Eins ist klar: Sex mit Kindern ist verboten. Doch bis wann ist ein Kind ein Kind? Ab welchem Alter ist es fähig, zu entscheiden, ob es Sex haben möchte oder nicht? Und wann schafft es ein Kind, seinen möglichen Unwillen gegenüber einer erwachsenen Person durchzusetzen?
Das sind schwer zu beantwortende Fragen. Sie sind aber entscheidend, um einzuschätzen, wann sexueller Kontakt mit Minderjährigen als Missbrauch gilt. Je nach Land und Kultur werden die Altersgrenzen anders gezogen.
Das sagt das Gesetz
In der Schweiz gilt grundsätzlich Schutzalter 16. Das bedeutet: Jegliche sexuellen Handlungen mit Unter-16-Jährigen gelten als sexueller Missbrauch. Dazu gehören Geschlechtsverkehr, Analsex und Oralverkehr ebenso wie Berührungen des Geschlechts oder der Brust. Dafür bekommt man eine Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Kinderpornografie ist in der Schweiz ebenfalls verboten. Das gilt auch für Material, das mittels Computeranimation – also ohne den Missbrauch realer Kinder – hergestellt wurde.
Auch Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren stehen noch unter besonderem Schutz. Wenn etwa Erwachsene eine Machtposition ausnutzen, um Minderjährige dazu zu bringen, mit ihnen Sex zu haben, etwa als Lehrer, Lehrmeister oder Chef, machen sie sich genauso strafbar. Auch Prostitution von Minderjährigen ist verboten, Freier machen sich strafbar.
Etwas anders sieht die Lage aus, wenn es sich um sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Jugendlichen in einem ähnlichen Alter handelt. So ist Sex mit unter 16 Jahren erlaubt, wenn der Altersunterschied höchstens drei Jahre beträgt – immer gesetzt den Fall, beide willigen ein.
In anderen Ländern gelten andere Altersgrenzen. Ein viel zitierter, aus Schweizer Sicht schockierender Fall ist der Jemen: Dort gilt ein Schutzalter von neun Jahren, die Ehe ist ab zehn Jahren erlaubt. In Österreich und Deutschland gilt ein Schutzalter von 14 Jahren. Für Sextouristen gilt: Auch wenn Schweizer im Ausland sexuellen Kontakt mit Kindern unter 14 Jahren haben, können sie dafür hierzulande bestraft werden.
Streitpunkt Schutzalter
Das Schutzalter sorgt immer wieder für Diskussionen, auch in der Schweiz. Das zeigt etwa die Diskussion über die Pädophilen-Initiative, welche die Schweizer Stimmbevölkerung und die Stände im Jahr 2014 angenommen haben. Sie fordert, dass Straftäter, die Kinder sexuell missbraucht haben, nie mehr mit Mädchen und Knaben arbeiten dürfen sollen.
Der Knackpunkt: Das Alter der Täter und Opfer war in der Initiative nicht geregelt. Deshalb forderten viele Politiker bei der Umsetzung der Initiative, dass Richter bei knapp erwachsenen Jugendlichen Ausnahmen machen können. Etwa, wenn ein 21-Jähriger einen Zungenkuss mit einer 17-Jährigen austauscht. Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen, das Gesetz zur Initiative wird im Parlament noch weiter beraten.
Streitpunkt Verjährung
Für grosse Diskussionen sorgt auch immer wieder die Verjährung, wie sich im vergangenen November exemplarisch am Fall des Pädagogen Jürg Jegge zeigte. Er gab öffentlich zu, dass er in den 70er- und 80er-Jahren etwa zehn Knaben sexuell missbraucht habe. Trotzdem wird er dafür nicht belangt. Der Grund: Die Taten liegen zu weit zurück.
Grundsätzlich gilt im Schweizer Rechtssystem, dass Täter für Verbrechen, die über Jahre nicht auffliegen, nach einer gewissen Frist nicht mehr angezeigt werden können. Je schwerer die Tat, desto länger die Verjährungsfrist, bei Mord beträgt sie 30, bei sexuellem Missbrauch 15 Jahre. Damit will man der Tatsache Rechnung tragen, dass sich Menschen verändern können. Ausserdem geht man davon aus, dass so lange zurückliegende Taten für die Gesamtgesellschaft nicht mehr relevant und schwer zu beweisen sind.
Im Fall von sexuellem Missbrauch gilt das allerdings nur für Vergehen an Kindern, die über 12 Jahre alt sind – so wie das bei Jegge offenbar der Fall war. Bei schwerem sexuellem Missbrauch an Kindern unter 12 Jahren hat die Schweiz die Verjährungsfrist aufgehoben – Täter können ein Leben lang verfolgt werden, so hat es die Stimmbevölkerung 2008 mit der Annahme Unverjährbarkeits-Initiative entschieden. Das Hauptargument für die Aufhebung: Kinder brauchen lange Zeit, bis sie die Tat so weit verarbeitet und verstanden haben, dass sie psychisch in der Lage sind, den Täter anzuzeigen.
Streitpunkt Strafmass
Weiterer Streitpunkt in der Schweiz ist die Bestrafung der Täter. Welche Strafe ist angemessen? Und wie schützt man die Bevölkerung vor weiteren Taten? Die Diskussion gipfelte im Jahr 2008 in der Verwahrungs-Initiative. Die Stimmbevölkerung beschloss, dass Richter neu «nicht therapierbare und extrem gefährliche Straftäter» ein Leben lang einsperren können. Allerdings braucht es für eine solche lebenslange Verwahrung zwei Gutachten von Experten, die den Straftäter als nicht therapierbar einstufen.
Oft schrecken Psychiater davor zurück, solche Gutachten zu erstellen – sie sagen, es sei schwierig, lebenslange Prognosen über den psychischen Zustand eines Menschen zu machen. Juristen und Menschenrechtler kritisieren ausserdem, die lebenslange Verwahrung widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention, da jeder Gefangene ein Anrecht darauf habe, dass die Rechtmässigkeit seines Urteils neu beurteilt werde.