Mit dem Gemüsekorb-Abo hast du den Salat

Lassen Sie sich nichts vormachen: Diese Leute, die fröhlich tanzend grüne Körbe voller Gemüse durch Ihr Quartier schwingen, sind nicht glücklich. Und auch keine besseren Menschen.

Der Maler Giuseppe Arcimboldo wusste schon um 1590, dass man unmöglich immer alles Gemüse essen kann.

Gegen Körbe gibt es im Allgemeinen wenig einzuwenden. So man nicht gerade suchender Single ist, versteht sich. Aber sonst? Total beliebt, die Körbe. Manche mögen Körbe auf dem Velo-Gepäckträger, weil praktisch. Katzen lieben Wäschekörbe, weil dufte. Und alle, wirklich alle, vergöttern den Gemüsekorb.

Nur ich nicht. Reden kann ich leider mit niemandem darüber. Zu heikel, zu heilig. Spätestens seit Lauch der neue Porsche ist, also ein Statement, das profilierungssüchtige Grossstadtindividualisten provokativ munter durch die Nachbarschaft schauschwingen. So, als wäre da irgendwer, dem man unter die Nase reiben müsste: «Du Porschefahrer? Du Drecksack! Ich Gemüsekorb, ich Supertyp.»

Das finde ich so weit ja in Ordnung. Dummerweise steckt in dieser schönen Symbolik auch ein Problem. Quasi ein inhaltliches. Konkret: das Gemüse. Denn das verrät dir ja sonst keiner: Mit dem Gemüsekorb-Abo hast du den Salat. Und zwar Woche für Woche von Neuem.

«Ist doch toll, oder nicht?», schwärmen alle. «Gibt doch nichts Besseres als frisches Gemüse aus der Region!», schwärmen sie weiter und immer weiter. Und natürlich haben sie völlig recht!

Verdächtiges Gemüse

Schon mal einen Nüsslisalat aus dem Gemüsekorb probiert? Das ist tatsächlich was anderes. Ganz, ganz, ganz, ganz, ganz anderes vom Geschmack her. Im Ernst: Da schmeckt man wirklich noch das Nüssli heraus! Du kannst ihn fast ohne Sauce essen, so gut schmeckt der. Oder jetzt gerade die Kartoffeln: Da brauchst du überhaupt kein Raclette mehr dazu, so butterig schmackhaft sind die Kartoffeln aus dem Gemüsekorb. Probieren Sies!

Nun sind das aber die Promis unter den Gemüsen. Und zwar diejenigen Promis, mit denen schlicht jeder gut kann. Die Sven Epineys oder Beatrice Eglis sozusagen. Gäbe es nur sie, ja dann wäre gewiss alles Friede, Freude, Eierkuchen.

Aber da ist nun mal auch der ganze Pöbel! Die seltsamen Gestalten. Diejenigen, die komplett von der bequem gewohnten Norm abweichen. Das Gemüse auch, das sich so lange versteckt hatte, bis es fast niemand mehr kannte, mit dem aber sowieso nie einer jemals irgendetwas anzufangen gewusst hätte. Nicht einmal Google! Verdächtiges Gemüse also. Fast schon gefährliches, wenn man so will, weil es dich im Extremfall dreist übers Ohr haut, dass die vorgetäuschten Polizisten aus der Vorweihnachtszeit neidisch würden.

Zuckerhut klingt ja gut. Zuckergemüse! In Wirklichkeit ist er die ewige Bitternis.

Ich meine ja nur. Zuckerhut. Schon mal davon gehört? Klingt doch prima, denkst du da. Zuckergemüse! Das ist mal ein Kindertraum. Aber nichts dergleichen. In Wirklichkeit ist der Zuckerhut die ewige Bitternis. Glauben Sie mir: Regelrecht unerträglich ist der Zuckerhut aus dem Gemüsekorb. Und unbezwingbar riesig noch dazu! Und solltest dus tatsächlich mal geschafft haben, dieses Monster zu bodigen, wer lächelt dir schon bei der nächsten Korblieferung wieder verschmitzt entgegen? Ist ja klar. Muss ich jetzt vermutlich gar nichts mehr anfügen.

Naja, eines vielleicht schon: Wir haben jetzt einen neuen Kühlschrank. Einen mit sogenannter «Bio Fresh Box» – für extralange Haltbarkeit. Mit manuell verstellbarem Klima im Gemüsefach. Viel Feuchtigkeit bei wenig Gemüse, wenig Feuchtigkeit, wenn Schublade voll. Funktioniert hervorragend, muss ich gestehen. Zwei Wochen bleibt das Gemüse frisch da drin. Mindestens. Der Salat ebenso. Total praktisch eigentlich. Würden da nicht immer drei bis vier Zuckerhüte das ganze Volumen auffressen!

Schluss mit Genuss

Aber genug vom Zuckerhut. Es kommt schon ohne ihn schlimm genug. Denn auch der Porsche unter dem Gemüse verleidet dir, wenn du die fünfte Woche hintereinander fünf Stück davon in den Korb gesteckt bekommst. Ich behaupte von mir zwar durchaus, ein findiger Koch zu sein. Einer, der aus jedem Mist noch etwas halbwegs Essbares zubereiten kann. Aber 20 Stangen Lauch? Das hat mit Genuss nun wirklich nichts mehr zu tun. Da geht es nur noch um die nackte Verwertung.

Man abonniert doch kein Gemüse beim Bauern von nebenan, nur um dann ein Food-Waste-Depp zu werden.

Das ist kein Vergnügen. Das ist nur noch das, was ein voller Korb schon von seiner Bestimmung her ist: eine Last! Man abonniert ja kein Gemüse beim Bauern von nebenan, nur um dann ein Food-Waste-Depp zu werden. Also frisst du diesen Lauch. Stange für Stange. Mit der Hoffnung vor Augen, es möge eine neue Saison kommen, mit neuem Gemüse.

Meine Freunde rufen mich schon gar nicht mehr an: «Kommst du mit? Wir gehen in die Beiz Schnitzel essen.» Denn sie wissen genau: Der muss wieder seinen Lauch verarbeiten. Ich sags Ihnen: Noch nie machte ein Öko-Trend so asozial!

Und trotzdem möchte ich den Gemüsekorb nicht missen. Seit Jahren bin ich treuer Abonnent. Warum? Unmöglich zu sagen. Ein alter Sänger kommt einer Erklärung am nächsten. Der ist fast so bekannt wie der gute, alte Zuckerhut. «Odi et amo», sang er. Lieben und hassen, würde er. Und dann, befreiend übersetzt: «Frag nicht, ist halt so, ich leide darunter, aber scheiss drauf.»

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