An diesem Donnerstag spielt Yann Sommer mit Mönchengladbach in der Europa League im deutschen Duell gegen Schalke 04. Im Gespräch mit der TagesWoche erklärt Sommer die neuerliche Wende bei der Borussia, sagt, warum er seinen Vertrag verlängert hat, und er windet der Clubführung des FC Basel ein Kränzchen.
Yann Sommer, die Gladbacher Borussia hat nach prekärer Lage inzwischen die Wende geschafft, sie ist in der Bundesliga das beste Rückrunden-Team. Können Sie und Ihre Kollegen sich schon darüber freuen oder kommt man im dichten Takt der Spiele gar nicht dazu?
Wir wollen es noch gar nicht geniessen, weil wir nichts erreicht haben. Alles ist offen; ganz dumm gesagt, können wir mit unserem Punktestand auch noch absteigen. Natürlich sind wir glücklich über die Situation, aber wir wollen weitermachen und in den verschiedenen Wettbewerben dabei bleiben.
Haben Sie damit gerechnet, dass sich der Trainerwechsel im Dezember so schnell auswirkt?
Das kann man nie planen. Wir wussten, dass da mit Dieter Hecking ein erfahrener Mann kommt, der mit solchen Situationen umzugehen weiss. Wir sind sehr zufrieden, weil der Trainer mit seinem Assistenten sehr gut reinpasst und das sehr gut macht. Das Ergebnis sieht man an unserem Spiel.
Hat sich damit auch die Stimmung in der Mannschaft verändert?
Wir haben tatsächlich immer die gleiche, gute Stimmung, da lassen wir nichts dazwischenkommen. Uns merkt man also nicht wirklich an, ob wir Erfolg haben oder nicht. Man spürt auf dem Platz, ob wir mutig oder verunsichert spielen, aber nicht in der Kabine.
Wie schafft eine Mannschaft so einen Wandel? Sie haben ja nach dem Abgang von Favre nun schon den zweiten Trainerwechsel in Gladbach erlebt.
Dass die Mannschaft sehr viel Qualität hat, wussten wir immer. Aber auf einmal kommst du in eine Situation, da funktioniert es auf dem Platz nicht. Wir hatten einen guten Start in die Saison und verlieren dann auf Schalke 0:4, das war ein Bruch. Dann verlierst du noch mal ein Spiel, und schon fängt eine Mannschaft an zu überlegen. Es ist unglaublich, wie viel Einfluss das Mentale im Fussball hat. Dann kommt ein Trainer, der frischen Wind, ein paar neue Ideen und eine andere Ansprache reinbringt. Das gibt den Klick im Kopf.
Was macht Hecking denn anders? Ist es nur das kontinuierlich gespielte 4-4-2-System, oder ist da noch mehr passiert?
Definitiv. Unser Zweikampfverhalten war schlecht, wir haben wenig Kampf gezeigt. Wie eine Mannschaft, die um ihre Qualität weiss und denkt, das andere komme von allein. Jetzt gehen wir hart in die Zweikämpfe und verteidigen unser Tor. Du musst dich zurückbeissen ins Spiel, sonst kommst du nicht mehr zurück. Hecking ist mit viel Power gekommen, er hat uns von null auf hundert neu motiviert.
Inwieweit ist ein Torwart überhaupt davon betroffen? Er arbeitet ja vor allem mit dem Torwarttrainer, und der heisst in Gladbach seit der Kreidezeit Uwe Kamps.
Ich bin inzwischen einer der Erfahreneren in der Mannschaft, da zählt auch für mich der Austausch mit dem Cheftrainer. Du musst mit einem guten Gefühl auf den Chefcoach zugehen können, und das habe ich.
Beeinträchtigt eine unsichere Abwehrreihe nicht auch den Goalie, der dahintersteht? Fürchtet er nicht um den guten Ruf und seinen Status in der Nationalmannschaft?
Wir waren da hinten zuletzt ein unsicheres Konstrukt, da zähle ich mich auch dazu. Ich habe mir mein Spiel im letzten Halbjahr neulich noch mal angeschaut. Da waren wenig krasse Böcke dabei, aber ein paar Tore, bei denen ich dachte: Normalerweise hältst du den. Auch ich habe angefangen, zu viel zu überlegen. Jetzt kann ich zum Glück wieder der Torwart sein, der seiner Mannschaft Ruhe gibt.
Sie haben Ihren Vertrag, der noch bis 2019 lief, mitten in der Krise vorzeitig verlängert. Was gab Ihnen das Gefühl, in diesem Verein weiterhin gut aufgehoben zu sein?
Ich hab das nicht von der Situation abhängig gemacht. Es war ja auch vonseiten des Vereins ein grosser Vertrauensbeweis. Das ist nicht selbstverständlich, auf der Torwartposition wird heute viel gewechselt. Dass ich mich bei diesem Club und seinen tollen Fans sehr wohl fühle, weiss man. Und wenn das ein gutes Zeichen an die Mannschaft war, bin ich doppelt froh.
Solche kritischen Phasen können viel Druck erzeugen. Wie schaffen Sie es zwischendurch, sich davon zu befreien?
Dafür ist es gut, dass ich in Düsseldorf wohne. Wenn ich ins Auto steige und hier wegfahre, schliesse ich eine Zeitlang ab. Du kommst nach Hause, triffst ganz andere Leute und redest auf keinen Fall über Fussball. Oder machst Sachen, die dich komplett auf andere Gedanken bringen. Fährst zum Beispiel zwei Tage nach Amsterdam, liest weniger Zeitung. Aber einfach ist das alles definitiv nicht. Ich habe einen Mentalcoach, der mir hilft. Das ist ein guter Austausch.
Sind Sie denn in Düsseldorf so wenig bekannt, dass Sie dort nicht erkannt werden?
Du kannst in der Stadt sehr easy über den Markt gehen und einkaufen. Das brauche ich auch. Wenn ich in eine neue Stadt komme, schaue ich mich oft als Erstes um, wo ich gut einkaufen und gut essen gehen kann. Das sind wichtige Dinge für mich.
Wie weit kann der positive Lauf die Borussia noch tragen? Reicht das, um nächstes Jahr wieder international zu spielen?
Das werden wir sehen. Wir sind jetzt in einer besseren Situation, in der du schnell mal denkst, dass es auch mit ein paar Prozent weniger geht – und genau das darf uns nicht passieren. Wir dürfen nicht zufrieden sein. Jetzt ist Schalke und Europa League, da wollen wir unbedingt eine Runde weiter kommen. Dann folgt am Sonntag Bundesliga und Hamburg, da können wir noch mal aufrücken, und dann ist vieles möglich. Wir müssen richtig heiss darauf sein, dass man gewinnt, und das probieren wir.
Wie sehen Sie die Lage beim FC Basel? Haben Sie mitbekommen, dass mit dem Abgang des Duos Heusler/Heitz ein grösserer Umbruch ansteht?
Klar. Der FCB liegt mir sehr am Herzen, das ist mein Jugendclub. Ich habe damals auch mit Präsident Bernhard Heusler und Sportdirektor Georg Heitz zusammengearbeitet. Ich kann nur sagen, dass diese beiden unglaublich viel für den Club gemacht haben. Der steht da oben, weil Leute wie zum Beispiel auch Ehrenpräsidentin Gigi Oeri das immer mit Herz gemacht haben. Die haben dem Club sehr viel gegeben.
Beziehen Sie Ihre Informationen über den Club aus den Medien, oder pflegen Sie immer noch enge, persönliche Kontakte?
Ich habe zu Bernhard Heusler und einigen Spielern immer noch Kontakt und kenne viele gute Leute, die im Verein arbeiten. Mein Vater war erst vor einer Woche beim Spiel. Meine Familie und mein Freundeskreis kommen aus Basel, deshalb bin ich der Stadt und dem Club auch noch sehr verbunden. Ausserdem haben wir eine Chat-Gruppe mit allen Ex-Spielern, die Heusler ins Leben gerufen hat. Der Kontakt ist nicht immer ganz so eng, jeder hat seine eigene Karriere und geht seinen eigenen Weg.
Was machen Sie als Erstes, wenn Sie nach Basel kommen?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich wohne dann bei meinen Eltern, da lasse ich mich sehr gern mal bekochen. Ausserdem ist mein engster Freundeskreis in Basel. Die Familie eines Kumpels hat ein Restaurant, dort treffen wir uns zu elft, zwölft. Das geschieht leider selten. Und dann liebe ich den Sommer in Basel, wenn die Leute sich am Rhein treffen, um schwimmen zu gehen.
Können Sie sich nach der aktiven Karriere auch eine verantwortliche Position bei einem Verein vorstellen, als Manager oder sportlicher Leiter?
Eigentlich möchte ich noch mal eine ganz andere Welt kennen lernen als die des Fussballs. Aber man weiss nie, wie sich das Leben entwickelt, deshalb schliesse ich nichts aus.
Also Yann Sommer, der Konzertgitarrist?
Dafür wirds nicht reichen (lacht). Ich möchte mich noch nicht festlegen und lasse das alles auf mich zukommen.
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Yann Sommer und seine Interviews mit der TagesWoche:
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