In Genua wähnte man ihn schon als neuen Trainer und redete abschätzig über ihn. Stattdessen hat Paulo Sousa die Fiorentina im Titelrennen etabliert. Am Donnerstag kehrt der Portugiese in der Europa League nach Basel zurück. Eine Bestandsaufnahme.
Die Tabellenführung ist Paulo Sousa fürs Erste los. Ein 2:2 daheim im toskanischen Derby gegen Empoli hat dem Überraschungsteam der Serie A den Platz an der Sonne gekostet. Weil ein zu alter Stärke zurückkehrendes Inter Mailand in der 13. Runde an die Spitze stürmte und weil das punktgleiche Napoli sich mit dem besseren Torverhältnis auch noch an der Fiorentina vorbeischob.
Paulo Sousa, dem seit seiner Ankunft in Florenz die Herzen zufliegen, weil er die Viola in Schnuppernähe zum Meistertitel gecoacht hat, gab sich nach den verlorenen Heimpunkten einsichtig und bezeichnete die Startaufstellung als Fehler. Sechs Titulare hatte er draussen gelassen und die Rotation mit einem 0:2-Pausenrückstand bezahlt: «Ich würde es nicht noch einmal so machen.»
Am Donnerstag (19.00 Uhr) kann der FC Basel gegen den Serie-A-Spitzenclub Fiorentina bereits vor der letzten Runde in Posen den Sprung in die Sechzehntelfinals der Europa League schaffen. Trennen sich Os Belenenses und Lech Posen unentschieden, könnte sich der FCB sogar eine Heimniederlage leisten und wäre dennoch weiter. Für die Partie gegen Florenz sind bislang rund 20’000 Tickets im Vorverkauf abgesetzt worden.
Dann wechselte er seinen Toptorjäger Nikola Kalinic ein, und der Kroate dankte es mit den Saisontoren 8 und 9 und beinahe noch mit dem Siegtreffer. In Fussball-Italien hat Sousa, der als Champions-League-Sieger im Trikot von Juventus Turin sowieso Allzeit-Verehrung geniesst, mit seinem Eingeständnis weitere Sympathien gesammelt: «Es ist schwierig, Trainer zu finden, der ihre eigenen Fehler zugeben. Paulo Sousa hat sich nicht versteckt», meint etwa Ex-Nationaltrainer Cesare Prandelli.
Und ein weiterer derzeit beschäftigungsloser, aber ebenso renommierter Kollege hat Sousa unlängst schon ein Kränzchen gewunden – und damit auch ein bisschen dem FC Basel: «Ich habe die Fiorentina nicht oft spielen sehen», räumte Carlo Ancelotti ein, «aber ich habe Paulo Sousa als Trainer erlebt und mit einem sehr gut eingestellten FC Basel.» Das war vergangene Saison mit Real Madrid in der Champions League, einerseits bei einem einfachen 5:1-Heimsieg, aber auch bei einem knappen 1:0 in Basel.
Bald darauf geriet in Genua die Angelegenheit Sousa ins Stocken, war von einer Krankheit eines engen Mitarbeiters Sousas die Rede. Der Portugiese bat sich Bedenkzeit aus, Präsident Ferrero sondierte den Markt weiter und stiess auf Walter Zenga.
Dieser Walter Zenga wurde schliesslich auch neuer Sampdoria-Trainer – um nach der 0:2-Heimniederlage unlängst gegen Sousas Fiorentina abgelöst zu werden von Sousa Vorgänger in Florenz: Vincenzo Montella. Ein schönes Beispiel des wunderbar-absonderlichen Trainerkarussells des Fussballs.
Lange mit Genua in Verbindung gebracht, dann in Florenz gelandet: Paulo Sousa, hier am vergangenen Sonntag währen des Derbys gegen Empoli mit fiorentinischer Krawatte. (Bild: Keystone/MAURIZIO DEGL’INNOCENTI)
Bis Ende Mai, also auch dem Ende der Meisterschaft in der Schweiz und kurz vor dem Cupfinal in Basel, war Sousas Name in Genua aber «noch am Leben», wie «Il Secolo XIX» schreibt.
Es begann die Zeit, die die Clubverantwortlichen beim FC Basel in Ungewissheit verbrachten. Ihr Trainer wollte sich ihnen gegenüber nicht klipp und klar äussern; es vergingen Tage, fast zwei Wochen, in denen in Florenz über den neuen Trainer Paulo Sousa mehr oder weniger konkret spekuliert wurde und zwischen Sousa und dem FCB Funkstille herrschte.
Bis schliesslich Sousa aus seinem bis 2017 laufenden Vertrag freigegeben wurde. Nicht ohne eine finanzielle Abgeltung, die, so darf vermutet werden, der Mann aus Viseu aus eigener Tasche berappte. Es dauerte dann nicht lange, ehe Präsident Bernhard Heusler eine persönliche Mitteilung Sousas erreichte, dass ihm ein Angebot der Fiorentina vorliege.
Nun folgt also Sousas Rückkehr nach Basel. 20’000 verkaufte Tickets deuten nicht darauf hin, dass die Sehnsucht nach dem Portugiesen riesig ist. Dafür hat er es dem erfolgreich verteidigten Meistertitel zum Trotz nie in die Herzen der FCB-Fans geschafft. Eine Lektion hat er immerhin mitgenommen aus der Schweiz: In Florenz öffnet er nun einmal wöchentlich für die Öffentlichkeit die Tore zum Training der Mannschaft.
Zurzeit eine Versicherung für Paulo Sousas Fiorentina: Der Kroate Nikola Kalinic, der im Sommer für rund fünf Millionen Euro von Dnipro Dnipropetrwosk geholt wurde. (Bild: Keystone/MAURIZIO DEGL’INNOCENTI)
Auch wenn die Europa League nur einen untergeordneten Stellenwert geniesst in Italien – in dieser Gruppe zu scheitern wäre «für einen ambitionierten Club wie die Fiorentina ein schwer verdaulicher Schlag», wie auf dem Portal «Calciomercato» angemerkt wird. Zwei Heimniederlagen – erst das 1:2 gegen den FCB, dann das gleiche Ergebnis gegen Lech Posen – sind schon kein Ruhmesblatt.
So ist die Schlussfolgerung, dass Sousa seine Startformation gegen Empoli mit Blick auf die Partie in Basel gebastelt und seine Besten geschont hat, wohl nicht zu weit hergeholt. Auch wenn sein Präsident Andrea Della Valle nach dem Derby am Sonntag die Prioritäten unmissverständlich absteckte: «Vorrang hat die Meisterschaft – mir gefällt es, an der Spitze zu stehen und dem violetten Volk auch.»
Am Sonntag geht es für die Fiorentina in die Emilia-Romagna zum ebenfalls erstaunlich gut gestarteten Sassuolo, aber in Basel wird Sousa mit der stärksten Formation seine Visitenkarte hinterlassen wollen. Den Preis dafür war er bereit zu zahlen im letzten Meisterschaftsspiel.
Die Ausgangslage in der Basler Gruppe I der Europa League: