Sidar freut sich. Endlich, nach monatelanger Suche, hat der Vater eine neue Wohnung im Klybeck gefunden, die er sich leisten kann. «Wir brauchen mehr Platz, meine Frau ist schwanger mit dem dritten Kind.» Mehr Platz heisst: drei Zimmer. Bislang lebt die Familie zu viert in einer Zweizimmerwohnung.
Im Klybeck sind solch enge Platzverhältnisse keine Ausnahme, sie sind normal. Im Quartier zwischen Dreirosenbrücke und Wiese leben die ärmsten Familien Basels. Die Kinder verbringen ihre Freizeit häufig draussen. Sie werden alleingelassen von Eltern, die chrampfen, um die Miete zahlen zu können. Doch viele fragen sich: Wie lange kann ich mir die Miete hier noch leisten?
Viele Bewohnerinnen und Bewohner des Klybeck haben Angst, verdrängt zu werden.
Im Klybeck hat die Gentrifizierung begonnen, erste Mieterinnen müssen wegziehen. Und der Druck nimmt zu: Mit Klybeck plus und Rheinhattan sind zwei grosse Entwicklungsprojekte geplant – im Quartier sollen Wohnungen und Arbeitsplätze für 30’000 Menschen entstehen. Die jetzigen Bewohnerinnen und Bewohner haben Angst, verdrängt zu werden.
Und was macht der Kanton?
Er kapituliert. So zumindest der Eindruck, wenn man mit Stadtentwickler Lukas Ott redet. Im Interview bestreitet er, dass die geplanten Projekte den Aufwertungsdruck erhöhen. Er glaubt im Gegenteil, dass sich der Wohnungsmarkt entspannen wird, da neuer Platz entsteht.
Als Beispiel nennt er das St. Johann, in dem seit der Eröffnung der Nordtangente viel gebaut wurde. Ott argumentiert, die Mieten dort seien zwar gestiegen, aber nicht mehr als in anderen Quartieren. Doch langjährige St.-Johann-Bewohner mussten etwas anderes erleben: Häuser wurden saniert und Mieterinnen rausgeschmissen. Verdrängung ist dort eine Realität.
Nehmen es die Behörden hin, dass Armutsbetroffene verdrängt und ihr Platz von guten Steuerzahlern übernommen wird?
Als Nächstes ist das Klybeck dran. Trotzdem sind im Entwicklungsprojekt Klybeck plus gerade einmal 15 Prozent «günstiger Wohnraum» vorgesehen. Ott reicht das als Mindestgrösse, die Planung sei ein Prozess, man müsse «offenbleiben».
Mit Verlaub: Das klingt ein bisschen so, als würden es die Behörden hinnehmen, dass Armutsbetroffene verdrängt und ihre einst bezahlbaren, nun aufwendig sanierten Wohnungen von guten Steuerzahlern übernommen werden. Das wäre zynisch.
Von einem rot-grün regierten Kanton darf man erwarten, dass er entschlossener in die Bodenpolitik eingreift. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen: Der Staat muss so viel Boden kaufen wie möglich, um dem Mietpreiswucher endlich einen Riegel zu schieben. Alles andere könnte die Kinder vom Klybeck ihr Zuhause kosten.