Die letzte Birke am Hafen fiel als Heldin

Das Birkenprojekt an der Uferstrasse endete im Desaster. Die Bäume fielen Vandalen zum Opfer oder gingen in den glutheissen Metallkübeln zugrunde. Jetzt setzt die Stadtgärtnerei auf Steppengras – und wieder kommt es zu Übergriffen.

Als Pflanzenkübel nur beschränkt geeignet: Die Stapelboxen der Stadtgärtnerei entwickeln ungesund hohe Temperaturen.

Nach der Eisschmelze kehrt an der Basler Uferstrasse das Leben zurück. Der Gletscher hat sich zurückgezogen und das Terrain freigegeben. Auf den finsteren Winter folgt gleich der heitere Sommer, und mit dem Sommer regen sich all jene Wesen, die an der Partymeile im Hafen Klybeck ihr natürliches Habitat haben. 

Birken, das wissen wir heute, zählen nicht zu diesen Wesen. 

260 von ihnen hatte die Stadtgärtnerei an die Uferstrasse verfrachtet, ummantelt von ehernen Kästen, sogenannten Stapelboxen aus dem Güterverkehr. Diese, so dachten die Stadtgärtner, würden nicht nur Birken aufnehmen, sondern auch die Tradition dieses Ortes.

Die Stapelboxen stehen immer noch auf dem Klybeckquai. Doch es wachsen keine Birken mehr darin, es wächst überhaupt nichts bis auf einen undefinierbaren Pflanzenflaum, so hartnäckig wie unansehnlich.

Massenhaft massakrierte Vegetation

Im Nachhinein, mit fünf Jahren Abstand wissen wir: Die Birken hatten nie eine Chance. Sie fielen, eine nach der anderen. Wurden ausgerissen, abgeknickt. Manchen wurde sogar aufwendig die Rinde abgezogen. Ein Jahr nach deren Pflanzung war jede dritte Birke fort oder bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. 

Brigitte Vogel, Sprecherin der Stadtgärtnerei, erinnert sich schaudernd ans erste Jahr, an das Annus horribilis an der Uferstrasse: «Ein Jahr, nachdem die Stadtgärtnerei alles hergerichtet hatte, fielen bereits über 90 Birken den Vandalen zum Opfer.» 

Vandalen! Das meldete die Stadtgärtnerei im Sommer 2014 und vermochte ihre Verzweiflung nicht zu verbergen: Wer tut unschuldigen Birken bloss so etwas an? Die Staatsanwaltschaft nahm sich der Sache an, schliesslich ging es um 40’000 Franken Sachschaden und um massenhaft massakrierte Vegetation. Man ermittle «in alle Richtungen», hiess es damals. Heute weiss man: Die richtige Richtung war nicht dabei. 

Die Metallboxen erwiesen sich als Glutöfen, und so brutzelte Birke um Birke langsam zugrunde. 

Der Überfall der Vandalen ist aber auch nur eine Episode in dieser Tragödie. Jene Individuen unter dem Baumvolk, welche die Übergriffe überstanden, bekamen es bald mit einem noch terminaleren Gegner zu tun: der Sommerhitze. Die Stapelboxen aus Metall erwiesen sich in der heissen Sonne als wahre Glutöfen, und so brutzelte Birke um Birke langsam zugrunde. 

Brigitte Vogel räumt ein, dass es vielleicht nicht die allerbeste Idee war, Metallbehälter zu verwenden: «Die Temperatur in den Boxen wird schon sehr hoch, so dass man häufiger wässern müsste. Das Hauptproblem aber ist eindeutig der Vandalismus.»

Die letzte Birke fiel als Heldin. Ein Polizist riss sie aus, um einen in Schwierigkeiten geratenen Schwimmer an Land zu ziehen. Eine Märtyrergeschichte zum Abschluss des Martyriums. 

Steppengras ist hübsch und vor allem hitzefest.

Die Stadtgärtnerei hat das Prestigeprojekt begraben – oder doch nicht? «Der Eindruck täuscht, da wächst durchaus etwas!», berichtigt Brigitte Vogel. In den Kübeln an der Uferstrasse habe die Stadtgärtnerei Steppengras angepflanzt, das momentan zurückgeschnitten ist. Ende Mai solle es wieder einen halben Meter hoch stehen. «Gehen Sie dann nochmals schauen, es sieht hübsch aus.»

Hübsch ist Steppengras – vor allem aber hitzefest. Und auch nicht besonders attraktiv für nächtlichen Vegetationsvandalismus. So kalkulierte jedenfalls die Stadtgärtnerei. Um sogleich den eigenen Irrtum zu realisieren: «Auch heute werden die Gräser geknickt, angezündet etcetera», klagt Vogel. Sie verspricht zögerlich: «Wir bleiben dran …» 

Offensichtlich empfinden die Partygänger im Hafen auch das Steppengras als eine Provokation, die nicht unbeantwortet bleiben kann. Wir empfehlen der Stadtgärtnerei, für die nächste Pflanzung wahlweise unsichtbare Mikroorganismen, ätzenden Giftsumach oder besser noch kräftigen Drogenhanf zu verwenden. Den knickt bis zur Erntezeit bestimmt keiner ab.

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