Auf dem Spiel steht auch noch etwas an diesem Dienstag, zumindest für die Schweiz, wenn sie in Wembley aufläuft (20.45 Uhr). Doch bei den Engländern, die bereits gebucht haben für die Euro 2016, dreht sich alles nur um Wayne Rooney, der mit seinem 50. Länderspieltor zum Rekordtorschützen seines Landes werden kann.
Die lange Reise, die Stürmerstar Wayne Rooney mit der englischen Nationalmannschaft hinter sich hat, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Gerade einmal 25 Kilometer liegen der Upton Park und die Fussballkathedrale Wembley auseinander. Vergangenheit und Gegenwart können sich hier fast die Hand reichen, aber eben nur räumlich, nicht zeitlich.
Schliesslich liegen zwischen dem Länderspieldebüt von Rooney im Stadion von West Ham United und dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Schweiz im Wembley, in das der Captain am Dienstagabend erstmals als englischer Rekordtorschütze im Wembley einlaufen wird, zwölf Jahre. Zwölf Jahre, das sind in der Sprache des Angreifers: 49 Tore für England – so viele, wie zuvor nur Bobby Charlton erzielt hat.
Die Rekordtorschützen bei «The Telegraph» | ||
Englands beste Torschützen im Nationalteam | ||
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Name |
Zeit |
Tore |
Bobby Charlton | 1958-1970 | 49 |
Wayne Rooney | 2003-2015 | 49 |
Gary Lineker | 1984-1992 | 48 |
Jimmy Greaves | 1959-1967 | 44 |
Michael Owen | 1998-2008 | 40 |
Die Karriere von Wayne Rooney, 29, hat andere nationale Torjägerlegenden ein wenig verblassen lassen. Zunächst ist er an Kevin Keegan vorbeigestürmt, dann an Alan Shearer und Michael Owen. Seit seinem verwandelten Elfmeter gegen San Marino am vergangenen Samstag liegt nun auch Gary Lineker hinter Rooney in der Rekordliste. Schon kurz nach der Halbzeit hat Nationaltrainer Roy Hodgson vorsorglich seinen Frontmann vom Spielfeld genommen.
Wembley soll Rooneys Rekordbühne sein
Das zierlich daherkommende Stadio Olimpico erschien Hodgson nicht als geeignete Umgebung für ein zweites Tor Rooneys und damit einen Eintrag ins Geschichtsbuch. Ein Duell mit der Schweiz, die Hodgson einst zur Weltmeisterschaft 1994 in den USA gelenkt hat, passt da viel besser. Zumal der englische Verband vorsorglich von seinen hohen Eintrittspreisen abwich, um ein Wembley mit etwa 90’000 Zuschauern gewährleisten zu können.
Vier Minuten zum Geniessen:
Bei all der Folklore um das 50. Länderspieltor von Rooney gerät es fast in Vergessenheit, dass die Begegnung kein Ehrerweis der Schweiz an Englands Captain darstellt, sondern ein Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft. Die Engländer sind zwar als makelloser Tabellenführer der Gruppe E bereits teilnahmeberechtigt, aber die Schweizer eben nicht. So könnte es passieren, dass Rooney der Jubiläumstreffer schwerer fält als angenommen und der Spannungsbogen einen nicht einkalkulierten Einbruch erleiden.
Das Spiel gegen die Schweiz muss hinten anstehen
Sowieso muss die sportliche Bedeutung des Spiels gerade in der Öffentlichkeit hinten anstehen. Die Zeitungen auf der Insel sind vollgestopft mit Wayne-Rooney-Geschichten. Die zu Saisonbeginn laut gewordene Kritik an ihm nach zehn Premier-League-Spielen für Manchester United ohne Tor ist erstmal eingestellt. Statt die Taste 0 zu drücken, tippen die Medien gerade lieber die 100. Beim «Telegraph» wirkt sich das so aus, dass jeder einzelne der 49 Treffer Rooneys seziert und dann mit denen von Charlton verglichen wurde.
Das Generationenduell wird gerne bemüht, schliesslich hat ja auch der mittlerweile 77-Jährige den Grossteil seiner Karriere bei Manchester United verbracht. Im Oktober vergangenen Jahres überreichte er Rooney schon mal in Wembley zu dessen 100. Einsatz für England eine goldene Kappe. Nun befindet sich Charlton wiederum im Stand-by-Modus. Das 50. Tor von Rooney ist absehbar, zumal auch noch andere Rekorde – wie der von Peter Shilton mit seinen 125 Länderspieleinsätzen – in Reichweite liegen (Rooney: 106).
Rooney – der Letzte seiner Generation
In einem Monat wird der gebürtige Liverpooler gerade mal 30 Jahre alt, dabei datiert sein erstes Tor für England vom 6. September 2003 in Mazedonien. Es war eine Zeit, in der alle Aufmerksamkeit noch auf Spielern lag, die mittlerweile längst von der aktiven Fussballbühne verschwunden sind. Hinterlassen hat die mit Weltstars wie David Beckham, Paul Scholes oder Gary Neville ausgestattete Truppe allerhand Tragik und Eitelkeit, Titel bei Welt- und Europameisterschaften gab es für sie jedoch nicht.
Wayne Ronney: Frühzeitig ausgewechselt in San Marino, um am Dienstag in Wembley gegen die Schweiz zu Englands Rekordtorschützen zu werden? (Bild: Reuters/Alberto Lingria)
Das einzige Relikt, das es aus der Zeit der goldenen Generation noch zu bestaunen gibt, ist Wayne Rooney. Das rabaukenhafte Verhalten bei seinem Durchbruch hat er inzwischen abgestreift, seine Priorität liegt nun auf dem Teamgedanken. Abgesehen von Michael Carrick verfügt keiner der aktuellen Nationalspieler über ein solches Portfolio an Erfahrung wie Rooney.
Eines bleibt Bobby Charlton – er ist Weltmeister
Seine hin und wieder unbeherrschten Ausbrüche hat er auf die Bank gesetzt, er weiss, um seine Bedeutung als Captain der «Three Lions». Um ihn herum spielen eine Reihe talentierter Jungprofis. Besonders Raheem Sterling und Daniel Sturridge wird eine leuchtende Zukunft prognostiziert, aber sie benötigen einen, der sie auf dem Weg zu Titeln an die Hand nimmt.
Anführer einer jungen Generation: Wayne Rooney (Mitte) mit Ross Barkley (links) und Alex Oxlade-Chamberlain. (Bild: Reuters/Alberto Lingria)
Ein Triumph mit dem Nationalteam ist die letzte verbliebene Lücke im Lebenslauf von Rooney. Fünf Meisterschaften, drei Ligapokalsiege und die Champions League hat er mit ManUnited bereits gewonnen, aber es geht ihm um mehr. «Ich würde all meine Tore für die Siegermedaille nächsten Sommer abgeben», sagt er. Den Status des Rekordtorschützen Englands wird Rooney bald für sich alleine haben, und trotzdem hat Bobby Charlton ihm noch etwas voraus: Er wurde Weltmeister mit England 1966.
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Das Spiel aus Schweizer Perspektive: Die Qualifikationschance gegen England ist gering