Am Sonntag liess «Metrosport» genüsslich enttäuschte Fans des FC Basel zu Wort kommen. Die Sportzeitung aus Thessaloniki wählte nach der 1:2-Heimpleite zum Schweizer Meisterschaftsauftakt gegen den FC St. Gallen besonders düstere Kommentare aus dem Internet aus, in denen die Ablösung von Trainer Raphael Wicky, Sportchef Marco Streller und Präsident Bernhard Burgener gefordert werden. So schürt das Blatt Optimismus bei den Fans von PAOK Saloniki vor dem Champions-League-Qualifikationsspiel am Dienstag gegen den FC Basel.
Den Sprung in den exklusiven Kreis des europäischen Spiel- und Geldadels hat PAOK noch nie geschafft, aber dieses Mal sind die Hoffnungen besonders gross, auch wenn es gegen Basel zunächst in die erste von drei Ausscheidungsrunden geht. Genährt wird der Glauben an ein Weiterkommen, weil der Gegner seines Meisterabonnements verlustig ging und durch die aktuell schlechte Stimmung am Rheinknie. «Wenn nicht jetzt, wann sollen wir dann Basel schlagen?» – so lautet das Motto in den einschlägigen Foren der PAOK-Fans.
Dabei sind die Leistungen der Mannschaft von Trainer Razvan Lucescu in der Vorbereitung bislang auch nicht berauschend. Obwohl die Saison in Griechenland erst am 25. August beginnt, trainiert PAOK seit dem 20. Juni, hat zwei Trainingslager in den Niederlanden hinter sich und zuletzt gegen Royal Antwerpen verloren (1:3) und gegen gegen den holländischen Erstligisten De Graafschap gewonnen (2:1).
Doch Trainer Lucescu lobt «die Mentalität» seiner Auswahl. Der 49 Jahre alte Rumäne, Sohn des aktuellen türkischen Nationaltrainers und langjährigen Erfolgscoaches von Schachtar Donezk, Mircea Lucescu, 72, erfreut sich der Rückendeckung von PAOK-Eigner Ivan Savvidis. Nach seiner ersten, vom Pokalsieg gekrönten Saison bekam Lucescu vom milliardenschweren Savvidis einen Fussball geschenkt, gespickt mit Edelsteinen und und dazu die Botschaft: «Razvan, du hast ein makelloses Klima für das Team geschaffen. Wir haben die Saison mit erhobenem Haupt beendet, herzlichen Glückwunsch!»
Ivan Savvidis wird von den Fans von PAOK ehrfürchtig «Ivan der Schreckliche» genannt. Darin liegt eine Anspielung auf die Heimat des Unternehmers in der Sowjetunion. 2012 hat Savvidis die Mehrheit an dem Traditionsklub erworben.
Ende März lieferte der Mann mit dem grauen Bart weltweit Schlagzeilen, als er in der Endphase des Spiels gegen den Konkurrenten AEK Athen mit einer Pistole im Gürtel auf den Platz stürmte. Der Schiedsrichter hatte PAOK das vermeintliche 1:0-Siegtor aberkannt. Nach diesem Eklat wurde die ohnehin skandalumtoste griechische Liga drei Wochen ausgesetzt, auch ein Ausschluss von PAOK aus den internationalen Wettbewerben lag im Bereich des Möglichen. Schliesslich wurden PAOK drei Punkte abgezogen, und die kommende Saison startet der Klub mit zwei Punkten Abzug. Der 59-jährige Savvidis wurde mit drei Jahren Stadionverbot bestraft.
Ex-Spitzenschiedsrichter als Sportchef
Auch Sportdirektor Lubos Michel (50) erhielt 90 Tage Stadionverbot, weil er den Schiedsrichter bedroht haben soll. Dabei war der Slowake einst selbst Spitzenschiedsrichter und leitete 2008 das Champions-League-Finale. Seit 2015 fungiert er als Sportdirektor bei PAOK, nachdem er nach seiner aktiven Karriere unter anderem als Teamchef von Schachtar Donezk tätig war, wo er mit dem Vater des aktuellen PAOK-Trainers zusammenarbeitete.
Der Skandal – so bizarr er war – stärkte Savvidis sogar und ebenso den Trotz der PAOK-Fans. Seit 1985 wartet der erste Klub aus der geschichtsträchtigen Hafenstadt am Thermaischen Golf der Ägäis auf den Gewinn der griechischen Meisterschaft. In der vergangenen Saison sah man sich so dicht davor wie lange nicht mehr – und durch fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen um den Triumph gebracht.
Der Nord-Süd-Konflikt und ein Präsident als Vorkämpfer
Im Fussballverein PAOK spiegelt sich aus Sicht der Nordgriechen der Nord-Süd-Konflikt im Land: Athen gegen Thessaloniki, PAOK gegen die grossen Athener Klubs Olympiakos, Panathinaikos und AEK.
Auch vor dem Spiel gegen Basel spielt diese Rivalität eine Rolle, so schrieb ein Kommentator in «Metrosport» über die Motivation von PAOK für die Champions-League-Spiele gegen die Schweizer: «Das folternde Abenteuer des letzten Jahres und der sadistische Diebstahl der Meisterschaft sollten nicht vergessen werden.» Diese Meinung ist bei vielen Menschen in Thessaloniki verbreitet.
In Savvidis sehen die Fans einen Kämpfer gegen die Unterdrückung durch das Athener Establishment. Im heutigen Georgien geboren, baute Savvidis nach dem Zerfall der Sowjetunion ein Tabakimperium auf. Einige Zeit sass der Oligarch für Putins Regierungspartei «Einiges Russland» im russischen Parlament.
Seit sechs Jahren investiert er im krisengeplagten Griechenland. Savvidis besitzt unter anderem Anteile am Hafen von Saloniki sowie an Zeitungen und einem TV-Sender. Seine Firmen «Makedonia Palace Hotel» und «Souroti» sind Hauptsponsoren der Super League.
Beste Kontakte nach ganz oben
Savvidis werden beste Beziehungen zur Regierung von Ministerpräsident Tsipras nachgesagt. Nachdem die Regierung vor drei Jahren ein umstrittenes Gesetz erliess, das unter anderem PAOK Saloniki von Steuerschulden in Millionenhöhe befreite, schrieb Savvidis einen Dankesbrief an Tsipras. In dem hiess es: «Befreit von den Fesseln der Schulden, werden wir den Klub auf den Weg unserer Träume führen können.»
Auch deswegen kursiert in Athen eine andere Lesart des Konflikts: PAOK und Saloniki wollten sich demnach durch gute Verbindungen zur Regierung den Erfolg kaufen. Die Regierung weist derlei Vorwürfe entschieden zurück; eine Debatte im Parlament zum Thema wurde Anfang April erhitzt geführt.
Für die PAOK-Fans ist Savvidis ein Held, der für ihre Belange kämpft. So überlegt der Klub offenbar, eine bestimmte Anzahl von Dauerkarten Arbeitslosen zur Verfügung zu stellen. Das Stadion «Toumba», benannt nach dem gleichnamigen Stadtteil nahe des Zentrums, ist eine alte Betonschüssel, die lediglich 28’701 Zuschauern Platz bietet, und nur die Haupttribüne ist überdacht.
Die Fans von PAOK gelten als heissblütig, letzte Saison stürmten 40 radikale unter ihnen ein TV-Studio und zwangen den Moderator, ihre Forderungen vorzutragen, als PAOK wegen Ausschreitungen mal wieder von Punkteabzug bedroht war. Nicht gut angekommen ist in Thessaloniki, dass Basler Fans zu einem Boykott der Partie in Griechenland aufgerufen haben – aus Protest gegen personalisierte Tickets.
Die Mannschaft des als Taktikfuchs geltenden Trainers Lucescu ist sehr erfahren. Portugals Europameister Vieirinha (32) ist mit seiner Bundesliga-Vergangenheit in Wolfsburg einer der bekanntesten Profis im Kader. Neuzugänge sind bislang der ukrainische Nationalspieler und Innenverteidiger Evgen Khacheridi von Dynamo Kiew und der 19-jährige Flügelflitzer Leo Jaba von Akhmet Grozny, ein brasilianischer Junioren-Nationalspieler.
Auch die Spieler folgen ihrem mächtigen Klubeigner inbrünstig, Aleksandar Prijovic sagte beispielsweise einst über Savvidis: «Er ist ein grosser Chef und wir sind seine Armee.»
PAOK setzt auf die Tore von Prijovic
Der in St. Gallen geborene Mittelstürmer ist der grosse Hoffnungsträger vor den Spielen gegen den FC Basel. Nach Stationen in Italien, England, der Türkei, in Schweden, der Schweiz und Polen stieg der serbische Nationalspieler in der letzten Saison mit 27 Treffern in 39 Pflichtspielen zum Publikumsliebling auf. Erst im Februar verlängerte er seinen Vertrag bei PAOK bis 2022.
Dennoch gilt der wuchtige Profi als ein möglicher Wechselkandidat, sollte die Champions-League-Gruppenphase nicht erreicht werden. Klubs aus England, Deutschland, aber auch aus dem arabischen Raum sollen Interesse an einer Verpflichtung Prijovics haben, der bei der WM zu einem Kurzeinsatz gegen Costa Rica kam. Andererseits will PAOK ohnehin noch einen zweiten Stürmer und einen Linksverteidiger verpflichten.
Achtung: Doppeladler
Auf einem der jüngsten Instagram-Posts von Prijovic stehen auf Englisch Kommentare mit offensichtlich serbischer Herkunft. In einem heisst es in Erinnerung an das aufgeladene WM-Spiel Serbien gegen die Schweiz (1:2) in englischer Sprache: «Prijo wird Basel und den anderen Xhaka zerstören.» Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka werden seit ihrem Doppeladler-Jubel nach ihren Toren von vielen Serben wie Staatsfeinde angesehen.
Dazu ist ganz nüchtern festzuhalten, dass Granits Bruder Taulant Xhaka verletzt fehlt. Und einem Doppeladler huldigen die PAOK-Anhänger auch: Er ist das Wappentier im Klubemblem. So oder so: Die Partie im Toumba am Dienstag wird für den FC Basel aus vielerlei Gründen eine schwierige werden.
Die Partie der zweiten Qualifikationsrunde zur Champions League zwischen PAOK Saloniki und dem FC Basel wird am Dienstag, 24. Juli, um 19.30 Uhr angepfiffen und beim Pay-TV-Sender «Teleclub» live übertragen. Das Rückspiel findet am 1. August (20 Uhr) in Basel statt.