Oberflächlich betrachtet gibt es für Anhänger des FC Basel keinen Grund zu klagen. Der Dauer-Schweizermeister verspricht dem Publikum in der zweiten Saisonhälfte eine spannende Aufholjagd: Nur noch die Berner Young Boys stehen einem weiteren Pokal im Weg. Und dass Basel es in der Königsklasse bis ins Achtelfinal gegen Manchester City geschafft hat, die mit einem Wert von einer Milliarde Franken teuerste Mannschaft der Geschichte, ist eine Sensation. Gemessen an den finanziellen Verhältnissen war der FCB mit dem 0:4 gut bedient.
Doch mit Oberflächlichem gibt sich mancher Fan nicht zufrieden. Beim Spiel gegen Lugano, dem ersten nach der Winterpause, stieg in der Muttenzerkurve schwarzer Rauch auf. Aus Protest: «eSports dr Stegger zieh!», forderten Fans auf einem Transparent, wie barfi.ch berichtete. Dieselbe Forderung wiederholten sie am Dienstag in der ersten Halbzeit des Champions-League-Achtelfinals gegen Manchester City.
Die Irritation geht über eSports hinaus
Warum protestieren FCB-Fans gegen eSports? Was haben einige dagegen, dass der Verein auch beim Zocken auf der Playstation gute Spieler verpflichtet, Preise abräumt – und damit nicht nur Ruhm, sondern, das ist das erklärte Ziel, dereinst neue Sponsoren gewinnen, sprich Geld verdienen will?
Mangelnde Liebe am Spiel kann man Playstation-Gamern kaum vorwerfen. Darum geht es den protestierenden Fans auch nicht. Ein Protest-Flugblatt, das sie vor dem CL-Spiel verteilten, verdeutlicht: Die Irritation einiger FCB-Anhänger über den modernen FCB gründet tiefer. Sie sehen eSports als Symptom einer Entwicklung, die mit ihrer Vorstellung von Liebe zu ihrem Verein nicht mehr viel zu tun hat.
Kritik am Kommerz
Fantum ist nicht einfacher geworden in Zeiten der Hyperkommerzialisierung des beliebtesten Spiels der Welt – und die Fans der Muttenzerkurve verfolgen das, was FCB-Spitze und -Kommunikationsabteilung von sich geben, schon länger mit Argwohn. Das aktuelle Flugblatt kritisiert Aussagen des Präsidenten Bernhard Burgener: Es «befremdet, wenn er vom FCB als ‹Marke› und von uns Fans als ‹Kunden› spricht. Es befremdet umso mehr, wenn Mitarbeiter des Klubs in Interviews vom ‹Digital Eco-Environment› reden, von ‹Internationalisierung› und ‹Zielmärkten›.»
Dabei, das steht für einige der Fans fest, ist der echte Zielmarkt nicht irgendwo im Internet zu finden: Er steht schon da, an jedem Match. In der Kurve. Es geht den Protestierenden letztlich um sich selbst. Das Unbehagen im Wortlaut:
«Statt sich mit der realen Vernetzung der Fangemeinde zu beschäftigen, baut man mit dem Portal ‹myFCBasel› lieber eine gesponserte Online-Community auf, und auch auf den sozialen Medien wird praktisch jeder erdenkliche Kanal bespielt. Seit Sommer 2017 ist der FCB auch im Bereich eSports an vorderster Front aktiv und treibt das Projekt rasant voran.»
«Warnfinger» aus der Kurve
Die Autoren des Flugblatts räumen ein, es handle sich bei ihrem Schreiben um einen «relativ undifferenzierten Rundumschlag». Trotzdem sei es nötig, nun den «Warnfinger» zu heben: «Es geht uns darum, dass man nicht alles dem wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg unterordnet.»
Droht diese Gefahr beim FCB tatsächlich? Diese Fans jedenfalls scheinen es ernst zu meinen. In Sachen eSports verspricht das Flugblatt, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei: «Dazu bald mehr.» Unterdessen malen einige die Botschaft, dass man den FCB-Gamern den Stecker ziehen will, mit grossen Buchstaben auf Basler Wände.
Allen Leuten Recht getan…
Beim Verein selbst hält man den Ball derweilen flach. Man sei sich der Tatsache bewusst, dass eSports, «wie das auch bei anderen Themen rund um den FCB der Fall ist – bei einem Teil unserer Fans kontrovers diskutiert wird», sagt Sprecherin Andrea Roth. Der FCB «wird deswegen aber nicht die Idee und Ausrichtung der Klubführung in diesem Bereich von heute auf morgen komplett anders gestalten», hält Roth fest.
Selbstverständlich, sagt Andrea Roth, mache sich der Verein stetig Gedanken darüber, wie er seine Vorhaben «möglichst gut mit den Interessen und Bedürfnissen aller Anspruchsgruppen vereinbaren kann».
Bekanntlich ein unmögliches Unterfangen. Den einen geht eSports gegen den Strich. Andere Fans – darunter auch der Mann, der am CL-Match neben mir sass – können die Aufregung hingegen nicht verstehen. «Was haben die gegen die FCB-Gamer?», murmelte er kopfschüttelnd in seinen Schal, als in der Kurve das «Stegger-zieh»-Transparent hochging.