Die Bevölkerung darf Kunst an die Wand klatschen

An einer Hausfassade am Rande des Gundeli-Quartiers soll Kunst entstehen. Fünf Vorschläge stehen zur Auswahl. Eine Jury entscheidet, hört dabei aber auf den Beifall aus der Bevölkerung.

Fünf Entwürfe, nur einer wird realisiert.

Mit Kunst im öffentlichen Raum ist es so eine Sache. Weil hier die Aussenwirkung Prinzip ist, kommt es jeweils unausweichlich zum Clash der Geschmäcker: Was den einen gefällt, finden andere abscheulich, banal oder penetrant, anbiedernd oder provokativ. Dennoch hat Kunst im öffentlichen Raum oder Kunst am Bau in Basel eine lange und zuweilen lebendige Tradition, die bis in die Gegenwart reicht.

Im Stadtentwicklungs-Schwerpunkt «Gundeli-Plus» fanden auch zwei entsprechende Kunstkredit-Wettbewerbe statt. Beide Male geht es um Wandgestaltungen. Die eine, das collagenhaft abstrakte Wandgemälde «Site Unseen» von Claire Kenny an der Ecke Gundeldinger- und Achilles Bischoff-Strasse, ist bereits realisiert. Das zweite Gemälde soll nun folgen. Es wird auf einem vertikalen Fassadenband eines typischen 1970er-Jahre-Wohnhauses an der Ecke Margarethen-/ Gundeldingerstrasse aufgetragen.

Beiden Auswahlprozessen ist gemein, dass die Verantwortlichen versuchten oder versuchen, die Bevölkerung mitentscheiden zu lassen. «Beim ersten Mal versuchten wir, an einer öffentlichen Veranstaltung Stimmen einzuholen», sagt Katrin Grögel, Co-Leiterin der Abteilung Kultur und bis vor Kurzem Verantwortliche für den Kunstkredit. «Wir erreichten damit aber weniger Menschen als erhofft.»

Im aktuellen Fall probiert die Abteilung Kultur nun zusammen mit dem Baudepartement und der Kantons- und Stadtentwicklung etwas Neues aus: In diesem Fall kann die Bevölkerung ihre Stimme per E-Voting abgeben.

Des Volkes Stimme wird letztlich aber eine von mehreren sein. Die Kunstkreditkommission wird das Zepter in der Hand behalten. Ein Wörtchen mitreden werden ferner der Hausbesitzer sowie zwei handverlesene Vertreter aus dem Quartier.

Zur Endauswahl stehen fünf Projekte, die es aus einer langen Liste von 62 Eingaben in die zweite Runde geschafft haben. Darunter sind Werke von erfahrenen Kunst-am-Bau-Künstlern wie Guido Nussbaum oder Boris Rebetez, aber auch bisher weniger präsenten Künstlerinnen und Künstlern wie Geneviève Morin, Jan Kiefer und die Künstlergruppe ÜBR.

Vom Scherz bis zur Zeitreise

Es sind höchst unterschiedliche Entwürfe, die eigentlich nur eines gemein haben: Sie sind für 40’000 Franken umsetzbar und stören die Aufmerksamkeit der vielen Autofahrer an dieser Ecke nicht:

  • Nussbaum hat sich einen kleinen Scherz über den Städtebau erlaubt, namentlich über den ersten Entwurf von Herzog & de Meuron für den Roche-Turm, der sich wie eine Doppelhelix in den Himmel geschraubt hätte. Bei Nussbaum ist es nun ein Korkenzieher.
  • Rebetez‘ Entwurf zeigt den Negativ-Schatten einer Aussentreppe.
  • Kiefers Entwurf zeigt ebenfalls eine Treppe beziehungsweise verschiedene, aufeinander gestapelte bunte Treppen-Versatzstücke.
  • Morin hat einen Totem entworfen, unter anderem mit gestisch gemalten Tierköpfen und Pflanzen.
  • Die Künstlergruppe ÜBR dreht das Rad der Zeit zurück und zeigt auf dem deutlich auf Stilbruch bedachten Gemälde den Blick durch ein monströses altes Schlüsselloch ins einstige Gundeldinger Schloss.

Gemeinsam ist den Werken ihr plakativer und stilisierender Charakter. Das Wandgemälde soll offensichtlich auffallen und damit ein gut sichtbares Portal ins Gundeli markieren.

Damit sind zwei Beurteilungskriterien, nämlich die «Kennzeichung des Ortes» und «Architektur- und Ortsbezug», mehr oder weniger erfüllt. Die «Realisierbarkeit» dürfte abgeklärt worden sein. Bleiben also die Kriterien «künstlerische Qualität» und «Relevanz als zeitgenössische ästhetische Praxis», über die man sicher heftig streiten kann.

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