Beim Baselworld-Abbau geht es um Abermillionen

Markant weniger Hotelübernachtungen sowie Einbussen für Standbauer und andere Dienstleister: Die wirtschaftlichen Folgen der abgespeckten Baselworld sind beträchtlich.

Die Baselworld droht, von ihrem Glanz zu verlieren. Die Hälfte der Aussteller fällt weg.

Halb so viele Aussteller und eine um zwei Tage verkürzte Messedauer, die Baselworld 2018 ist noch ein Schatten der früheren, erfolgreichen Jahrgänge. Mit dieser «Konsolidierung» soll die Uhren- und Schmuckmesse in die Zukunft gerettet werden, wie die Veranstalterin MCH Group am Mittwoch vermeldete.

Doch nicht nur die Baselworld muss abspecken, auch für das zuliefernde Gewerbe und die Hotellerie brechen magere Zeiten an.

Christoph Bosshardt, Vizedirektor bei Basel Tourismus, spricht von einer «schmerzlichen Entwicklung für Hotels und Gastronomie». Vor allem die verkürzte Dauer stelle einen empfindlichen Einschnitt dar. «Dadurch gehen bis zu 4000 Logiernächte verloren.» Die erlittene Umsatzeinbusse sei hart, weil in dieser Zeit die Hotelzimmer besonders teuer seien, sagt Bosshardt.

Baselbiet wird stärker bluten

Als weniger dramatisch bezeichnet Bosshardt die Halbierung der Aussteller. Dies werde sich auf die Übernachtungen in Basel selbst eher nicht gravierend auswirken, weil dadurch einfach weniger Besucher auf Hotels in den umliegenden Kantonen ausweichen müssten. Insgesamt sei der Abbau bei der Baselworld «verkraftbar», sagt Bosshardt. «Vor allem, wenn dadurch die Messe langfristig überlebensfähig bleibt.»

Im Baselbiet würden die Hotels die schwindenden Ausstellerzahlen bereits seit zwei Jahren spüren, sagt Tobias Eggimann, Geschäftsführer von Baselland Tourismus. «Das wird sich mit den nun beschlossenen Massnahmen sicherlich akzentuieren, auch wenn der Rückgang nicht so drastisch ausfallen wird wie in Basel-Stadt.»

Messestandbauer müssen mit Verlusten rechnen

Ein Gewerbezweig, der vor allem im Vorfeld der Baselworld an der Messe gut ausgelastet war, sind die Messestandbauer. Die aufwändig gebauten Stände der Luxusfirmen nahm ganze Heerscharen von Schreinern und Monteuren in Beschlag, zum Teil über Wochen oder gar Monate. Künftig müssen nur noch halb so viele Stände aufgebaut werden – und dies sogar nur noch jedes zweite Jahr. Wie die «Basler Zeitung» im vergangenen September berichtete, dürfen die Aussteller ihre Stände jeweils in geraden Jahren stehen lassen.

Gaston Schweizer, Präsident des Schreinermeisterverbandes Basel-Stadt, macht sich allerdings keine grossen Sorgen, dass bei den Messestandbau-Unternehmen deswegen Arbeitsplätze verloren gehen könnten:

«Klar, das sind lukrative Aufträge, die hier wegfallen. Aber die Aussteller, die ihre Stände nicht mehr in Basel aufstellen, tun dies einfach an einem anderen Ort. Sie werden dabei wohl auf die bewährte Zusammenarbeit mit den Standbaufirmen setzen. Diese Monteure sind sehr mobil und reisen ihren Aufträgen einfach nach.»

Politische Brisanz erfahren die Abbaupläne der MCH Group vor dem Hintergrund, dass die Messe den Neubau von Herzog & de Meuron eigens auf die Bedürfnisse der Baselworld zugeschnitten hat. Mit beträchtlicher finanzieller Unterstützung des Kantons: Im emotionalen Abstimmungskampf vor beinahe zehn Jahren drohte Messe-CEO René Kamm, ohne den 430 Millionen teuren Neubau könne die Baselword nicht mehr durchgeführt werden und die MCH Group müsse eine Alternative suchen. Das Projekt wurde 2008 schliesslich mit 61,4 Prozent an der Urne angenommen.

HDM-Neubau vom Kanton zu Sonderkonditionen

Der Kanton Basel-Stadt als Hauptaktionär der MCH Group unterstützte das Projekt mit 185 Millionen Franken, 115 Millionen davon als Darlehen (85 Millionen verzinsbar und 30 Millionen zinslos). Davon sind im Sommer 2017 50 Millionen zurückbezahlt worden. Eine weitere Rückzahlung von 65 Millionen Franken wird gemäss Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin im Jahr 2020 fällig.

Es waren also grosse Hoffnungen, die der Kanton damals in die Baselworld setzte. Aus gutem Grund: Gemäss einer rund zehn Jahre alten Studie von BAK Basel Economics löste die Messe Basel jährlich eine Wertschöpfung von 1,9 Milliarden Franken aus, sicherte 10’000 Arbeitsplätze – und generierte rund 70 Millionen an Steuereinnahmen für die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft.

Das Messegeschäft ist seit Längerem schwierig geworden, trotzdem war der Schock gross, als die MCH Group vor wenigen Wochen bekanntgab, dass der Gewinn für das Jahr 2017 mindestens um die Hälfte einbrechen würde. Der Börsenkurs stürzte ein.

War die Regierung also etwas naiv, als sie sich zu einer solchen Investition hinreissen liess? Brutschin, der für die Regierung im Verwaltungsrat der MCH Group sitzt, will davon nichts wissen:

«Die Baselworld ist für Basel und die Region eine der wichtigsten jährlich stattfindenden Veranstaltungen, insbesondere aufgrund ihrer grossen wirtschaftlichen Effekte für verschiedene Gewerbezweige. Insofern sind die notwendigen, marktbedingten Massnahmen natürlich sehr bedauerlich.»

Trotz Abbau werde auch 2018 die «weltweit grösste und bedeutendste» Messe der Uhren- und Schmuckindustrie in Basel stattfinden, sagt Brutschin.

Wie teuer wird es für den Kanton Basel-Stadt?

Abbauplänen und Gewinnwarnungen zum Trotz versuchen Messe und Kanton Optimismus zu verbreiten. Und die MCH Group steht tatsächlich nicht in allen Geschäftsbereichen schlecht da. Erst im Frühling wurden internationale Expansionspläne bekannt, als die Messe sich einen grossen US-Amerikanischen Eventveranstalter einverleibte.

Trotzdem: Die Baselworld als wichtigste Einnahmequelle der MCH Group mit Basel-Stadt als Hauptaktionär erweist sich, mindestens kurzfristig, als finanzielles Risiko. Um wie viel Geld es genau geht, will Sprecher Christian Jecker nicht sagen. Er dürfe das gar nicht – und es sei «komplex».

Regierungsrat Brutschin spricht von «substantiellen Auswirkungen» auf die Resultate der Gruppe – aber er fügt an: «Welche Auswirkungen dies auf die Entwicklung des Aktienkurses hat, ist nicht vorhersehbar».

Messesprecher Jecker streicht hervor, dass es durchaus Pläne gibt, die Einbussen wettzumachen. «Wir zeigen Initiative im Kunstmarkt oder im Bereich Dienstleistungen in den USA – die helfen. Aber halt nicht in Basel.»

https://tageswoche.ch/wirtschaft/verkehrte-welt-reden-messe-und-kanton-das-baselworld-fiasko-schoen/

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