte. Zweimal trifft der FCB von ausserhalb des Strafraums mit Präzisionsarbeiten (Luca Zuffi und Fabian Frei). Beide Tore fallen zu günstiger Zeit (8. und 40. Minute). Dann kassieren die Rotblauen einen Platzverweis (Eray Cümart), erzielen zwei Treffer in Unterzahl, erhalten zwei Gegentore, und die Grasshoppers versieben zwei Elfmeter.

Oder anders herum: Jonas Omlin hechtet sich in die Herzen der FCB-Fans. Soviel Heidenspektakel gepaart mit Glück und Können, dass es der FCB-Fan kaum fassen kann – hat das wirklich mit dem neuen Trainer zu tun?

Raphael Wicky hätte sich vor 14 Tagen an gleicher Stelle herzlich bedankt für ein Scheibchen Fortune. Aber damals lenkte Luca Zuffi in der 94. Minute einen St. Galler Schuss mit einer Rippe unglücklich ins eigene Tor ab. Die 1:2-Niederlage war der Anfang vom Ende Wickys als Trainer des FC Basel.

Keine Wunderheilung

Der seit Donnerstag amtierende Nachfolger Marcel Koller will sich nicht als Wunderheiler feiern lassen: «Ich habe keine Mittelchen verabreicht. Wir haben versucht, einer Mannschaft Selbstvertrauen zu geben, die ja früher schon gezeigt hat, dass sie Fussball spielen kann. Das haben wir versucht herauszukitzeln.»

Koller tut das mit einem 4-2-3-1-Gerüst und ein paar Umbesetzungen, die nach dem Freitagstraining keine Riesenüberraschung sind. Etwa mit Luca Zuffi auf der Position hinter der Spitze, mit Ricky van Wolfswinkel auf dem rechten Flügel und mit Fabian Frei zurück im zentralen Mittelfeld. Zumindest so lange, bis er nach dem Platzverweis notgedrungen wieder hinten aushelfen muss.

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Diese Umstellungen gehen auf. Was nicht aufgeht: Dimitri Oberlin als linker Flügel. Einmal mehr überfordert, wird der Sechs-Millionen-Transfer nach der Pause gegen Kevin Bua ausgewechselt. Eray Cümart gibt nicht nur wegen der beiden gelben Karten keine gute Figur ab, wobei ihm van Wolfswinkel die zweite mit einem lausigen Pass einbrockt. Und Blas Riveros verursacht nicht besonders geschickt beide Elfmeterpfiffe.

Als Wende sollte man das Spiel noch nicht werten

«Es war ein intensives, ein gutes Spiel für die Zuschauer – für mich als Trainer weniger», schränkt Koller in der allgemeinen Basler Freude ein. Nach den ersten 45 Minuten, die Fabian Frei als «kraftraubend» bezeichnet, verhält sich der FCB allzu passiv. Bis zur Gelb-Roten Karte nach einer Stunde. Den fälligen Freistoss von Runar Sigurjonsson boxt Omlin aus dem Torwinkel, was die Zuschauer ein erstes Mal von den Sitzen reisst. GC-Trainer Thorsten Fink hat dafür an alter Wirkunsgsstätte nur ein Wort: «Weltklasse».

Von da an entwickelt sich einiger Unterhaltungswert. Quasi im Gegenzug fällt das 3:0 durch Albian Ajeti, der von Fink geadelt wird: «Er hat super gespielt und vorne jeden Ball gehalten. Ich kann dem FCB zu diesem Spieler aus der eigenen Jugend nur gratulieren.» Vorbereitet hat das Tor Silvan Widmer mit der ersten vernünftigen Flanke seit seiner Ankunft in Basel.

Zwei Tore in Unterzahl sind zwar ein Leistungsausweis für die Basler, der Rest ist jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben. Wieder kassiert er ein Tor auf einen stehenden Ball (Eckballverhältnis: 10:4 für GC), wie schon am Mittwoch gegen Paok Thessaloniki kam Zuffi zu spät (diesmal bei Nabil Bahouis Kopfball), und auch der zweite Gegentreffer (Marco Djuricin) geht auf Zürcher Lufthoheit zurück. Schon bei numerischer Gleichzahl hatte GC mehr Ballbesitz, und am Schluss sind es 56 Prozent.

So stellt sich nach Kollers Debüt die Frage, ob mit diesem 4:2 schon die Wende verbunden ist. Eher scheint es so, dass der alte Fahrensmann einiges an Arbeit vor sich hat. «Die Spieler haben gut zugehört, aber es braucht Zeit, um das zu verfestigen. Es ist eine junge Mannschaft, die manchmal noch zu hektisch ist.» Ausnehmen von diesem Einwand darf sich Geoffroy Serey Dié, der in Krieger-Manier einmal mehr ein tadelloses Spiel abliefert.

«Kollers Erfahrung tut uns gut»

Ruhe ist es, was die FCB-Führung bei der Knall-auf-Fall-Umbesetzung des Trainerpostens gesucht hat. Der 57-Jährige Koller strahlt diese aus, das attestieren ihm die Spieler unisono. «Seine Erfahrung tut uns sicherlich gut», sagt Omlin, und Frei führt aus: «Seine Ansprache vor der Mannschaft ist sehr ruhig, aber bestimmt. Er kann laut sein, ohne wild herumzuschreien. Was er sagt, ist motivierend, hat Qualität und Inhalt.»

«Wie bei jedem anderen Trainer auch», schiebt Frei noch nach, denn auch er weiss: «Der Fussball wird nicht gerade neu erfunden beim FCB.» Vorderhand muss dies Koller auch nicht. Mit zartem Applaus ist er im Joggeli begrüsst worden – während die GC-Fans einer ihrer Klublegenden die Liebe auf einem Transparent gekündigt haben.

Omlins erste parierten Elfmeter

Die Ergebnisorientierung ist es, was es beim FCB zunächst einmal braucht, um Stabilität ins Team und Ruhe in Klub und Umfeld zu bringen. Also machte sich Koller nach einem Imbiss auf der Hospitality-Etage am Samstag noch vor Mitternacht mit seinen Assistenten an die Nachbereitung der Partie.

Nicht ohne seinen herausragenden Torhüter und dessen Paraden zu loben: «Das braucht es, wenn man dabei sein will.» Omlin selbst weiss gar nicht recht, wie ihm geschehen ist. Freimütig räumt er ein, dass er gehaltene Elfmeter an einer Hand abzählen könne. In seiner Zeit als Profi sind es die ersten überhaupt nach sieben vergeblichen Versuchen in Super und Challenge League.

«Ich investiere fast keine Zeit in Elfmetertraining, die Situation kommt zu selten vor im Spiel», sagt Omlin. Sigurdjonsson hat ihn vom Punkt schon einmal in der linken Ecke bezwungen – «also habe ich es links versucht». Beim zweiten Penalty von Djuricin verlässt er sich dann einfach auf seinen Instinkt. Und darf sich hinterher von den entzückten Zuschauern zurecht als Held des Abends feiern lassen.

Nur: Ein Omlin macht noch keinen Sommer. Die Bewährungsproben folgen weiter im Takt der Englischen Wochen. Die Fortsetzung folgt am Donnerstag in der Europa League bei Vitesse Arnheim.

https://tageswoche.ch/form/portraet/marcel-koller-scheitern-und-lernen/

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