Mark Bridge, der Baumbestand in Basel nimmt langsam ab. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Wir müssen ein Auge darauf haben. Ein gesunder Bestand aus alten und jungen Bäumen ist wichtig für die Lebensqualität der Stadtbewohnerinnen und -bewohner.
In Gebieten ohne Bäume sterben Menschen eher an Herz- und Lungenkrankheiten, darauf weisen Studien hin. Und Klimaexperten empfehlen Bäume als Massnahme gegen Hitzetage im Sommer.
Das erstaunt mich nicht. Bäume haben einen positiven Einfluss auf das Mikroklima: Sie produzieren Sauerstoff, geben Feuchtigkeit ab, spenden Schatten und regulieren die Temperatur.
Basel hat ein Baumschutzgesetz. Für jeden gefällten Baum muss ein neuer gepflanzt werden.
Ich bin sehr froh um das Baumschutzgesetz, es hält uns oft den Rücken frei. Die Schwierigkeit ist nur: Die Bäume kommen mit dem Rhythmus der modernen Stadt nicht nach. Es besteht die Gefahr, dass wir zu wenige alte Bäume haben.
Wie meinen Sie das?
Gebäude haben heute eine Lebensdauer von 70 Jahren, dann werden sie abgerissen und neu aufgebaut. Tiefgaragen werden alle 40 Jahre erneuert. Bäume, die im Weg stehen, werden dann gefällt und neue an einem anderen Standort gepflanzt. Bis ein Baum alt wird, braucht er aber 200 bis 500 Jahre, je nach Baumart.
Weshalb brauchen wir alte Bäume?
Sie sind Habitat für viele Tiere. Zum Beispiel für Fledermäuse, sie leben in Rissen oder unter Borkenplatten. Diese Rindenstruktur entsteht erst bei alten Bäumen. Und alte Bäume haben auch Höhlungen oder Nischen, in denen gewisse Vögel brüten können, von Insekten ganz zu schweigen.
Macht die Stadtgärtnerei zu wenig für ihre alten Bäume?
Die Stadtgärtnerei ist in der undankbaren Position, zwischen den Fronten zu stehen. Irgendjemand fühlt sich immer vor den Kopf gestossen.
«Man muss immer abwägen: Ist es vernünftig, ein Bauprojekt zu verhindern – nur wegen eines einzelnen Baums?»
Heisst das, die Stadtgärtnerei steht tatsächlich unter Druck, wie es beim Basler Mieterverband heisst?
Ich erlebe es so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes stets darum bemüht sind, professionell und gewissenhaft zu arbeiten. Dabei müssen sie auf unzählige Rahmenbedingungen Rücksicht nehmen. Etwa auf rechtliche Aspekte, auf den Naturschutz, auf die Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner, auf Sicherheitsaspekte oder auf den Denkmalschutz. Das ist keine einfache Aufgabe. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten hat die Stadtgärtnerei über die Jahre viel getan für den Schutz und Erhalt der Bäume in der Stadt.
Aber bei einem Bauprojekt an der Landskronstrasse legte sie kein Veto ein, obwohl schützenswerte Bäume gefällt wurden.
Bäume in der Stadt befinden sich in einem Spannungsfeld der Interessen. Wir müssen immer wieder abwägen: Wollen wir die Stadt verdichten und mehr Wohnungen bauen oder ein Museum haben, in dem sich nie etwas ändert? Es stimmt mich nachdenklich, wenn Bäume verloren gehen, weil Villen auf dem Bruderholz abgerissen und stattdessen sechs Wohnboxen hingestellt werden.
«Es gibt verschiedene Organisationen, die Bäume erhalten wollen. Aber die Baulobby ist sicher oftmals stärker.»
Aber wenn wir keine Wohnungen bauen, ziehen die Leute ins Umland, pendeln in die Stadt und verpesten so die Umwelt ebenfalls.
Genau. Deshalb muss man bei jedem Baum abwägen: Ist es vernünftig, ein Bauprojekt zu verhindern – nur wegen eines einzelnen Baums? Ich finde, dass es Bäume gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt. Bei anderen ist klar: Die kriegt man angesichts des geplanten Baus nicht durch, zum Beispiel weil die Wurzeln zu wenig Raum haben.
Sie werden manchmal als Experte in Gerichtsprozessen beigezogen, in denen es um Baumfällungen geht. Wie schätzen Sie das ein: Haben die Bäume eine genug grosse Lobby?
Ja, es gibt verschiedene Organisationen, die Bäume erhalten wollen. Aber in einem Stadtkanton besteht auch ein grosser Baudruck. Die Lobby hierfür ist sicher oftmals stärker.
Gibt es genug juristische und politische Mittel, um gegen finanzkräftige Bauherren anzutreten, die unsere Wirtschaft ankurbeln und uns Wohnraum geben?
Grundsätzlich ist es so, dass ein Richter immer über Einzelfälle entscheidet. Im Einzelfall ist es oftmals unverhältnismässig, dass das Bebauen einer Parzelle durch einen einzelnen Baum verhindert wird.
«Grünflächen sollten keine Baulandreserven sein.»
Aber?
Wenn man alle Einzelfälle in Basel zusammennimmt, ergibt sich eine Summe wertvoller alter Bäume, die gefällt werden. Unter dem Strich verändert das die Zusammensetzung unseres urbanen Forstes, zu Ungunsten der Altbäume. Aber das privatrechtliche Bauen wird in unserem Land sehr hoch gewichtet.
Sehen Sie eine Lösung?
Eine Lösung wird wohl sein, in die Höhe zu bauen, damit wir Grünflächen erhalten können. Grünflächen sollten keine Baulandreserven sein. Zudem wünsche ich mir mehr Mut zur Lücke, dass der inhärente Wert eines alten Baumes höher gewichtet wird. Ganz wichtig erscheint mir in dieser Sache ein Dialog in einer breiteren Öffentlichkeit, denn es geht dabei schliesslich darum, wie die Strassen, Hinterhöfe und Grünanlagen unserer Städte in fünfzig oder sechzig Jahren aussehen werden.