Opfer eines Konzepts

Raphael Wicky ist nicht mehr Trainer des FC Basel. Sportdirektor Marco Streller und Präsident Bernhard Burgener kehren ihrer ersten grossen Personalentscheidung den Rücken. Das Umfeld des Wallisers ist entrüstet.

Raphael Wicky ist am Donnerstag vom FC Basel freigestellt worden.

Im Mai sass Raphael Wicky vor dem sportlich bedeutungslosen Heimspiel gegen den Meister Young Boys in der Rotblaubar des St.-Jakob-Parks und sinnierte über sein Dasein als Fussballtrainer. Es war ein Gespräch über Wickys erste Saison als Profitrainer, über die Erfolge in der Champions League, über den verpassten Titel. Und über die Zukunft. Vor allem über die Zukunft.

In diesem Moment war klar, dass Wicky weiter der Trainer des FC Basel sein wird. Obwohl der Verein erstmals seit acht Jahren den Meistertitel verpasst hatte. «Wir haben keinen Titel geholt – okay. Aber es war alles andere als eine katastrophale Saison», sagte Wicky damals.

Wicky war auch deswegen für die kommende Saison gesetzt, weil er der erste grosse Personalentscheid der neuen Führung war. Sein Vorgänger Urs Fischer stand zwar für den Gewinn des zweiten Sterns, aber auch für das Ende der Erfolgsära von Präsident Bernhard Heusler und Sportdirektor Georg Heitz. Der neue Besitzer Bernhard Burgener und sein Sportchef Marco Streller wollten mit einem eigenen Mann in ihre erste Saison gehen.

Entscheidungsträger unter sich (von rechts): Kaderplaner Remo Gaugler, Sportchef Marco Streller, Interimstrainer Alex Frei und Massimo Ceccaroni.

Wicky erhielt einen klaren Auftrag: Er sollte die Durchlässigkeit von der Juniorenabteilung in die erste Mannschaft wieder vergrössern, mehr Spieler aus dem Nachwuchs wollte die Vereinsführung in der ersten Mannschaft integriert sehen.

Und Wicky war die Metapher dieses neuen Konzepts: Denn er selbst wurde als Trainer aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft befördert. Vier Jahre war der Walliser bei der U18 und der U21, nachdem er beim FC Thun und bei Servette Genf im Nachwuchs tätig gewesen war. Erfahrung als Trainer einer Profimannschaft hatte er noch keine.

Alex Frei übernimmt – auch er ein Novize als Trainer bei den Profis

Wicky unterschrieb beim FC Basel einen Vertrag bis Ende der Saison 2018/19 mit einer Option auf eine weitere Spielzeit. Zwei verlorene Partien ist die neue Saison erst alt und das Bekenntnis zu Wicky bereits Geschichte. Der 41-Jährige und sein Assistent Massimo Lombardo wurden am Donnerstag nach dem Morgentraining freigestellt, der Spielerrat erfuhr danach von Marco Streller von der Trennung.

Wicky selbst hat sich noch nicht zur Trennung geäussert. Aber in Wickys Umfeld stösst die Begründung des Klubs auf Entrüstung.

«Fünf Niederlagen in Serie entsprachen nicht den Erwartungen der sportlichen Leitung», heisst es im Communiqué des FC Basel. Damit werden auch drei Niederlagen in Testspielen eingerechnet, in denen Wickys Auftrag war, den jungen Spielern Einsatzzeit zu geben.

Aus und vorbei: Raphael Wicky (links) und Massimo Lombardo sitzen in Thessaloniki bei der Champions-League-Qualifikation zum letzten Mal auf der Basler Trainerbank.

Zwei verlorene Wettbewerbsspiele zum Saisonauftakt, ein 1:2 gegen St. Gallen und ein 1:2 gegen POAK Thessaloniki, haben die Erkenntnislage der sportlichen Leitung offenbar entscheidend verändert. Sie glaubt allem Anschein nach nicht, dass die Mannschaft mit Wicky den verpatzten Start korrigieren kann.

Verwaltungsrat Alex Frei übernimmt als Trainer die erste Mannschaft.

Wer neuer Trainer werden soll, ist offen. Vorübergehend übernimmt Alex Frei die Mannschaft. Im Fussballgeschäft hat Frei schon mehrere Funktionen ausgeübt: Der heute 39-Jährige wurde nach der Spielerkarriere mehr oder weniger über Nacht vom Fussballer zum Sportchef des FC Luzern, gab diesen Job aber nach anderthalb Jahren erschöpft wieder auf.

Danach war Frei Trainer der Basler U16 und später der U18, mit der er jüngst Schweizer Meister wurde. Er ist ausserdem Verwaltungsrat der FC Basel 1893 AG, die den Profibetrieb unter sich hat. Aber Trainer einer Profimannschaft war auch er noch nie.

Er hat die Uefa-Pro-Lizenz und wird Alex Frei zur Seite gestellt: Marco Schällibaum, zuletzt Trainer beim FC Aarau in der Saison 2016/17.

Wicky deponierte bei der Klubleitung einen Wunsch

Raphael Wicky hat für die beste Champions-League-Saison eines Schweizer Vereins gesorgt. Er wurde hinter einem überzeugenden Meister aus Bern Zweiter, nachdem er nach der Winterpause eine Mannschaft neu aufbauen musste, weil diese gewichtige Abgänge zu verzeichnen hatte.

Das gleiche Bild gab es in der Sommerpause: Geholt wurde Jonas Omlin, ein begabter Goalie, der ein erstes Jahr in der Super League hinter sich hat und in Basel bereits erkennen lässt, ein guter Ersatz für Tomas Vaclik zu werden. Die verloren gegangenen Scorerpunkte von Mohamed Elyounoussi soll der 22-jährige Aldo Kalulu auffangen, der bei allen guten Veranlagungen vergangene Saison zweite französische Liga gespielt hat und seine Zeit benötigt. Das gilt angesichts des Trainingsrückstands auch für den gestandenen Rechtsverteidiger Silvan Widmer, den der Klub dem Trainer vier Tage vor Saisonstart zur Verfügung gestellt hat.

Der Trainer arbeitete mit einem Kader, das ihm die Zielvorgaben der Vereinsführung nicht eben leicht machte.

Nach der Aufarbeitung der vergangenen Saison hatte Wicky nach Informationen der TagesWoche bei der Klubleitung seine Bitte deponiert, nicht erneut mehrere Leistungsträger abzugeben. Dieses Vorgehen soll in der Klubleitung nicht nur Wohlgefallen ausgelöst haben.

Wicky blieb loyal

Schon im Mai, bei diesem Gespräch in der Bar des Stadions, klang Wickys Bitte zwischen seinen Worten immer wieder durch. Die Vorgaben des Vereins, der Titelgewinn in der Schweiz, das Erreichen des Cupfinals und die Gruppenphase in einem europäischen Wettbewerb, waren schwer vereinbar mit dem Konzept der neuen Führung. Aber Wicky blieb loyal und sagte: «Wir ziehen die Philosophie durch: verkleinern, verjüngen, verbaslern.»

Wickys erstes Engagement als Trainer einer Profimannschaft endet nach 51 Spielen mit dem FC Basel. 29 davon hat er gewonnen, 13 verloren. Er ist in der Champions League an Manchester City gescheitert, in der Super League und im Cup an den Young Boys.

Die 1:2-Niederlage in der Champions-League-Qualifikation war der Vereinsführung zu viel. Sie lässt Raphael Wicky fallen.

https://tageswoche.ch/form/kommentar/der-fcb-verliert-die-nerven/

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