Was nun, Herr Streller?

Jeder müsse sich selbst hinterfragen, auch er selbst – das kündigt der Sportdirektor des FC Basel an, nachdem es die zweite Heimniederlage hintereinander gesetzt hat. Das ist dem FCB zum letzten Mal vor über 20 Jahren passiert und löst entsprechend Bestürzung aus. «Alles auf die Transfers zu reduzieren wäre mir zu einfach», sagt Marco Streller. 

«Vor ein paar Wochen hatte ich viele Schulterklopfer» – FCB-Sportdirektor Marco Streller sieht hier die Schlussminuten der Heimniederlage gegen St. Gallen.

Sichtlich angefressen und angefasst von dem, was er in den 93 Minuten zuvor gesehen hatte, stellte sich Marco Streller unmittelbar nach der 0:2-Heimniederlage gegen den FC St. Gallen vor die Medien. Und der Sportdirektor des FCB kündigte an, dass nun Klartext geredet werden müsse. Intern, wie er betonte.

Gereizt reagierte Streller auf die Frage, ob es am Trainer liege, dass die Spieler ihre Qualitäten nicht mehr auf den Platz bringen: «Sie haben aber im Herbst schon auch Champions League geguckt?», entgegnete Streller, «dann muss ich diese Frage gar nicht beantworten. Das ist völliger Blödsinn. Raphael Wicky macht eine grossartige Arbeit.»

Die Aufzeichnung aus der Mixed Zone im St.-Jakob-Park:

Marco Streller, was ist los mit dem FC Basel?

Es ist klar nicht unser Anspruch, zwei Heimspiele hintereinander zu verlieren. Auch wenn es bei Weitem kein gutes Spiel war, müssen wir in der ersten Halbzeit mit zwei, drei Toren führen. Nach der Pause war St. Gallen noch einmal ein Spürchen defensiver. Und doch hatten wir viele Strafraumszenen. Dieses Spiel musst du gewinnen, da gibt es gar keine Diskussion. Wenn du einem Gegner wie St. Gallen unterliegst, der angeschlagen angereist ist, dann ist das sehr, sehr ärgerlich und schmerzhaft.

Ist Ihnen das als Spieler auch passiert, dass Sie zwei Heimspiele mit dem FCB verloren haben?

Ich weiss es nicht, und es ist mir auch egal, weil es uns nicht weiterbringt. Wir müssen uns im Jetzt bewegen. Das ist ungenügend – und das werden wir intern ansprechen. Jeder muss bei sich selber anfangen. Auch ich. Ich bin verantwortlich für die Zusammenstellung dieser Mannschaft. Und ich bin nach wie vor überzeugt, dass das eine gute Mannschaft ist.

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Besonders bitter muss es sein, dass ausgerechnet der vom FCB ausgeliehene Cedric Itten beide Tore für St. Gallen erzielt hat.

Er hat gezeigt, was Leidenschaft ist und wie man sich vor dem Tor verhalten muss. Es ist mir total egal, wer die Tore des Gegners schiesst. Aber ich kenne seine Qualitäten: Er kann den Ball vorne halten, es ist unangenehm, gegen ihn zu spielen. Und für uns ist es wirklich bitter, dass ausgerechnet er gegen uns getroffen hat. Aber im Sommer ist er wieder bei uns, dann ist er wieder Spieler des FC Basel. Aber derzeit ist er Stürmer des FC St. Gallen, und er hat uns sehr wehgetan.

Der FCB dagegen ist aus dem Tritt geraten. Haben sich die Gewichte im Team durch die Wintertransfers zu sehr verschoben?

«Alles auf die Transfers zu reduzieren wäre mir zu einfach» – Marco Streller über die Wechsel im Winter, zu denen die Rückkehrer Valentin Stocker (Bild) und Fabian Frei gehören.

Wir haben die Transfers aus Überzeugung getätigt. Wenn es nicht läuft, ist es klar, dass wir hinterfragt werden. Vor ein paar Wochen hatte ich viele Schulterklopfer, die mir zu diesen Wechseln gratuliert haben. Und jetzt sind es wahrscheinlich dieselben Leute, die behaupten, dass es schlechte Transfers waren. Valentin Stocker war heute sicher noch nicht auf dem Level, auf dem er spielen kann, trotzdem war er an fast allen gefährlichen Offensivaktionen beteiligt. Diese Spieler werden ihre Leistung bringen. Alles auf die Transfers zu reduzieren wäre mir zu einfach. Es sind schliesslich Nationalspieler, die wir geholt haben.

Noch stellen sie aber keine Verstärkung dar.

Klar, dass Führungsspieler in solchen Situationen gefragt sind. Ich kenne solche Momente zur Genüge aus meiner Karriere als Spieler. Es scheint nicht immer nur die Sonne. Darum ist es auch so wichtig, dass wir die Dinge intern klar ansprechen. Und zwar richtig, richtig klar. Da muss sich jeder selbst hinterfragen.

Was ist mit Fabian Frei los, der als Führungsspieler geholt worden ist und erneut nur auf der Ersatzbank war?

Wir haben ein sehr breites Kader. Wenn man zu viel wechselt, und es geht nicht auf, ist es nicht recht. Wenn man nicht viele Wechsel macht, wie wir jetzt nach dem Auswärtssieg in Thun, ist es offensichtlich auch wieder nicht recht. Ich habe viel gelernt im letzten Dreivierteljahr. Wichtig ist, dass du gewinnst, dann machst du auch einiges richtig. Es gibt schon ein paar Parallelen zum Saisonbeginn, das sehe ich doch auch. Fussball ist manchmal schwierig erklärbar. Es ist jetzt wichtig, dass wir zusammenhalten und versuchen, positiv zu bleiben in dieser ganz schwierigen Situation.

Gratulieren Sie YB bereits zum Meistertitel?

Es sieht derzeit sehr schlecht aus, was den Meistertitel angeht. YB spielt eine sehr stabile Saison, aber das haben wir auch schon gesagt – und drei Spiele später war der Vorsprung um fünf, sechs Punkte geschmolzen. Das Momentum spricht ganz, ganz klar für YB. Ich werde den Bernern gratulieren, wenn es so weit kommt. Aber sicher noch nicht jetzt, dafür ist es doch noch viel zu früh in der Saison.

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