Die Bürger des Kantons Baselland wollen ihrem Bildungsrat freie Hand bei der Umsetzung des Lehrplans lassen, möchten aber weiterhin Einzel- statt Sammelfächer. Ob gewollt oder nicht: Die Resultate werden über die Grenzen des Baselbiets hinaus wirken.
Die Resultate der Bildungsvorlagen liegen vor: Die Abstimmenden haben die parlamentarische Initiative zum Lehrplan 21, die den Bildungsrat bei dessen Umsetzung entmachtet hätte, mit 34’657 zu 38’635 Stimmen (52,71 Prozent Nein) abgelehnt. Hingegen nahmen sie die zweite Vorlage zu den Sammelfächern an – mit 44’907 zu 28’775 Stimmen (60,95 Prozent Ja). Die Stimmbeteiligung lag bei über 41,7 Prozent.
Das bedeutet in der Sache: Die Bildungskommission bestimmt weiterhin in bewährter Weise über die Umsetzung des Lehrplans 21 – die Bevölkerung hat ihm ihr Vertrauen ausgesprochen. Und zweitens: Die Vorlage «Verzicht auf kostentreibende Sammelfächer» wird angenommen. Auch wenn der Beweis nicht erbracht worden ist, dass mit der Beibehaltung von Einzelfächern überhaupt Kosten gespart werden können, respektive, ob diese nicht gar steigen werden.
Doch die Bedeutung der beiden Geschäfte reicht weiter. Die Abstimmungsergebnisse werden Signalwirkung weit über die Kantonsgrenzen hinaus haben – da helfen alle gegenteiligen Voten nichts. Faktisch mag es um die Kompetenzen des Bildungsrates gegangen sein – in den Köpfen der Leute ging es um den Lehrplan 21. Schliesslich sollten dem Bildungsrat exakt in dieser Frage die Kompetenzen beschnitten werden, was das Nein nun verhindert hat.
Vollbremsung in voller Fahrt
Erinnern wir uns: Eigentlich ging im Kanton Baselland lange alles zügig vorwärts. In Sachen schweizweiter Harmonisierung der obligatorischen Schule (Harmos-Konkordat) nahm das Baselbiet gar eine nationale Vorreiterrolle ein – dasselbe galt unter der vorherigen Regierung für die Umsetzung des Lehrplans 21.
Dann kamen die Wahlen 2015. Das insbesondere auf bürgerlicher Seite vertretene reformskeptische Lager ging gestärkt aus den Wahlen hervor. Die Freisinnigen, ursprünglich wichtige Mitträger der progressiven Pläne, waren längst grossmehrheitlich ins Lager der Bedenkenträger oder der klaren Gegner gekippt – mit Monica Gschwind (FDP) wählte die Bevölkerung dann eine ausgesprochene Lehrplan-Gegnerin und Kritikerin des Bildungsrats zur obersten kantonalen Bildungspolitikerin. Gschwind trat denn auch blitzschnell voll auf die Bremse und verordnete in Sachen Umsetzung des Lehrplans 21 einen «Marschhalt».
Eine Exekutivpolitikerin spielt Diplomatin
Dieser Stopp bedeute eigentlich ein «Vorwärtskommen», man sei ja durchaus daran, einen «mehrheitsfähigen», für das Baselbiet passenden Lehrplan zu erarbeiten, so Gschwind gegenüber der TagesWoche. Worin die Fortschritte genau bestehen, blieb im Interview unklar. Gschwind stellte gar Grundelemente des Lernplans 21 wie Kompetenzen und Inhalte zur Debatte: Noch sei nicht einmal entschieden, ob diese in der Baselbieter Umsetzung berücksichtigt würden. Sie selber sehe sich in einer Vermittlerrolle – eine eher spezielle Beschreibung eines Exekutivamts.
Die wahre Bedeutung der beiden Abstimmungen wurde von Gschwind kaum ohne Grund heruntergespielt: Gegenüber der «Basellandschaftlichen Zeitung» sagte sie explizit, die Abstimmungen seien keine grundsätzlichen Abstimmungen über den Lehrplan 21, sondern klärten einerseits eine Kompetenzfrage (Bildungsrat) respektive die Frage der Fächergestaltung.
Marschhalt abbrechen
Gschwind, selbst erklärte Gegnerin des Lehrplans 21, hat immer wieder betont, sie werde ein Ja in die Urne legen. Der Regierungsrat hat offiziell keine Wahlempfehlung abgegeben. Ein Ja hätte den Baselbieter Bildungsrat geschwächt. Das Nein der Bevölkerung ist ein klares Votum: Der Marschhalt hat lange genug gedauert, es soll endlich wieder vorwärts gehen, damit man den Anschluss an die Nachbarkantone nicht verpasst. Man vertraut der Arbeit des demokratisch legitimierten Bildungsrats und möchte vorerst keine weiteren Stolpersteine aus dem Landrat. Im Wissen, dass vom «Komitee Starke Schule Baselland» schon weitere Angriffe geplant sind – die absoluten Reformgegner haben Munition für einen jahrelangen Belagerungszustand.
Das Signal an Gschwind ist deutlich: Marschhalt abbrechen. Das Signal an andere Schweizer Kantone ist ebenso klar: Die Bevölkerung ist nicht grundsätzlich gegen den Lehrplan 21. Grundsätzlich ist sie auch nicht gegen dessen Umsetzung durch Expertengremien. Das Beispiel Basel-Stadt zeigt: Es kann auch noch schneller gehen – und das grösstenteils problem- und absolut skandalfrei.
Wie das Resultat der zweiten Abstimmung zeigt, lässt sich der Lehrplan auch mit kantonalen Besonderheiten umsetzen: So haben die abstimmenden Baselbieter deutlich Ja zu Einzelfächern auf der Sekundarstufe gesagt – hier soll alles so bleiben wie bis anhin. Das kann man bedauern, oder gar, wie die Gegner der beiden parlamentarischen Bildungsvorlagen, ein Bildungschaos für den Kanton befürchten. Die zweite Baselbieter Bildungs-Abstimmung signalisiert der Schweiz: Kantonale Korrekturen am Lehrplan 21 sind an der Urne immer möglich. Ohne dass gleich sämtliche Grundkonzepte des ganzen Lehrplans über den Haufen geworfen werden.