Das Parlament macht aus der Steuerreform eine Wette, den Einsatz bezahlen die Bürger

Die bürgerlichen Befürworter der Unternehmenssteuerreform III glauben, dass neue Privilegien neue Unternehmen in die Schweiz locken. Das ist eine gefährliche Wette mit geringen Gewinnchancen.

Grossunternehmen werden mit der anstehenden Steuerreform weiter entlastet. Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich.

(Bild: Nils Fisch)

Die bürgerlichen Befürworter der Unternehmenssteuerreform III glauben, dass neue Privilegien neue Unternehmen in die Schweiz locken. Das ist eine gefährliche Wette mit geringen Gewinnchancen.

Was der Nationalrat aus der Unternehmenssteuerreform III gemacht hat, ist ein Hohn. Ein Hohn für alle Steuerzahler, die dem Staat Jahr für Jahr ein paar Tausend Franken überweisen. Sie rechnen ihre Steuern akribisch ab und bezahlen mit ihrem Arbeitseinkommen einen wesentlichen Teil der Staatsausgaben.

Wer viel verdient, muss auch verhältnismässig viel Steuern zahlen, so funktioniert das System. Bei Unternehmen funktioniert es anders. Je grösser ein Unternehmen ist, je mehr Gewinne es einfährt, umso tiefer wird es besteuert. Bei manchen Grossunternehmen tendiert der Steuersatz so gegen null. 

Das war ein Grund dafür, dass in den vergangenen Jahrzehnten einige Firmen ihren Sitz in die Schweiz verlegten. Und es ist ein Grund dafür, dass die Unternehmenssteuerreform III aufgegleist wurde.

Überblick verloren

Mit dieser Mega-Reform sollen international geächtete Steuerprivilegien für bestimmte Firmen fallen – und gleichzeitig neue entstehen. Die Lage ist kompliziert: Einige Unternehmen haben bisher profitiert, einige Unternehmen sollen neu profitieren und einige Unternehmen profitierten vor und auch nach der Umsetzung der Reform.

Bei dieser Gemengelage verliert man schnell den Blick fürs Wesentliche. Den Überblick, so scheint es, haben auch einige Nationalrätinnen und Nationalräte verloren. Sie haben neue Instrumente in die Reform aufgenommen, die mit der eigentlichen Idee der Reform – alte Privilegien durch gleichwertige neue ersetzen – wenig zu tun haben.

Das Argument der bürgerlichen Steuererleichterer ist stets die Standortattraktivität. So entschied sich der Nationalrat zum Beispiel für einen fiktiven Zinsabzug für Unternehmenskapital (zinsbereinigte Gewinnsteuer), eine gesonderte Behandlung für Schifffahrtunternehmen (Tonnage-Tax) und Subventionen für Forschung – auch im Ausland.

Die Reform-Befürworter hoffen auf dynamische Effekte. Doch Steuererleichterungen führen nicht von allein zu einer florierenden Wirtschaft.

Ob diese Instrumente den Standort attraktiv halten, ist fraglich. Die Massnahmen, so scheint es, folgen nicht dem Credo der Standortattraktivität, sondern den stärksten Interessenvertretern der Wirtschaft im Nationalrat. Grossunternehmen, die bislang ordentlich besteuert wurden, können sich nach dieser Reform die Hände reiben, denn auch sie profitieren nun von Privilegien.

So bleiben dem Bund unter dem Strich Steuerverluste von schätzungsweise 1,2 Milliarden Franken. Dazu kommen massive Ausfälle bei Kantonen und Gemeinden, die noch kaum zu beziffern sind.

Die Reform-Befürworter hoffen auf dynamische Effekte. Sie glauben, dass durch die neuen Privilegien auch neue Unternehmen in die Schweiz kommen. Das ist eine gefährliche Wette mit geringen Gewinnchancen.

Es endet wie in Baselland

Denn Steuererleichterungen führen nicht von allein zu einer florierenden Wirtschaft. Das zeigt das Beispiel des Kantons Luzern, wo die Unternehmenssteuern sukzessive gesenkt wurden, aber die Unternehmen ausblieben.

Was, wenn die dynamischen Effekte ausbleiben? Dann zahlt der Bauarbeiter, die Serviceangestelle, der Rechtsanwalt für die Steuergeschenke an Unternehmen. Oder es endet wie in Baselland: Es wird bei der Bildung, beim Verkehr und bei den Staatsangestellten gespart. Hauptsache, Unternehmen müssen möglichst wenig Steuern auf ihre Gewinne bezahlen.

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