Graffitis, Streetart und Wandzeitungen sind im St. Johann besonders präsent. An den Wänden spiegeln sich die Auseinandersetzungen im Quartier – doch nicht nur das. Ein kleiner Rundgang zum «Fassadenschmuck» des Santihans.
Verdrängung, Freiräume, Gentrifizierung: Themen rund um die Stadtentwicklung sind wohl die Spitzenreiter unter den Parolen an den Wänden des St. Johann. An den Fassaden lassen sich die Auseinandersetzungen der letzten paar Jahre ablesen: Die bedrohten Häuser an der Wasserstrasse, Diskussionen rund um den Novartis-Campus, die Besetzung an der Voltamatte und das Ende der Villa Rosenau – all diese urbanen Spannungsfelder spiegeln sich auch in Tags, Graffitis und Wandzeitungen, welche im St. Johann besonders zahlreich sind. In letzter Zeit ist auch das eine oder andere Streetart-Exemplar hinzugekommen.
Schon vor gut zwei Jahren wurden auf diesem Blog ein paar Fassadenbetrachtungen im Quartier präsentiert. Manche Parolen sind noch immer zu sehen, andere sind längst verschwunden. Kürzlich wurde etwa eine der auffälligsten weggeputzt: Was an der Lothringerstrasse mit dem Schriftzug «Aufwertung heisst Verdrängung» begann, entwickelte sich in den letzten Monaten zu einem bizarren Dialog über den Gebrauch von Fremdwörtern:
Die Turbulenzen rund um die Wohnhäuser an der Wasserstrasse haben sich auch an den Wänden niedergeschlagen. Es ist wohl kein Zufall, dass bei den vormals kahlen Wänden Fernheizkraftwerk Volta gleich eine ganze Ansammlung von «Wandschmuck» entstanden ist.
Gleich neben den bekannten Arbeiterhäusern haben sich zwei kahle Wände in einen Parolen- und Streetart-Tummelplatz verwandelt. (Bild: Michel Schultheiss)
Gleich in der Nähe befindet sich auch das Mülhauserweglein, die wohl am meisten zugekleisterte Fussgängerpassage der Stadt, die auch immer wieder mal als Sperrgutablage dient. Auch hier lassen sich die Aktivisten nicht lumpen, wenn’s um’s Belegen der Wände geht:
Die Plakathöhle im St. Johann: Beim Mülhauserweglein ist kaum ein Fleck mehr grau. (Bild: Michel Schultheiss)
Hoch hinaus muss sich jemand an der Lothringerstrasse gewagt haben. Ein Baugerüst hat geholfen, diese zwei düsteren Plakate anzubringen. «Keine Angst vor der Angst» und «Mehr Mut zur Wut» – dazu mahnen zwei Gesichter der Streetart-Schöpferin:
Streetart in der Höhe: An der Lothringerstrasse sind Angst und Wut ein Thema. (Bild: Michel Schultheiss)
Waghalsige Sprayer haben es auch immer wieder bis zum Überbau der Dreirosenbrücke geschafft. Auch unter den Pfeilern gäbe es noch mehr zu sehen, doch aufgrund der Bauarbeiten am neuen Uferweg zum Novartis-Campus ist dieser Bereich momentan nicht zugänglich.
Auch die Dreirosenbrücke erwischt es immer wieder. (Bild: Michel Schultheiss)
Nicht nur die Stadtentwicklung beschäftigt an den Wänden. An der Gasstrasse herrscht etwa Digitalpessimismus. Auf die Auswirkungen der Social Media ist man hier nicht sehr gut zu sprechen:
An der Gasstrasse geht man mit Social-Media-Süchtigen ins Gericht. (Bild: Michel Schultheiss)
Zum St. Johann gehören auch die Wandzeitungen. Mit einem Bild der Pariser Kommune wird auf Kündigung der Mieter an der Elsässerstrasse 107 hingewiesen. Mittlerweile sind die hingekleisterten Infos verschwunden, doch an der Hüningerstrasse hat es noch eine Wandzeitung überlebt. Es wurde mit einer Parole gegen Schwangerschaftsabbrüche versehen – ein Satz, der übrigens an vielen Ecken im St. Johann zu finden ist, meistens als themenfremder Kommentar auf den Antigentrifizierungsplakaten:
Die Pariser Kommune im St. Johann: Eine Wandzeitung vom letzten Jahr ist noch immer an der Hüningerstrasse zu sehen. (Bild: Michel Schultheiss)
Natürlich ist diese Sammlung keineswegs vollständig. Vor allem im Lysbüchel-Areal, jener Gewerbezone, die vermutlich bald ihr Gesicht ändern wird, ist noch viel mehr zu sehen. Davon aber mehr in einem zweiten Fassadenrundgang.
Quartier-Antifa und Kängurus sind schon seit langer Zeit an dieser Fassade zu sehen. (Bild: Michel Schultheiss)