Er ist zurück – und es ist wie damals

Paulo Sousa scheint zu ahnen, dass ihm keine Welle der Sympathie entgegenschlagen wird, wenn er heute, ein halbes Jahr nach der Meisterschaft mit dem FC Basel und dem Abgang wenig später nach Florenz, wieder das Joggeli betritt. Das Protokoll von Teil 1 einer Rückkehr.

epa05041450 Fiorentina's Portuguese head coach Paulo Sousa attends a press conference in the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, 25 November 2015. AC Fiorentina will face FC Basel 1893 in the UEFA Europa League group I soccer match on 26 November 2015. EPA/GEORGIOS KEFALAS

(Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Paulo Sousa scheint zu ahnen, dass ihm keine Welle der Sympathie entgegenschlagen wird, wenn er heute, ein halbes Jahr nach der Meisterschaft mit dem FC Basel und dem Abgang wenig später nach Florenz, wieder das Joggeli betritt. Das Protokoll von Teil 1 einer Rückkehr.

Da setzt er sich am Mittwochabend mit ein paar Minuten Verspätung nieder, wo er ein Jahr lang einen Stammplatz hatte: Auf der Bühne des Mediencenters im St.-Jakob-Park. Paulo Sousa ist zurück. Irgendwann an einem Juli-Tag war er verschwunden, raus aus seinem Haus in Riehen, mit seiner Frau und den Hunden kehrte er Basel den Rücken.

Nun verlangt das Europa-League-Los seine Rückkehr. Mit der Fiorentina, seiner siebten Trainerstation in sieben Jahren. Die «Viola» hat er in der Serie A im Titelrennen etabliert, und nun geht es im fünften Gruppenspiel um das Fortkommen, darum, die Heimniederlage gegen den FC Basel vor zehn Wochen zu korrigieren und im besten Fall dem Basler Publikum zu demonstrieren, dass er es auch in Italien kann.

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Da sitzt er also wieder. Und während sein serbischer Verteidiger Nenad Tomovic erzählt («Haben es uns in dieser Gruppe selbst verkompliziert», «Wir sind hungrig»), lächelt Paulo Sousa. Oder grinst er? Jedenfalls schweift sein Blick versonnen in den Raum, vielleicht hat er eines der ihm bekannten Gesichter im Visier. Barbara Bigler eventuell, die Geschäftsführerin des FC Basel, die ihm ein Jahr lang die Wünsche von den Augen ablesen durfte.

Vielleicht lässt Sousa in diesen Momenten auch noch mal die zwölf Monate in Basel vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen. Das, was in die FCB-Geschichte als «Paulos Prozess» eingehen wird. Mehr oder weniger widerstandslos ging dieser zunächst vonstatten und ohne Qualifikationsbelastung im Europacup mit einem hochkarätigen Kader durch die Liga, er rotierte nach Herzenslust, es folgte eine Baisse, dann der Höhepunkt in der Champions League in Liverpool, das Achtelfinal gegen Porto, das krachende Ausscheiden, der schier unvermeidliche Meistertitel.

Fiorentina's Portuguese head coach Paulo Sousa, right, and his assistant Victor Sanches, left, during a training session in the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Wednesday, November 25, 2015. Italy's ACF Fiorentina is scheduled to play against Switzerland's FC Basel 1893 in an UEFA Europa League group I group stage matchday 5 soccer match on Thursday, November 26, 2015. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Bekannte Gesichter, neue Kleider: Paulo Sousa mit Victor Sanchez (links) am Mittwoch im St.-Jakob-Park beim Training der Fiorentina. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Sein letztes Spiel war der Cupfinal, das sang- und klanglose 0:3 gegen Sion, eine herbe Enttäuschung. Sousa rekapituliert ein halbes Jahr danach: «Wir waren gerade Meister geworden, und da hat die Spannung nachgelassen. Der Fokus hat gefehlt und die physische Stärke. Und ausserdem war der Gegner einfach besser.»

Das Portal Fiorentina.it hat dieser Tage noch einen weiteren Erklärungsansatz gefunden: Paulo Sousa sei abgelenkt gewesen von dem, was bevorstand: das Abenteuer Florenz.

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Seinen sechsten Titel in Folge hat der FC Basel mit dem vierten Trainer geholt, und für diesen vierten Trainer war Basel nichts weiter als ein Sprungbrett. Schon im Januar, das weiss die TagesWoche aus guter Quelle, hat der Ehrgeizling Sousa erstmals Verbindung zur Fiorentina gehabt. Der Kontakt mit Sampdoria Genua im April war vermutlich nichts weiter als ein flüchtiger Flirt des Portugiesen. Tempi passati.

Sousa bleibt Sousa und unverbindlich

Im Spätherbst 2015 ist Paulo Sousa natürlich immer noch der Paulo Sousa des Frühjahrs 2015. Drahtig die Figur, die Haare vielleicht noch eine Spur grauer und die vertraute Stimme unverändert so sonor, dass sie Herzen dahinschmelzen lassen kann.

Freundlich ist er, ein höfliches Kopfnicken hier, ein flüchtiger Händedruck dort. Der Einladung auf einen Kaffee, ausgesprochen in der Nacht des Meisterschaftsgewinns mit dem FCB, folgt ein halbes Jahr später eine Einladung nach Florenz. Man solle sich doch an seine Medienverantwortliche wenden. Ob Paulo Sousa selbst merkt, dass seine Angebote wenig aufrichtig wirken?

Für ihn ist der Umgang mit den Medien nichts weiter als ein abzuspulender Teil seines Pflichtenhefts. Und er hat eine Meisterschaft darin entwickelt, Unverbindliches in blumige Worte zu verpacken und die Aussagekraft überschaubar zu halten. Aus dem «Prozess» ist in der Toskana eine «lange Reise» geworden, für die man, wie er ausführt, genügend Treibstoff im Tank haben muss.

Liebesadressen würde ihm sowieso niemand abnehmen

Zur Begegnung am Donnerstag so viel: Es wird sicherlich schwierig. Das Publikum in Basel sei es gewohnt, Spiele auf hohem Niveau zu erleben: «Es ist bereit für solche Europapokal-Abende.» Und da das Endspiel in Basel stattfindet, sei es das Ziel des FCB, dieses Finale auch zu erreichen.» – Da weiss der Mister mehr als wir.

An den Stellen, wo er von den Basler Medienschaffenden, die ein Jahr lang jeden dritten Tag mit ihm zu tun hatten, gefragt wird nach der emotionalen Ebene seiner Rückkehr nach Basel, bleibt Paulo Sousa vergleichsweise kurz angebunden. Keine überschwänglichen Liebesadressen – die würde ihm sowieso niemand abnehmen. Nicht in Basel.



Fiorentina's Portuguese head coach Paulo Sousa during a training session in the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Wednesday, November 25, 2015. Italy's ACF Fiorentina is scheduled to play against Switzerland's FC Basel 1893 in an UEFA Europa League group I group stage matchday 5 soccer match on Thursday, November 26, 2015. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Bestens gelaunt: Paulo Sousa bei seiner Rückkehr ins Joggeli. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Wie er in Italien wahrgenommen wird? Dort, wo ihm als Champions-League-Sieger mit Juventus Turin ein Platz in der Ruhmeshalle auf ewig sicher ist? Ob es da einen Unterschied gibt zur Schweiz? Natürlich gibt es den, sagt er, kulturelle Unterschiede vor allem. Aber das sei ja das Schöne am Leben: die Chance zu bekommen, in verschiedenen Kulturen zu leben und zu arbeiten. «Ich bin sehr gut aufgenommen worden, und wenn man in Italien etwas von Fussball versteht, ist das sowieso der Fall.»

Die alte Wirkungsstätte, die mehr Durchgangsstation war

Also noch einmal: Was erwartet er, wenn er seinen Fuss wieder ins Joggeli setzt? – Das Stadion, das man kaum Sousas alte Wirkungsstätte nennen kann, sondern vielmehr eine weitere Durchgangsstation für ihn. «Ich gehe mit einer positiven Einstellung in dieses Spiel. Ich habe wunderbare Zeiten beim FC Basel verbracht. Es ist schön, wieder in Basel zu sein, schön die Leute wiederzusehen. Aber am Donnerstag geht es um ein Fussballspiel, wir wollen uns darauf fokussieren, ein gutes Spiel abliefern und unser Ziel erreichen.»

Dass ihm, der professionell, akribisch und erfolgreich als Chefcoach des FC Basel gearbeitet und es doch nie in die Herzen der Fans geschafft hat, dass ihm keine Blumen zufliegen werden an diesem November-Donnerstag, das scheint der kühle Pragmatiker in Sousa zu ahnen. Deshalb betrachtet er sein Wirken von einer anderen Seite: «Die grösste Anerkennung, die man als Trainer bekommen kann», sagt er, «ist die Anerkennung der Spieler. Wenn man sieht, dass sie wachsen, dass sie ihr taktisches Verständnis verbessern, sich allgemein verbessern.» Heisst das, ihm ist es egal, wie die Leute über ihn denken?

«Ich erwarte nichts Spezielles», sagt Paulo Sousa noch, «wir werden sehen, was passiert.»

Fragezeichen hinter Valero

Mit ihrer stärksten Formation wird die Fiorentina in Basel erwartet, also jenem Gerüst, auf dem der Höhenflug in der Serie A fusst. Das heisst: Jene sieben Spieler, die Paulo Sousa am Sonntag gegen Empoli (2:2) geschont hat, dürften auflaufen. Darunter sind Milan Badelj, Federico Bernardeschi, Giuseppe Rossi, Josip Ilicic sowie Torjäger Nikola Kalinic. Zusammen bringen es diese Akteure in der laufenden Saison auf 15 Tore und 10 Assists.

Das einzige Fragezeichen stand am Vorabend des Spiels hinter dem spanischen Routinier Borja Valero (30), der im zentralen Mittelfeld mal eine etwas defensivere, mal eine offensivere Rolle einnimmt. Im Tor wird wird mit Luigi Sepe gerechnet, der in der Europa League bisher anstelle von Stammkeeper Ciprian Tatarusanu ran durfte.

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